Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden dürften im kommenden Jahr um 21,9 Milliarden Euro niedriger ausfallen als bisher vorhergesagt. Das geht aus der Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzung hervor, die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Donnerstag in Berlin bekanntgab. Davon entfallen 15,5 Milliarden Euro Mindereinnahmen auf Schätzabweichungen im Vergleich zur Prognose vom vergangenen Herbst, der Rest auf seither erfolgte Steuerrechtsänderungen.
Lindner mahnte mit Blick auf die geringeren staatlichen Einnahmen zusätzliche Sparanstrengungen an. „Das Ergebnis der Steuerschätzung zerstört die Illusion all derjenigen, die gedacht haben, dass Geld einfach so vom Himmel fällt“, sagte der Finanzminister. Ausgaben müssten nun noch stärker priorisiert werden: „Wir müssen uns aufs Wesentliche konzentrieren“. Damit blieben die Gespräche über den Bundeshaushalt 2025 „sehr herausfordernd“.
Einen Akzent legte Lindner auf eine Stärkung des wirtschaftlichen Wachstums. „Ohne eine Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung wird es künftig keine neuen finanziellen Spielräume geben können“, sagte der FDP-Chef. Alle „sinnvollen und wünschenswerten Ausgaben“ hätten „die Basis einer starken Wirtschaft“.
Als zusätzliches Risiko nannte der Minister den Finanzierungsbedarf für den Ausbau erneuerbarer Energien nach dem EEG-Gesetz. Dieser könnte im laufenden Jahr um bis zu neun Milliarden Euro höher ausfallen als die veranschlagten rund zehn Milliarden Euro, verwies er auf diesbezügliche Berichte.
Von den 21,9 Milliarden Euro Mindereinnahmen im kommenden Jahr entfallen laut Steuerschätzung 11,0 Milliarden Euro auf den Bund, 8,7 Milliarden Euro auf die Länder, 2,0 Milliarden Euro auf die Kommunen und 0,3 Milliarden Euro auf die Abführungen an die EU (jeweils gerundet). Von der reinen Schätzabweichung betrifft den Bund ein Minus von 6,5 Milliarden Euro, die Länder von 7,1 Milliarden Euro und die Kommunen von 1,2 Milliarden Euro.
Für den Gesamtzeitraum der Steuerschätzung von 2024 bis 2028 ergibt sich im Vergleich zur Herbstprognose ein Einnahmeausfall von 80,7 Milliarden Euro. Davon beträgt die Schätzabweichung 62,4 Milliarden Euro, der Rest ergibt sich wieder aus bereits erfolgten Änderungen des Steuerrechts – darunter das Wachstumschancengesetz und weitere Neuregelungen. Von der Schätzabweichung bis 2028 entfallen 29,1 Milliarden Euro auf den Bund und 28,0 Milliarden Euro auf die Länder.
Der Arbeitskreis Steuerschätzungen hatte seit Dienstag in Hannover seine Prognose für die Steuereinnahmen des laufenden sowie der vier kommenden Jahre erarbeitet. Dem Gremium gehören Experten von Bund und Ländern sowie weitere Sachverständige an. Die Daten sind eine wichtige Grundlage für die jeweiligen Haushaltsplanungen.
Über den Bundeshaushalt 2025 wird in der Koalition auch bisher schon heftig gestritten. Bedarfsanmeldungen mehrerer Ministerien seien für ihn nicht einmal eine „Gesprächsgrundlage“, sagte Lindner. Mehr Geld als im Finanzplan vorgesehen hatten unter anderem die Ressorts für Verteidigung, Arbeit, Entwicklung und Auswärtiges verlangt.
Lindner sagte, über den Bedarf für Verteidigung habe er an diesem Donnerstag ein Gespräch mit Ressortchef Boris Pistorius (SPD) geführt. Dieser hatte die vorhandenen Mittel in deutlichen Worten als angesichts der Sicherheitslage unzureichend kritisiert. Lindner lehnte es jedoch erneut ab, wegen der Ausgaben als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse für Notsituationen in Anspruch zu nehmen.