Fruchtige Werke: Warum Bananen die Kunstwelt aufmischen

Ein Kunstwerk mit einer Banane und Klebeband ist für 6,2 Millionen Euro versteigert worden. Ein neues Highlight in der Geschichte der Bananen-Kunst. Was macht diese Frucht so besonders?

Die Kunstwelt ist dafür bekannt, dass Werke für irrsinnige Summen versteigert werden. Jetzt ging die Meldung um die Welt, dass ein chinesischer Krypto-Unternehmer eine Banane mit Klebeband für 6,2 Millionen US-Dollar (etwa 5,9 Millionen Euro) ersteigert hat. Das Kunstwerk von Maurizio Cattelan trägt den Namen „Comedian“. 

Ein Blick zurück

Dabei ist Cattelan nicht der erste Künstler, der aufregende Bananenkunst macht. Die Südfrucht hat ihren festen Platz in der Hoch- und Popkultur. Bereits 1891 malte der französische Künstler Paul Gauguin sie in seinem Stilleben „Le repas ou Les Bananes“ (Das Mahl oder Die Bananen). Der Maler war nach Französisch-Polynesien ausgewandert, dort wächst die Banane. 

Ein Stillleben, so weit, so normal. Aber eine Banane mit Klebeband? Ja, die Frucht schimmelt und muss in schöner Regelmäßigkeit, nach Angaben von Cattelan alle zwei bis drei Tage, ausgetauscht werden. Deshalb ist streng genommen nicht die Banane das Wertvolle, sondern die Idee dahinter: Cattelan verkauft im Grunde nur die Lizenz des Kunstwerks, erstmals wurde sie 2019 ersteigert. Bei der ersten öffentlichen Vorstellung von „Comedian“ aß ein anderer Aktionskünstler sie auf, bei einer anderen Ausstellung ein Student. 

Das erinnert an einen bekannten deutschen Fall: Joseph Beuys (1921-1986) und seine „Fettecke“. Das Element von Fettspuren zog sich durch das Werk des Künstlers, gleich zwei seiner „Fettecken“ wurden jedoch aus Unwissenheit zerstört. So etwa die „Badewanne“, die im Schloss Morsbroich in Leverkusen eingelagert worden war. Bei einer Veranstaltung des SPD-Ortsverbandes Leverkusen-Alkenrath wurde die Wanne geschrubbt, um danach Gläser in ihr zu spülen. Es folgte ein Skandal samt Gerichtsprozess.

STERN PAID Streisand 18.41

Schon damals wurde darüber debattiert, was eigentlich Kunst sei und wie man diese erkennt. Zudem wird regelmäßig die Frage aufgeworfen, woran sich der oft absurd hohe Wert von Kunstwerken festmacht. So wie bei der Banane mit Klebeband. Der neue Besitzer, Justin Sun, setzte direkt einen stolzen Post bei „X“ ab: Es sei nicht bloß ein Kunstwerk, sondern ein Sinnbild für ein kulturelles Phänomen.

Banksys blau-gelbe Banane wird als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine interpretiert
© Oleksii Samsonov

Von Beuys zu Banksy

2018 wurde für eine Million Pfund ein Werk des Streetart-Künstlers Banksy versteigert. Es zerschredderte sich selbst, sobald es unter den Hammer kam. Wie Cattelan ist Banksy ein Künstler, der mit gesellschaftlichen Erwartungen bricht. Auch in seinen Spray-Werken spielen Bananen eine Rolle. Mit am bekanntesten sind die Silhouetten von John Travolta und Samuel Jackson aus „Pulp Fiction“, mit einer Banane statt einer Pistole in der Hand. Auch als politischen Kommentar sprüht Bankys die Banane.

Der in Deutschland bekannteste Bananenkünstler ist jedoch der als „Bananensprayer“ bekannt gewordene Thomas Baumgärtel. Er begann seine Südfrucht-Karriere Mitte der 1980er-Jahre in seiner Studienstadt Köln. In illegalen Aktionen sprühte er ein Bananenmotiv auf Orte, an denen Kunst entstand oder gezeigt wurde. Irgendwann sprühte er die Bananen auch in anderen Städten, das Graffiti entwickelte sich zu einer Art Qualitätssiegel. 

