Was passiert beim zweiten Wahlgang und wie könnte es für die Regierung weitergehen? Vier Fragen zur Abstimmung über die Nationalversammlung.
Die Wahllokale sind geöffnet: In 501 Wahlkreisen wird heute darüber abgestimmt, welche Partei einen Abgeordneten in die Nationalversammlung schicken wird. Im ersten Durchgang vergangenen Sonntag konnten sich bereits 76 Kandidatinnen und Kandidaten direkt qualifizieren, weil sie die absolute Mehrheit erreicht hatten.
Was ist die Ausgangslage?
Drei politische Blöcke stehen sich gegenüber: Rechts Marine Le Pens „Rassemblement National“ (RN) und seine Verbündeten. In der Mitte „Ensemble“, das Lager der Macronisten. Links das Bündnis „Nouveau Front Populaire“. Insgesamt ziehen 577 Abgeordnete in die Nationalversammlung. Für die absolute Mehrheit werden 289 Sitze benötigt. FAQ Wahlen Frankreich 8.30
Regiert bald der RN?
Die Chancen des RN, die absolute Mehrheit zu erreichen, sind jüngsten Umfragen zufolge gesunken, aber nicht ausgeschlossen. Als wahrscheinlicher gilt derzeit, dass keiner der drei Blöcke die absolute Mehrheit erreichen wird.
Was passiert, wenn keiner der Blöcke eine Mehrheit holt?
Der Präsident bestimmt den Premierminister. Üblicherweise kommt dieser aus der größten Fraktion. Bei drei etwa gleichstarken Lagern wäre er jedoch de facto handlungsunfähig, da jede Gesetzesinitiative oder jede Reform von den opponierenden Gruppen geblockt werden könnte. Bisher hatten die Macronisten mit einer relativen Mehrheit regiert. Sie waren wechselweise auf Unterstützung von Linken oder Konservativen angewiesen – in der Praxis hatte das nur leidlich funktioniert.
Was ergibt sich daraus?
Um das Parlament handlungsfähig zu halten, wird aller Voraussicht nach ein breites parteiübergreifendes Bündnis nötig sein: Von Kommunisten bis zu Konservativen müssten Abgeordnete sich im Sinne der Mehrheitsbildung der Zusammenarbeit verpflichten. Solche Koalitionen erfordern eine Kompromissbereitschaft, die traditionell eher nicht zur politischen Kultur der französischen Nationalversammlung gehört. Wie regierungsfähig die Republik bleibt, wird daher bei jeder Entscheidung auch von der parlamentarischen Disziplin der Abgeordneten abhängen – zumindest für ein Jahr. Dann kann das Parlament aufgelöst und neu gewählt werden.