Neuer US-Außenminister: Matt Gaetz: Trumps Inquisitor

Donald Trump will seinen Handlanger Matt Gaetz zum Justizminister machen. Als Belohnung für dessen Treue – und als Instrument seiner Rache. Zeit, die „Hexenjagd“ umzudrehen.

Na, das nennt sich Timing. 

Eigentlich war für Freitag ein Treffen der Ethikkommission des US-Repräsentantenhauses angesetzt. Das zehnköpfige, gemischtparteiische Gremium wollte Insidern zufolge dafür stimmen, einen womöglich vernichtenden Bericht über einen gewissen Matt Gaetz zu veröffentlichen. Dieser Matt Gaetz, der Abgeordneter für den ersten Distrikt von Florida (nette Gegend, schöne Strände), soll unter anderem mit einer 17-Jährigen geschlafen und Drogen konsumiert haben. Was genau in dem Bericht steht, dessen Veröffentlichung der Beschuldigte immer wieder erfolgreich verzögerte, werden wir vielleicht nie wissen.

Denn zwei Tage vor diesem mindestens unangenehmen Termin berief Donald Trump eben diesen Matt Gaetz zu seinem Attorney General, zum Justizminister und Generalbundesanwalt in Personalunion. Der Clou an der Sache: Weil das ein Vollzeitjob ist, legte der 42-Jährige leichten Herzens und mit sofortiger Wirkung sein Abgeordnetenamt nieder. Damit ist die Ethikkommission wiederum nicht mehr für ihn und seine mutmaßlichen Vergehen zuständig. Als hätte es die Vorwürfe von Korruption, Veruntreuung und Menschenhandel nie gegeben. Als habe sich niemals jemand beschwert, Gaetz habe seinen Kollegen Nacktbilder seiner „romantischen“ Eroberungen gezeigt. 

Haarscharf die Kurve bekommen sagen jetzt die einen, Haarspalterei sagen die anderen. Haussprecher Mike Johnson behauptete zwar, Gaetz habe mit seinem Turbo-Rückzug der Partei bloß mehr Zeit für die Nachbesetzung geben wollen. Nun muss man sich nicht weit aus dem Fenster lehnen, um auf die ungehörige Idee zu kommen: Der Mann wurde rettungsbefördert. 

Fest steht aber auch: Trump will seinen Protegé nicht aus rein väterlicher Fürsorge an den Erwachsenentisch holen, sondern als Instrument seiner Vergeltung. FS Trumps Kabinett 7.25

Matt Gaetz, der Bösewicht aus Florida

Der Versuch, Matt Gaetz politisch zu verorten, verspricht Nackenstarre. Denn rechts neben ihm ist nur die Wand. Selbst, wenn Gaetz lacht (gerne laut und gehässig), hat er ob seiner V-förmigen Augenbrauen immer etwas von einem Comic-Bösewicht. Nicht unpassend, hat er doch ein Faible für Verschwörungstheorien, verfolgt eine strikte Anti-Abtreibungspolitik, verteufelt die Milliardenhilfen für die Ukraine – eben alles, was ein ambitionierter Republikaner im Trump-Zeitalter mitbringen muss.

Auf seiner offiziellen Abgeordnetenwebsite beschreibt sich der Jurist aus Hollywood (nicht das in L.A., sondern am Südzipfel Floridas) als „unverblümten konservativen Hitzkopf“. Das Ränkeschmieden liegt ihm im Blut, schon sein Vater Don vertrat den Sunshine State seinerzeit in Washington als Senator. Gaetz Junior muss sich deshalb bis heute den Spitznamen „Baby Gaetz“ gefallen lassen – Hobbypsychologen dürften aufhorchen. 

Die Hitzköpfigkeit, die er selbst als Stärke sieht, treibt seine Gegner an die Grenzen. 2018 lud er einen Holocaustleugner zu Trumps Rede zur Lage der Nation ein. Später machte er Schlagzeilen, als er einen Redenschreiber anheuerte, der selbst auf einer rechtsradikalen Versammlung gesprochen hatte. Auch sein Auftritt mit Gasmaske während der Corona-Pandemie bleibt in Erinnerung. Nicht zu vergessen: Gaetz war im vergangenen Jahr der Rädelsführer bei der Revolte im Repräsentantenhaus, die Sprecher Kevin McCarthy letztlich die Karriere und der gesamten Regierung einen Batzen Zeit kostete. Und über allem schwebte (zumindest bis diese Woche) der Vorwurf, er habe Sex mit einer Minderjährigen gehabt – auch wenn das Justizministerium die Ermittlungen gegen seinen zukünftigen Chef 2023 ohne Anklage abgeschlossen hatte. 

