Comeback-Album „From Zero“: Ja, das ist immer noch Linkin Park

Nach Singles und einer Comeback-Tour präsentieren Linkin Park ihr neues Album „From Zero“. Die Band ist sich treu geblieben. Auch, wenn an einigen Stellen Mut fehlt.

Mehr als sieben Jahre liegt die Veröffentlichung des bislang letzten Linkin Park-Studioalbums „One more Light“ zurück – genau wie der Tod von Sänger Chester Bennington. Die große Zäsur der Bandgeschichte. In den mehr als sieben Jahren danach wurde es dann weitgehend still um Linkin Park.

Im September dieses Jahres meldete sich die Band zurück, stellte Emily Armstrong als neue Sängerin vor und präsentierte auch neue Musik. Das Comeback stellte sie unter das Motto „From Zero“. Die Erwartungshaltung der Fangemeinde ist immens, die Loyalität aber ebenso: Die ausverkaufte Tour wurde ein großer Erfolg (einen Konzertbericht aus Hamburg lesen Sie hier bei stern+). Die erste neue Single „The Emptiness Machine“ schaffte in Deutschland unmittelbar den Sprung auf Platz eins der Charts, Nachfolger „Heavy is the Crown“ erreichte Platz vier. Nummer drei ,“Over each Other“, war deutlich ruhiger als die beiden Vorgänger und gleichzeitig der erste neue Track auf dem Emily Armstrong allein die Gesangspart übernahm.

Nun erscheint das Album als Ganzes, mit elf neuen Tracks. Wobei der erste im Wesentlichen aus einer Frage besteht: „From Zero? Like from Nothing?“, gestellt von Emily Armstrong. Eine Männerstimme antwortet schlicht: „ja“.

Linkin Park setzt bei „From Zero“ auf bewährte Rezepte

„From Zero“ von Linkin Park ist ab dem 15. November verfügbar, zum Beispiel hier bei RTL+ (Transparenzhinweis: Der stern ist Teil von RTL Deutschland).
© Warner Records

So wirklich aus dem Nichts oder von Null kommt „From Zero“ allerdings dann doch nicht, das wird beim Anhören schnell klar. Dafür setzt die Band zu sehr auf bewährte Rezepte: Joe Hahn sorgt mit Samples und Melodien für elektronische Verspieltheit, Brad Delson mit der tiefer gestimmten Gitarre für die Härte. Dazu kommt immer mal ein Rap von Mike Shinoda. Die Scream-Parts übernimmt nun eben Emily Armstrong, beim Gesang wechseln sich Armstrong und Shinoda ab, den Großteil übernimmt die Sängerin. Auch die Texte sind weitgehend in der bekannten Melancholie abgefasst. Manche Tracks sind gitarrenlastiger, andere melodischer. Größere Überraschungen bleiben aus. Es scheint, als wolle die Band beim Songwriting kein Risiko eingehen. Als wäre die neue Stimme schon Veränderung genug. Keine weiteren Experimente.

Linkin Park FS 08.30

Und doch ist „From Zero“ alles andere als ein reiner Aufguss seiner Vorgänger. Shinoda singt zum Beispiel mehr als früher. Er harmoniert dabei gut mit Emily Armstrong, das ist unter anderem in dem in Teilen balladenhaften Outro „Good Things go“ zu hören. Armstrong wiederum schafft es, mit ihrem überzeugenden Gesang (und der ebenso überzeugenden Schreistimme), den Tracks ihren Stempel aufzudrücken und nicht „nur“ Bennington-Ersatz zu sein. An einigen Stellen hätte sie das jedoch durchaus noch etwas rigoroser tun können. „IGYEIH“ etwa fängt wunderbar rotzig und rau an, wird aber zwischendurch etwas seicht. „Casualty“ und „Two Faced“ zeigen da mehr Konsequenz: Hier wird die Härte durchgezogen. Es entsteht der Eindruck: Mehr Mut zu Ausbrüchen aus dem eigenen Schema F hätten dem Album hier und da gut getan. 

Fazit: Comeback geglückt. Das neue Album ist trotz einiger Längen ein gelungenes Gesamtwerk, das bei vielen alten Fans gut ankommen dürfte und auch das Potenzial hat, neue Anhänger dazu zu gewinnen. Jene, die sich wegen der Kontroversen um Emily Armstrong abwenden, tun dies mutmaßlich ohnehin und unabhängig vom neuen Album. „From Zero“ macht deutlich: Linkin Park sind immer noch Linkin Park. Mit Emily Armstrong hat die Band eine starke neue Stimme und die Chance auf einen echten Neustart oder besser gesagt: ein neues Kapitel. Eines ohne ständige Chester-Vergleiche, wie es bei einem männlichen Sänger wahrscheinlich gewesen wäre. Das macht Lust auf mehr.