Giftige Prozessionsspinner-Raupen: TV-Schauspielerin Katja Danowski: „Mein Hund Frido wäre fast gestorben.“

Zwei Wochen Tierklinik, abgefaulte Körperteile: So gefährlich sind Prozessionsspinner-Raupen, die derzeit Deutschlands Wälder befallen. Für Katja Danowskis Pudel ging es um Leben und Tod.

Warum nur war nirgendwo am Waldweg ein Warnschild? Das fragt sich Katja Danowski heute noch, zwei Monate nachdem ihr Pudel Frido in den Bergen des Piemonts fast ums Leben gekommen wäre. Weder sie noch ihr Mann Samuel beachteten die weißen Bollen in den Bäumen – die Nester des Prozessionsspinners. In Deutschland warnen Schilder in verseuchten Waldgebieten vor „gefährlichen allergischen Reaktionen an Haut und Atemwegen“. Man solle sich fernhalten von den Nestern, Raupen nicht berühren, Hunde an der Leine führen. „Das klingt zu harmlos“, sagt die TV-Schauspielerin Katja Danowski.

Die weißen Nester des Pinienprozessionsspinners: In ihnen leben oft hunderte von Raupen, deren Brennhaare giftig für Mensch und Tier sind. Er befällt Pinien vor allem in südeuropäischen Ländern.
© Roberto Jimenez / Alamy

Schaum tropfte aus dem Maul des Hundes zu Boden

Die drei waren auf dem Rückweg von einem kurzen Spaziergang zum Ferienhaus, als Katja Danowski die Raupe an Fridos Schnauze entdeckte. Sie schimmerte in vielen Farben, blauschwarz mit orangeroten Wärzchen, und war mit feinen weißen Härchen überzogen. „Ach, die ist ja hübsch“, sagte sie noch, nahm die Raupe auf den Finger und setzte sie auf einen Stein am Wegesrand. Sie kamen nur wenige Meter weiter, als der Pudel seltsame Schmatzgeräusche von sich gab. Bald hing ihm die Zunge aus dem Maul und schwoll an. „Sie war neonorange“, sagt Ehemann Samuel. Sie googelten auf dem Smartphone „Raupe Italien giftig“ – Pinienprozessionsspinner. Ein enger Verwandter des in Deutschland aktiven Eichenprozessionsspinners.

Katja nahm Frido auf den Arm, sie rannten zum Ferienhaus zurück, Katja Danowski stürzte an den Brunnen, spülte mit der Brause das Maul des Hundes aus, rannte zu den Nachbarn, um ein Auto zu organisieren. „Ich war dann kurz allein mit ihm“, erinnert sich Samuel. „Vor seinem Maul bildete sich Schaum, wie Eischnee sah das aus, und tropfte in einer großen Lache auf den Boden, ich war ständig am Aufwischen.“ Dann rasten sie im Auto des Nachbarn in die Tierklinik im 20 Kilometer entfernten Domodossola. Frido auf Katjas Arm röchelte, ächzte, jaulte.

Die gefährlichen Brennhaare der Raupen des Prozessionsspinners haben Widerhaken, sie sind hohl und enthalten das giftige Eiweiß Thaumetopoein.

Die Tierärztin wusste sofort, was zu tun war, es war nicht der erste betroffene Hund. Doch so schlimm, sagte sie, hätte sie es noch nicht gesehen. Eine Stunde nach dem Kontakt hatte sich Fridos Zunge violett bis schwarz verfärbt und hing als dicker Lappen aus dem Maul. Ihm wurde eine Nadel in die Vorderpfote geschoben, über die Kortison in sein Blut floss. Die Besitzer wurden weggeschickt – sie könnten jetzt nichts mehr tun, sagte die Tierärztin.

