Analyse zur Wirtschaftslage: Mehr Geld für alle!

Die Wirtschaft lahmt. Die Bundesregierung hat deshalb einige Gesetzespakete beschlossen. Ob sie noch wirksam werden, hängt von der Opposition ab.

Es gibt Hoffnung. Seitdem sich die rot-grüne Minderheitsregierung mit Union und FDP auf einen Fahrplan zu Neuwahlen am 23. Februar verständigt hat, scheint parlamentarische Zusammenarbeit möglich. Dringend nötig wäre sie, um die in stagnierende Wirtschaft zumindest zu stabilisieren. Dazu geeignet sind wenige Gesetzespakete, die die Bundesregierung bereits beschlossen hat, und denen sich – rein programmatisch betrachtet – die Opposition anschließen könnte. Der Reihe nach.

Konsumlaune stabilisieren

Der private Konsum macht rund die Hälfte der deutschen Jahreswirtschaftsleistung aus. Rund zwei Billionen Euro. Zuletzt sparten die Deutschen jedoch wieder mehr, die Kauflaune ist eher gedämpft. Um sie nicht weiter absacken zu lassen, hilft alles, was die Haushaltskasse der Verbraucher nicht zusätzlich belastet. Dazu zählt zum Beispiel die Fortsetzung des Deutschland-Tickets für den öffentlichen Verkehr, das derzeit von elf Millionen Menschen genutzt wird: Obwohl der Preis ab Januar von 49 auf 58 Euro monatlich steigen wird, ist das Ticket immer noch wesentlich günstiger als regionale Monatskarten für Bus und Bahn. Der Freigabe der Bundesmittel dafür will die Union nun zustimmen. Nach kurzem Störfeuer aus der CSU.

Rund 50 Gesetzesinitiativen zur Belebung der Wirtschaft hatte FDP-Chef Christian Lindner schon zugestimmt – bevor er als Bundesfinanzminister entlassen wurde
© Krisztian Bocsi

Hilfreich für den Geldbeutel der Verbraucher wäre auch die Vermeidung der sogenannten „kalten Progression“. Würde der Bundestag diese nicht beschließen, würden – vereinfacht ausgedrückt – Lohnzuwächse der Arbeitnehmer ab Januar durch Besteuerung aufgefressen. In manchen Fällen fiele das Nettoeinkommen sogar geringer aus. Es käme – indirekt – zu einer Steuererhöhung. Diese „Bereicherung des Staates“ wollte FDP-Chef Christian Lindner als Finanzminister verhindern und signalisierte auch nach dem Koalitionsbruch die parlamentarische Zustimmung der FDP. Dem hat sich mittlerweile auch die Union angeschlossen. Haken dran.

Familieneinkommen stützen

Beschlossen hat die Bundesregierung ebenfalls eine Erhöhung des Kindergeldes und des Sofortzuschlages für Kinder. Um jeweils fünf Euro monatlich. Die Beträge mögen gering erscheinen. Wie sehr sie aber Familien mit geringen bis mittleren Einkommen helfen würden, zeigt eine kleine Haushaltsbuch-Rechnung: Die Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung werden ab Januar um durchschnittlich 0,8 Prozent steigen. Bedeutet für Menschen mit geringen bis mittleren Einkommen zehn bis 14 Euro weniger netto auf dem Girokonto. Jeden Monat. Das geplante Plus beim Kindergeld und Sofortzuschlag würde die knappsten Haushaltskassen nicht noch stärker einengen. Zumindest die Sozial- und Familienpolitiker von CDU und CSU sollten daran Interesse haben. Und kluge Wirtschaftspolitiker auch. Ausgang noch offen.

Tipp zur Selbsthilfe: Die Zusatzbeiträge der Krankenkassen schwanken schon jetzt erheblich, nämlich zwischen rund einem und vier Prozent. Ein Wechsel der Kasse kann nennenswert Geld sparen. Ein Vergleich der neuen Zusatzbeiträge empfiehlt sich allemal.

Mehr Geld für Mehrarbeit

Mehr Netto vom Brutto brächte der Vorschlag der Bundesregierung, Zuschläge, die Arbeitgeber für geleistete Mehrarbeit zahlen, künftig steuer- und sozialabgabenfrei zu stellen. Zuletzt leisteten immerhin mehr als viereinhalb Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Überstunden. Einem solchen Vorhaben dürften sich – rein programmatisch gesehen – weder Union noch FDP verweigern, fordern sie doch die „Belohnung von Leistung“. Ob die Bundesregierung das Vorhaben im Parlament zur Abstimmung stellt, ist derzeit offen.

Stunde des Parlaments: Die rot-grüne Minderheitsregierung braucht Stimmen der Opposition, um Gesetze zu verabschieden
© Emmanuele Contini

Im selben Feld spielt auch dieses Thema: Die geburtenstärksten Jahrgänge (1955 bis 1964) verabschieden sich derzeit vom Arbeitsmarkt. Ein Viertel der Arbeitnehmerschaft in Deutschland ist heute 55 Jahre oder älter. Und mehr als 70 Prozent von ihnen seien laut einer aktuellen Analyse des Jobportals Stepstone bereit, über den Renteneintritt hinaus zu arbeiten. Geht es nach der Bundesregierung, soll sich solche Arbeit künftig deutlich mehr lohnen. Das würde arbeitswilligen Ruheständlern und Betrieben helfen. 

Drei Wohltaten für Unternehmen

Schwenk zu den Unternehmen: Sie beklagen unter anderem den Fachkräftemangel, zu viel Bürokratie und – gebetsmühlenartig – zu hohe Steuern. Die Bundesregierung hatte sich deshalb auf veränderte Steuerabschreibungsregeln und auf Vereinfachung und Verfahrensbeschleunigung bei der Fachkräfte-Zuwanderung verständigt. Beiden Vorhaben sollten die Wirtschaftspolitiker von Union und FDP zustimmen können. Ob sie es tun, oder mit diesen Themen lieber in den Wahlkampf ziehen, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Das gilt auch für eine weitere, dritte Initiative der Bundesregierung, die Erhöhung der sogenannte Forschungszulage. Diese Subvention käme besonders forschenden, kleinen und mittleren Unternehmen zugute.

Wegfallende Gesetze 12.20

Wirtschaft: Handeln oder Wahlkampf?

Verbraucher wie Unternehmen klagen über hohe Energiepreise. Zur Milderung hat die Bundesregierung das sogenannte Strompreispaket beschlossen, von dem ein Teil bereits im parlamentarischen Verfahren ist: die dauerhafte Stromsteuersenkung für Unternehmen auf das EU-zulässige Mindestmaß. Zusätzlich will die Regierung die Netzkosten senken und die Entgelte dafür „stabilisieren“. Das käme auch den privaten Haushalten zugute. Ob die Umsetzung politisch noch bis zur Neuwahl gelingt, ist fraglich. Zwar lockt der künftige US-Präsident Donald Trump schon jetzt Firmen aus aller Welt mit Billig-Energie am Standort USA. Ob aber die Opposition im Bundestag SPD-Kanzler Olaf Scholz und seinem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Erfolg ausgerechnet in der Energiepolitik zugesteht, ist derzeit völlig offen.

Dasselbe Fragezeichen gilt auch für die vorgesehene Entbürokratisierung beim Wohnungsbau. Bauherren, ob privaten oder gewerblichen, könnte es durchaus helfen. Insbesondere die FDP, traditionell gut in der Immobilienwirtschaft vernetzt, sollte grundsätzlich nicht abgeneigt sein. Ob sie SPD-Bauministerin Klara Geywitz den Punkt machen lässt? Zumindest fraglich.