Wenn es nach Bundeskanzler Olaf Scholz geht, sollen Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan wieder möglich sein – zumindest bei Schwerstkriminellen. So kommentieren Medien seine Pläne.
Kanzler Scholz hatte am Donnerstag als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke gegen einen Polizisten in Mannheim vorgeschlagen, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. „Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte er im Bundestag. „Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren.“ Wie genau er das ermöglichen will, sagte er in seiner Regierungserklärung noch nicht. Das Bundesinnenministerium arbeite an der praktischen Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans im Gespräch.
„Mehr politische Führung“
„Allgemeine Zeitung“ (Mainz): „Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern in ein von Terroristen beherrschtes Land wie Afghanistan sind und bleiben fragwürdig, allerdings muss die Verantwortung für die Unversehrtheit der Betroffenen dort enden, wo diese ihr Gastrecht auf schwerste Weise missbraucht haben. Für einen Polizistenmörder gilt das allemal, für islamistische und antisemitische Hetzer ebenso. Es ist zu hoffen, dass dies auch die Grünen so sehen und sich der von Scholz in Auftrag gegebenen raschen Anpassung der Abschiebepraxis nicht in den Weg stellen. Was Deutschland jetzt überhaupt nicht gebrauchen kann, ist ein Ampel-Streit über das Thema.“
„Rhein-Zeitung“ (Koblenz): „Scholz ist Regierungschef eines sehr verunsicherten Landes – nach dem schrecklichen Messerangriff und dem Tod eines jungen Polizisten in Mannheim umso mehr. Bislang hatte man den Eindruck, dass Scholz die Stimmung im Land und die Lage nicht wirklich realisiert hat. (…) In diesen schwierigen Zeiten erwarten die Menschen mehr politische Führung. Scholz hat bisher diesbezüglich arg enttäuscht. Mit seiner Rede aber nicht. Man kann ihm nur zurufen: Mehr davon.“
„Augsburger Allgemeine“: „Ob aus der Ankündigung des Kanzlers Realität wird, steht auf einem anderen Blatt. Sowohl den Taliban als auch Syriens Diktator Assad wird man etwas bieten müssen, wenn sie ihre straffälligen Staatsbürger zurücknehmen sollen. Gleichwohl ist die Entscheidung richtig. Wer sich schwerer Verbrechen schuldig macht, kann sich nicht auf Schutz berufen. Dass diese Täter abgeschoben werden, ist als Symbol wichtig für die Akzeptanz anderer Flüchtlinge – und auch für die Moral der Polizisten, die die Freiheit des Grundgesetzes und die Sicherheit der Bürger verteidigen.“
„Südkurier“ (Konstanz): „Auch, wenn dies die Tat von Mannheim kaum verhindert hätte und eine mögliche Abschreckungswirkung auf potenzielle Täter mehr als fraglich ist: Diese Ankündigung ist überfällig. Vor allem für das Sicherheits- und Gerechtigkeitsempfinden der Bürger und auch, um dem Eindruck entgegenzuwirken, die Politik nehme ihre Wut und Ängste nicht ernst. Es steht zu hoffen, dass nicht nur der Blick auf den kommenden Wahlsonntag den Kanzler dazu verleitet hat, endlich einmal klar auszusprechen, was eigentlich eine blanke Selbstverständlichkeit sein sollte: dass das Sicherheitsinteresse Deutschlands und der Bürger in diesem Land schwerer wiegt als das Schutzinteresse von Tätern.“
„Volksstimme“ (Magdeburg): „Die FDP haben Kanzler und SPD an ihrer Seite, auch die Union will gern mittun. Die Grünen allerdings haben etwas dagegen. Es entwickelt sich der nächste Ampel-Streit. Dem grünen Koalitionspartner spielt in die Karten, dass niemand so recht weiß, wie die Sache abzuwickeln ist. Ob die afghanischen Nachbarn helfen werden, ist ungewiss. Die Grünen benutzen die technischen Probleme indes, um Prinzipienreiterei zu tarnen. Das Aufweichen des Abschiebe-Stopps widerspricht der reinen grünen Lehre. Die Ukraine bis zur Schmerzgrenze mit Panzern und Raketen aufzurüsten, offenbar nicht.“
„Ludwigsburger Kreiszeitung“: „Bei den Parteien der Ampelkoalition, der Linken und auch der Union ist die Sorge groß, dass die zuletzt in die Defensive geratene AfD bei der Europawahl von dem abscheulichen Verbrechen auf dem Mannheimer Marktplatz profitiert. Das Entsetzen und die Erschütterung sind in ganz Deutschland spürbar. Allein aus diesem Grund vollzieht die Koalition aus SPD, Grünen und FDP eine Kehrtwende bei den Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Der deutsche Staat hätte längst entschiedener gegen den von Migranten mitgebrachten Extremismus und die mit ihm verbundene Gewalt vorgehen müssen, auch und besonders schon unter der Kanzlerin Merkel. Aus den Kriegsgebieten der Welt kamen, welch Überraschung, nicht nur Friedensengel ins gelobte Deutschland. (…) Und wieso musste erst ein junger Polizist von einem abgelehnten, aber geduldeten Asylanten erstochen werden, bevor der Kanzler und seine Innenministerin erklären, das Sicherheitsinteresse Deutschlands wiege schwerer als das Schutzinteresse der Täter?“
„Millionenbeträge an menschenverachtende Regime zu zahlen, um Abschiebungen zu ermöglichen – da gruselt es einen“
„Die Glocke“ (Oelde): „Mit den radikal-islamistischen Taliban und der Regierung des syrischen Diktators Baschar al-Assad zu verhandeln, ist politisch sehr heikel. Millionenbeträge an menschenverachtende Regime zu zahlen, um Abschiebungen zu ermöglichen – da gruselt es einen. Und ob Afghanistans Nachbarländer Pakistan und Usbekistan ein Interesse daran haben, Terroristen und schwere Straftäter aufzunehmen, ist mehr als ungewiss. Doch es hilft nichts. Es müssen zählbare Ergebnisse her. Alles andere würde die Politikverdrossenheit verstärken und extremistischen Kräften in die Hände spielen.“Afghanistan Abschiebungen 15.17
„Rhein-Neckar-Zeitung“ (Heidelberg): „Die gestrige Debatte im Bundestag beschäftigte sich mit denen, die hier sind. Dass Kriminelle – nach Verbüßung ihrer Strafe – gehen müssen, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch, wo beginnt diese Kriminalität? Reicht es schon, ein Kalifat zu fordern? Das Surfen auf islamistischen Seiten? So verständlich der Reflex ist, das Land vor Fanatikern zu schützen: Eine im Bundestag vollmundig angekündigte Abschiebewelle ändert gar nichts. Das Strafrecht hingegen kann jederzeit angewendet werden.“
„Neue Osnabrücker Zeitung“: „Auch wenn im konkreten Mannheimer Fall – der Mann war offenbar vorher nicht auffällig – schärfere Gesetze wohl nichts geändert hätten: Dass islamistische Gefährder unbehelligt im Land leben, ist ein zu hohes Risiko. Wovor, muss man fragen, suchen sie hier eigentlich Schutz? Die Geduld, Gewalttätern mit Verweis auf die unsichere Lage in ihrem Herkunftsland Unterstützung in Deutschland zu gewähren, ist bei vielen aufgebraucht.“