Juckender Hautausschlag an Händen, Unterarmen und Hals

Wie betäubt irrten sie durch die Straßen, besuchten schließlich ein Restaurant. Die Kellnerin fragte Katja Danowski, was mit ihr passiert sei. Danowski blickte an sich herunter, ihre Hände, Unterarme und ihr Hals waren mit roten Pusteln bedeckt. Überall dort, wo sie Fridos Fell berührt hatte. Sie habe eine „Processionaria“ berührt, sagte die Kellnerin. „Ich fahre Sie ins Krankenhaus. Sie können einen anaphylaktischen Schock entwickeln.“ Eine Viertelstunde später saß Katja Danowski in einem Rollstuhl in der Notaufnahme, hochdosiertes Kortison floss in ihre Armvene.

Überall dort, wo das Fell ihres Pudels sie berührt hatte, bekam Katja Danowski juckende Pusteln – am Hals, an beiden Händen und Unterarmen. Der Hautausschlag blieb länger als drei Wochen bestehen.
© Samuel Weis

Alle hier wussten Bescheid über die Gefahr im Wald. Die Gegend war seit vielen Jahren schon verseucht. Es gibt mehrere Prozessionsspinner-Arten, die für Mensch und Tier bedrohlich sind. In südlichen Ländern ist der Pinienprozessionsspinner verbreitet, der schon im März aktiv ist, in Deutschland der Eichenprozessionsspinner, dessen Raupen im April schlüpfen und von Ende Mai bis Mitte Juli am gefährlichsten sind. Durch den Klimawandel haben die Insekten sich nach Norden über ganz Deutschland ausgebreitet, schon 2011 wurden die ersten befallenen Eichen in Hamburg entdeckt.

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Die Brennhaare sind auch nach vielen Jahren noch giftig

Die Brennhaare der Raupen haben Widerhaken, sie sind hohl und enthalten das giftige Eiweiß Thaumetopoein. Die Haut- und Schleimhautreizungen entstehen also auf zwei Wegen, durch mechanische und toxische Wirkungen.

In der Fachliteratur findet man erstaunlich wenig über die gesundheitliche Gefährdung. Auch auf den Warnschildern in Deutschland steht nirgendwo, dass Hunde möglicherweise sterben können. Auch nicht, dass es Fahrradfahrern oder Spaziergängern passieren kann, dass sie an den Augen operiert werden müssen, nachdem sie in so einem Gebiet unterwegs waren, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtete – und zwar auch, wenn sie alle Warnhinweise befolgten. Denn die Brennhaare können vom Wind mehrere hundert Meter weit getragen werden, in die Hornhäute gelangen und dort Entzündungen auslösen. Auch wenn die Nester von Schädlingsbekämpfern abgesaugt oder verbrannt wurden und das Waldgebiet schon über Jahre nicht mehr befallen ist, behalten die Brennhaare aus heruntergefallenen Nestern ihre toxische Wirkung – ein Picknick unter Eichenbäumen in so einer Gegend kann üble Folgen haben.

In voller Schutzmontur verbrennt ein Baumpfleger in Berlin ein Nest des Eichenprozessionsspinners. Die Atemmaske ist nötig, weil das Einatmen der Brennhaare der Raupen sehr gefährlich werden kann.
© Lisa Ducret / dpa

Tierärztin rät vom Einschläfern ab: „Man weiß nicht, was passieren wird“

Für Katja Danowski folgten zwei Wochen voller Dramatik. Sie war nun allein, Samuel, auch Schauspieler, war wegen Theateraufführungen zurück nach Deutschland gefahren. Sie hatte ihre Drehtermine abgesagt. Jeden Tag fuhr sie zweimal mit dem Zug nach Domodossola, vormittags und nachmittags, und setzte sich zu Frido in den Käfig, streichelte ihn. Sie ertrug den Gestank aus dem entzündeten Maul, aus dem unablässig schwarzer Schleim quoll, flößte dem Hund Flüssignahrung über die Magensonde ein. Sie badete ihn mit der Tierärztin zusammen, wurde, wie sie sagt, eine Art „Hilfsschwester“. Ob man ihn nicht besser einschläfere, fragte sie die Tierärztin öfter mal, doch die verneinte vehement: Man wisse nicht, was passieren würde, man müsse den Körper des Hundes nun arbeiten lassen. Frido ertrug alle Prozeduren stoisch: Blutentnahmen, Wasserbäder, Wundinspektionen.

