Bei der Landratswahl in Hildburghausen steht der Neonazi Tommy Frenck auf dem Wahlzetttel. Die CDU verzichtet auf die formale Empfehlung des Gegenkandidaten. Nach empörten Reaktionen spricht der Kreis-Chef von einem Missverständnis.
Kurz vor der Landratswahl im südthüringischen Hildburghausen, bei der auch ein Neonazi zur Abstimmung steht, will der örtliche CDU-Kreisverband keine formale Wahlempfehlung abgeben. „Wir haben das kontrovers im Vorstand diskutiert“, sagte der Kreisvorsitzende Christopher Other dem stern. „Aber die Mehrheit hat entschieden, dass wir uns aus dem zweiten Wahlgang heraushalten.“ Zuerst hatte die Zeitung „Freies Wort“ über den Beschluss berichtet.
An diesem Sonntag findet im Landkreis Hildburghausen die Stichwahl um den Landratsposten statt. Als Favorit gilt der Eisfelder Bürgermeister Sven Gregor (Freie Wähler); er war vor knapp zwei Wochen auf 42,2 Prozent der Stimmen gekommen. Er tritt gegen den bundesweit bekannten Neonazi Tommy Frenck an, der 24,9 Prozent erreicht hatte. Der CDU-Bewerber war im ersten Wahlgang knapp gescheitert.
Frenck hatte schon in seiner Jugend „national befreite Zonen“ in Thüringen ausgerufen und war Mitglied der NPD. Er betreibt in seinem Heimatlandkreis ein Szene-Lokal mit rechtsextremistischem Versandhandel und organisierte mehrere neonazistische Großkonzerte. Gleichzeitig sitzt er für das von ihm gegründete „Bündnis für Hildburghausen“ im Kreistag.
Lokale CDU will „Sonneberg-Effekt“ vermeiden
CDU-Kreischef Other begründete die Entscheidung des Kreisvorstands mit den Erfahrungen aus der Landratswahl im Nachbarkreis Sonneberg. Dort hatte der AfD-Kandidat Robert Sesselmann im Juni 2023 trotz eines breiten, gegen ihn gerichteten Parteibündnisses die Stichwahl für sich entschieden.
„Wir wollen den Sonneberg-Effekt vermeiden“, sagte Other. „Das Bild einer Einheitsfront könnte die Leute dazu bringen, erst recht den extremen Kandidaten zu wählen.“ Darüber hinaus habe sich Gregor gegen die offizielle Unterstützung durch andere Parteien gewandt, sagte er. „Diesen Wunsch respektieren wir.“ Alle anderen Interpretationen seien falsch oder beruhten auf Missverständnissen.
Gregor bestätigte Others Darstellung. „Ich will die Wählerinnen und Wähler selbst überzeugen“, sagte er dem stern. „Ich habe viel zugehört im Wahlkampf: Die Leute sehen Politik heute anders und reagieren eher allergisch auf derartige Empfehlungen.“
Die Thüringer CDU-Spitze positioniert sich hingegen klar. Man unterstütze „ausdrücklich“ Gregor als künftigen Landrat, erklärte Generalsekretär Christian Herrgott in einer Mitteilung. „Ein Neonazi wie in Hildburghausen ist unter keinen Umständen eine Wahl.“
Thüringen CDU-Generalsekretär Christian Herrgott. Links neben ihm Landes- und Fraktionschef Mario Voigt.
© Jacob Schröter
Herrgott selbst hatte zuletzt unter anderem dank der Unterstützung von SPD und Linke die Landratswahl im Saale-Orla-Kreis gegen den favorisierten AfD-Kandidaten gewonnen. Auch deshalb sagt er einen Satz, der nach einer deutlichen Empfehlung für den Wahlsonntag klingt. „Dort, wo die CDU nicht in der Stichwahl ist, unterstützen wir die Kandidaten von SPD, FDP oder Freien Wählergemeinschaften“, sagte er.
Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass Vorgaben der Landesparteiführung in Südthüringen ignoriert werden. So hatte der Hildburghäuser Kreisverband 2021 gemeinsam mit anderen Verbänden Hans-Georg Maaßen zum Bundestagskandidaten nominiert – und dies gegen den ausdrücklichen Willen von Herrgott und Landeschef Mario Voigt.
So wie damals steht nun die Union in Südthüringen wieder im bundesweiten Fokus. „Mich irritiert sehr, dass der CDU-Kreisverband in Hildburghausen nicht zur Wahl des demokratischen Kandidaten aufruft“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, dem stern. Es stelle sich die Frage, ob in der Union alle das machen könnten, was sie wollten. „Dieses doppelte Spiel ist sehr gefährlich und nutzt denjenigen, die unsere Demokratie zersetzen wollen“, sagte sie.
Kreischef über Tommy Frenck: „Das ist ohne Frage ein Neonazi“
Kreischef Other wies die Kritik zurück, lenkte aber etwas ein. „Ich und die CDU im Landkreis wünschen uns natürlich nicht Tommy Frenck als Landrat“, sagte er. „Das ist ohne Frage ein Neonazi.“ Gleichzeitig sprach er sich zumindest indirekt für die Wahl des Freie-Wähler-Bewerbers aus. „Sven Gregor ist ein guter Kandidat, der durch seine Arbeit als Bürgermeister überzeugt hat“, sagte er. „Ich wünsche mir, dass die Leute von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und nicht denken, die Sache sei gelaufen.“
Diese Befürchtung hat auch Gregor, der offensiv das Bündnis „Weltoffenes Thüringen“ unterstützt. „Die Leute verstehen oft nicht, dass die Stichwahl wieder bei null anfängt“, sagte er. Wenn nicht genügend Menschen zur Wahl gingen, besitze Frenck durchaus eine Chance, die Abstimmung zu gewinnen.
Deshalb, sagte der Landratskandidat, plane er jetzt einen finalen Aufruf per Video, um ganz allgemein zur Beteiligung an der Wahl aufzurufen – und zwar zusammen mit CDU-Kreischef Other.