Gelöbnis der Bundeswehr: Pistorius will Bürgern „zeigen, wer sie schützt“

Verteidigungsminister Pistorius will die Bundeswehr mit öffentlichen Gelöbnissen wie in Hannover sichtbarer machen – und wirbt vor Schülern für den Wehrdienst. Doch es gibt auch Protest.

Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Bundeswehr in den nächsten Jahren noch sichtbarer in der Gesellschaft machen. „Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern unserer Republik zeigen, wer sie schützt“, sagte der SPD-Politiker bei einem von Protesten begleiteten öffentlichen Gelöbnis von rund 230 Rekrutinnen und Rekruten auf dem Platz der Menschenrechte in Hannover. „Der Staat kann sich nicht schützen. Das Land kann sich nicht schützen. Das müssen Menschen tun“, betonte Pistorius. 

Das Gelöbnis zum Gründungstag der Bundeswehr vor 69 Jahren, das dieses Jahr zum ersten Mal außerhalb Berlins stattfand, werde daher künftig in verschiedenen Städten in ganz Deutschland stattfinden, kündigte der Minister an. Den Soldatinnen und Soldaten gebührten Dank und Respekt.

Am Rande der Veranstaltung protestierten nach Polizeiangaben mehr als 65 Demonstranten mit Rufen wie „Kriegstreiber“ und „Kein Mensch, kein Cent der Bundeswehr, nicht unser Krieg, nicht unser Militär“. Pistorius sagte dazu mit Bezug zu dem Gelöbnis der Soldaten, der Bundesrepublik treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, das gelte auch für das Recht eines jeden Menschen in Deutschland, zu demonstrieren. Die Linke hatte in der Nähe zu einer Kundgebung gegen eine Militarisierung der Gesellschaft aufgerufen.

Laut der Polizei ist das Gelöbnis größtenteils störungsfrei verlaufen. Allerdings hätten Demonstranten zurückgedrängt werden müssen, weil sie sich nicht an die örtliche Beschränkung hielten.

„Das muss vielleicht in Anbetracht des einen oder anderen Nebengeräusches auch gesagt werden: Die ganz große Mehrheit dieser Gesellschaft steht hinter den Soldatinnen und Soldaten, steht hinter der Bundeswehr“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil vor den Rekruten.

Der SPD-Politiker ergänzte mit Blick auf das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes, einen hohen Lebensstandard und ein Dreivierteljahrhundert Frieden: „Wir haben etwas zu verteidigen in der Bundesrepublik.“

Pistorius diskutierte im Anschluss an das Gelöbnis unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit rund 50 Schülerinnen und Schülern über den geplanten neuen Wehrdienst. Vor der Diskussion betonte er gegenüber den jungen Erwachsenen: „Wir müssen wieder abschreckungsfähig werden.“

Um das zu erreichen, brauche es viel Geld für Waffen und Systeme, aber auch die Erkenntnis, dass keine Armee ohne Menschen in der Lage wäre, das Land verteidigen zu können. „Wenn wir Streitkräfte haben, die Personal haben, die die richtigen Waffen haben, gut ausgestattet sind, die in ein Bündnis eingebettet sind, das funktioniert, die Nato, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass gar nichts passiert, sehr groß“, sagte Pistorius. „Aber es ist eben auch die Voraussetzung dafür, dass wahrscheinlich gar nichts passiert.“

Er selbst habe 1980 für 15 Monate seinen Wehrdienst geleistet. Das sei nicht immer spannend gewesen, räumte der Minister ein. „Viel erschien mir sinnlos. Ich habe aber trotzdem viel gelernt.“

Mit dem neuen Wehrdienst sei geplant, dass jeder und jede 18-Jährige Zugang zu einem digitalen Fragebogen von 15 Minuten erhalte – für die Männer werde die Teilnahme daran verpflichtend, für die Frauen freiwillig. „Ist ungerecht, weiß ich“, sagte Pistorius. Das Grundgesetz lasse derzeit aber keinen anderen Weg zu.

Von denjenigen, die in dem Fragebogen ihr Interesse am Wehrdienst signalisieren, sollten in einem zweiten Schritt 30.000 bis 40.000 zu einem Assessment Center eingeladen werden – „weil wir nicht irgendjemanden wollen, sondern diejenigen, die wollen, und von denen möglichst die besten“. Von diesen wiederum würden 5.000 Wehrdienstleistende ausgewählt.

Warum nicht mehr? Das liege an geringen Kapazitäten der Bundeswehr, sagte Pistorius. „Wenn gar keine Kasernen mehr da sind in der Zahl, keine Unterkünfte, keine Ausbilder, dann macht es auch keinen Sinn, wenn ich 30.000 oder 40.000 Menschen zur Bundeswehr einziehe und die Wehrdienst leisten lasse.“

Das Ziel sei es nicht, dass die Wehrdienstleistenden später in den Krieg ziehen. Die jungen Menschen sollten sich aber fragen, was passiere, wenn keiner bereit sei, das Land zu verteidigen, in dem man frei leben, seinen Wohlstand aufbauen, seine Meinung frei sagen und leben und lieben könne, wie man wolle. „Dann kann diese Art zu leben sehr schnell zu Ende sein“, mahnte Pistorius.