Das ist echte Hundeliebe: Sechs Stunden verbrachte Katja Danowsi fast täglich in der Klinik und pflegte ihren schwerkranken Pudel. Ihre Drehtermine sagte die TV-Schauspielerin ab.
© Marta Godio

In der Klinik liebten alle den Hund, sagt Katja Danowski. Und man machte sich auch Sorgen um sie, die sechs Stunden täglich bei ihrem Hund verbrachte, eine solche Tierbesitzerin hatten sie wohl noch nie erlebt – und sie ergriffen Gegenmaßnahmen. Einmal führte der Klinikchef sie in seine „Geheimkammer“ im Keller, wo er seine Trompetensammlung aufbewahrte, und spielte ihr Passagen aus einem Bachkonzert vor. Am Samstag vor Ostern fragte die Tierärztin sie, ob sie das Fest mit ihrer Familie verbringen wolle. Die beiden Frauen trafen sich dann früh in der Klinik, fütterten Frido, fuhren ins Dorf der Familie der Tierärztin, feierten das Osterfest mit reichlich Pasta und Kuchen. Abends zurück in der Klinik fütterten sie Frido wieder gemeinsam. „Das war eine wunderschöne Erfahrung – diese Liebe zu dem, was sie tun, zu spüren“, sagt Katja. „Sie haben einfach eine andere Einstellung als wir Deutschen, sie machen es sich schöner auf der Arbeit als wir.“

Naturschutz Studie, 20.25

Kranker Hund: Nach elf Tagen lag die Zunge im Käfig

Nach elf Tagen lag eines Morgens die Zunge des Hundes im Käfig, Fridos Körper hatte sie abgestoßen. Auch seine Lippen lösten sich ab, er würde auch sie verlieren. Doch seine schlechten Leber- und Nierenwerte besserten sich. Er würde überleben. Nach zwei Wochen in der Klinik packte Katja Danowski Frido – noch mit Magensonde – in eine Hundetasche und setzte sich in den Zug nach Hamburg. Der Pudel hatte ein Fünftel seines Gewichts verloren, wog gerade noch vier Kilogramm. Würde er jemals wieder selbst schlucken können? Ohne Zunge? Oder hatten sie jetzt zuhause einen Pflegefall?

Täglich flößte sie ihm püriertes Hundefutter und Wasser ein. „Das war immer ein Massaker“, sagt sie. Nach einer Woche verzweifelte sie, bekam einen Heulkrampf, fragte sich, wie lange das so weiter gehen werde. Frido war acht Jahre alt, gut gepflegt könnte er noch lange leben. Am nächsten Morgen dann die rettende Idee. Sie hielt Frido einen Brocken Feuchtfutter so hin, wie man es tut, wenn Hunde Männchen machen sollen. Er verstand, reckte den Kopf nach oben, öffnete sein Maul und… Frido schluckte. Er konnte schlucken! Am gleichen Tag entdeckte sie durch Zufall beim Discounter einen Hunde-Trinkbrunnen. Sie musste Frido nicht zeigen, wie er funktionierte, der Hund verstand es sofort. Er würde wieder ein fast normales Hundeleben führen können.

Nur wenn man Katja Danowskis Pudel Frido direkt aufs Maul blickt, sieht man, dass ihm die Lippen und Zunge fehlen. Ansonsten scheint er das schwere Trauma gut zu verkraften und lebt wieder ein fast normales Hundeleben.
© Bianca Verwohlt

Kommen heute Besucher in die Wohnung der Familie, springt ihnen Frido entgegen, lässt sich den wuscheligen Kopf kraulen. Seine Versehrtheit fällt kaum auf, wenn man von oben auf ihn herabblickt – die freiliegenden Zähne werden teilweise von seinem Bart verdeckt. Für Katja Danowski hat sich damit die Frage beantwortet, sie sie so lange umtrieb – ob man ihn nicht besser hätte einschläfern sollen. „Er hat wieder Freude am Leben!“