Zu absurd für den Senat?

Im Repräsentantenhaus dürften sie parteiübergreifend erleichtert aufgeatmet haben, als der Poltergeist mit der Vorliebe für enge Anzüge und ausschweifende Wutreden am Mittwoch seinen Abgang verkündete. Jetzt haben ihn erstmal die Kollegen auf der anderen Flurseite an der Backe.

Denn der Senat muss Gaetz‘ Ernennung zum Justizminister erst noch bestätigen. Zwar ist die kleinere der beiden Kongresskammern bald wieder fest in republikanischer Hand. Parteipatriarch Trump sollte seinen Günstling also eigentlich ohne Probleme durchwinken können. Aber Gaetz ist selbst einigen Rechten zu laut, zu drüber, zu … rechts. Ein Parteikollege nannte ihn einst einen „Republikaner, der mit der Schere rennt“. PAID Trumps neuer Senatsführer 6.20

Hinzukommt: Der frisch gekürte neue Anführer der republikanischen Senatoren, John Thune, hat zwar um des politischen Überlebens willen eine harte MAGA-Schale, aber einen klassisch-konservativen Kern. Eine aussterbende, aber zumindest im Senat noch einflussreiche Spezies. Diese Republikaner der alten Schule verachten neurechte Emporkömmlinge wie Gaetz, sehen in ihnen den personifizierten Sittenverfall. 

Der bekannte Kolumnist Ezra Klein vermutet, dass Trump mit der Nominierung von Gaetz schlicht die Treue seiner Vasallen im Senat testen will. Er habe Gaetz vorgeschlagen, gerade weil dessen Ernennung so absurd wäre. Selbst, wenn Klein recht hat: Trump braucht einen Hybrid aus Kampfhund und Paragrafenbieger an der Spitze des Ministeriums.

Payback Time

Was angesichts der Furcht vor Massenabschiebungen, Handelskriegen und Diktatorenkumpelei in den Hintergrund gerät: Trump wollte nicht nur zurück ins Weiße Haus, um zu herrschen – sondern vor allem, um nicht den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen.

Als Attorney General obläge Gaetz die Aufsicht über alle Ermittlungen der Bundesbehörden – auch über die gegen seinen Boss. Trump würde seinen Minion anweisen, alle Untersuchungen auf Bundesebene einzustellen. Wo kein Chefkläger, da kein Richter. Dass Gaetz gehorchen würde, steht außer Frage. Für Trump steht Loyalität immer an erster Stelle. Ob es Kompetenz aufs Treppchen schafft, darüber lässt sich streiten. Der Kahlschläger – Musk soll US-Behörden aufräumen 19:04

Hat Trump den lästigen Albtraum von orangen Overalls erst einmal abgeschüttelt, könnte er Gaetz sicher mit noch delikateren Angelegenheiten betrauen. Beim „Project 2025“ zum Beispiel, jenem ominösen 920-seitigen ultrarechten Schlachtplan, mit dem Trump angeblich nichts zu tun haben will, träumen die erzkonservativen „Vor“-Denker davon, die gesamte Exekutive direkt dem Präsidenten zu unterstellen. Ein Ja-Sager an der Spitze der Judikative wäre doch kein schlechter Anfang.  

Aber das ist Zukunftsmusik.Trump lechzt zunächst nach simpleren Freuden, allen voran: Rache. Ob sträflich-schludriger Umgang mit Geheimdokumenten, Anstiftung zum Wahlbetrug oder Anstachelung zum Kapitolsturm – aus seiner Sicht alles keine legitimen Vorwürfe, sondern allesamt politische Schikane. Was nicht heißt, dass er nicht selbst davon Gebrauch machen wird, sobald er in den sicheren (vier?) Wänden des Oval Office sitzt. Mit einem persönlichen Inquisitor an der Spitze des Justizapparats könnte Trump der Verführung kaum widerstehen. It’s Payback Time: Zeit, die „Hexenjagd“ umzukehren.