Der Künstler Thomas Baumgärtel wurde in den 1980er-Jahren als „Bananensprayer“ bekannt
© Frank Hempel

Das Bananenmotiv von Baumgärtel zeigt nicht irgendeine Banane. Es ist die, die Jahrhundertkünstler Andy Warhol 1967 als Plattencover für „The Velvet Underground & Nico“ entwarf. Sängerin Nico stammte aus Köln, da schließt sich der Kreis zu Baumgärtel.

Baumgärtel war dabei nicht der Einzige, der in den 80er-Jahren damit begann, mit Bananen für Aufruhr zu sorgen: Die feministischen Künstlerinnen der Guerilla Girls verteilten bei ihren Kunstaktionen Bananen. Dabei trugen sie Gorilla-Masken.

Die Redewendung „Going Bananas“ heißt auf Deutsch „verrückt werden“. Nachdem Künstler Andy Warhol die Banane für das Plattencover von „Velvet Underground & Nico“ entwarf, war die Welt verrückt nach dem Motiv
© Michael Tullberg

Die Banane kann auch Musik – von Pop bis zu Kinderliedern  

Auch in die Musik fanden Bananen Einzug. Das Stück „Yes! We have no bananas!“ aus dem Jahr 1923 wurde ins Deutsche übersetzt und vielfach interpretiert. So singt Friedrich Hollaender in dem Billy-Wilder-Film „Eins, zwei, drei“ (1961): „Ausgerechnet Bananen, Bananen verlangt sie von mir! Nicht Erbsen, nicht Bohnen, auch keine Melonen, das ist ein‘ Schikan von ihr!“

Positiver gestimmt ist da Sänger Rolf Zuckowski in seinem Projekt „Rolf und seine Freunde“ mit dem Song „Theo, mach‘ mir ein Bananenbrot“. Die Melodie stammt vom „Day-O (Banana Boat Song)“, dessen bekannteste Interpretation Weltstar Harry Belafonte in die Welt hinaussang. Und auch im Kinofilm „Beetlejuice“ (1988) überkommt der Song in einer berühmten Dinner-Szene die Tischgesellschaft, die plötzlich dazu tanzen muss. In der deutschen Zuckowski-Version fordert ein Kind sehr nachdrücklich „Ich komm halb vor Hunger um, Theo, mach mir ein Bananenbrot!“ Es gibt mehrere Diskussionen in Online-Foren, ob damit eine Brotscheibe mit Bananen-Belag oder ein Bananenkuchen, auch Bananenbrot genannt, gemeint ist. 

Warum ist die Banane Kunst?

Auch der hawaiianische Sänger Jack Johnson verewigte Bananen-Backwaren in einem Lied. Das lyrische Ich in „Banana Pancakes“ (2005) versucht die Geliebte davon zu überzeugen, einen entspannten Tag in trauter Zweisamkeit zu Hause zu verbringen. Damit stellt Johnson sich in die Tradition von Dichtern und Barden, die die Angebetete durch die Erinnerung an Vergänglichkeit dazu bringen, sie zurückzulieben. Dem wurde besonders im Barock gefrönt (der Jack Johnson von damals hieß Martin Opitz)

Doch nicht Banana Pancakes, sondern das Bananenbrot erlebte den Höhepunkt seines Ruhmes 2020, als die Corona-Pandemie die Welt in den Lockdown versetzte und Menschen zu Hause reihenweise Bananenbrot backten und auf Social Media posteten. Der Hype war so groß, dass der Witz „Diese Pandemie wird Ihnen präsentiert von Bananenbrot“ durch die Welt geisterte. Im deutschsprachigen Raum ist das letzte Bananen-Internet-Phänomen noch gar nicht so lang her. Die als „Bananenfrau“ bekannte Influencerin Johanna Friedemann (bei Instagram: @vergan.weilesguttut) isst angeblich mehr als zehn Bananen pro Tag. Eine irre Diät? Satire? Das ist bis heute nicht geklärt.

Die Versteigerung von „Comedian“, der Banane mit Klebeband, sorgt jedenfalls dafür, dass weltweit wieder diskutiert wird: Was ist Kunst? Welchen Wert hat Kunst. Und warum?