In der Serie „Becoming Karl Lagerfeld“ spielt Daniel Brühl den berühmten Designer. Darauf hat sich der Schauspieler akribisch vorbereitet.
Daniel Brühl (45) hat sich Großes vorgenommen. In der französischen Miniserie „Becoming Karl Lagerfeld„, die am 7. Juni auf Disney+ erscheint, verkörpert er den jungen Modeschöpfer Karl Lagerfeld (1933-2019). Die sechs Episoden zeigen das Leben des deutschen Mode-Genies als aufstrebender Designer in den 1970er-Jahren in Paris, vor dem großen Ruhm und vor dem ikonischen weißen Pferdeschwanz.
Die Serie basiert auf dem autobiografischen Roman „Kaiser Karl“ von Raphaëlle Bacqué (60). Mit viel Liebe zum Detail zeigt sie Lagerfelds beschwerlichen Aufstieg in den Fashion-Olymp, den Konkurrenzkampf mit Yves Saint Laurent (1936-2008) und die von Eifersucht geprägte Beziehung mit seiner großer Liebe Jacques de Bascher (1951-1989). Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät Daniel Brühl, wie er seine erste Liebesgeschichte zwischen zwei Männern erlebt hat, was Schafe mit „Becoming Karl Lagerfeld“ zu tun haben und wieso er selbst am Frühstückstisch gezeichnet hat. Außerdem spricht er über seine einzige persönliche Begegnung mit dem im Jahr 2019 verstorbenen Designer.
Wie haben Sie sich auf die Rolle als Karl Lagerfeld vorbereitet?
Daniel Brühl: Da war eine Menge zu tun. Das ging los mit dem Einverleiben von allen Informationen, die ich kriegen konnte. Das war bei Karl Lagerfeld zum Glück einfach, weil er sich auch als junger Mann schon so gut verkaufen konnte. Man fand ganz viele Interviews von ihm – ich war verblüfft, wie er damals aussah, das hatte mit dem späteren Karl Lagerfeld gar nichts zu tun. Es war total hilfreich, zu hören, wie er sich ausgedrückt hat. Dann habe ich drei Biografien gelesen und hatte eine Zeichenlehrerin, mit der ich ganz viel gezeichnet habe. Ich war in Paris bei Chloé, um einen Modekurs zu bekommen. Und irgendwann muss man die Figur für sich ergründen in ihrer Körperlichkeit und ihrer Sprache. Das mache ich meistens allein – ich war ganz viel in den Bergen und habe meine ersten Versuche auf dem Land gemacht, da haben mir nur zwei Schafe zugeguckt. Ich habe Schuhe mit Absätzen angezogen und mit mir auf Französisch geredet. Die Schafe fanden es gut, das habe ich genau gesehen (lacht).
Dann ging es wieder nach Paris, da wollte ich in das Viertel ziehen, das für ihn damals so wichtig war, Saint-Germain-des-Prés. Der spannende Moment der Wahrheit kam, als ich auf den einen Kollegen traf, von dem ich wusste, er ist ganz wichtig für mich. Mit Théodore Pellerin (26, Jaques de Bascher) spiele ich erstmals eine intensive Liebesgeschichte zwischen zwei Männern. Das war absolute Magie. Die Chemie zwischen uns war fantastisch, ich habe mich tatsächlich ein bisschen verliebt. Ich habe meine Frau angerufen und gesagt: ‚Tut mir furchtbar leid, aber ich bin jetzt ein paar Monate in einen Mann verknallt.‘ Sie war aber einverstanden damit (lacht). Theódore und ich haben wirklich miteinander getanzt. Da sind Momente entstanden, die mit zu dem Schönsten gehören, was ich je gemacht habe.
Sie haben Lagerfelds Aussehen angesprochen. Optisch würde man Sie jetzt nicht direkt mit ihm in Verbindung bringen. Hatten Sie deshalb Bedenken?
Brühl: Ja, aber das macht ja auch den Kitzel aus. Ich merke im Alter immer mehr: Immer im zweiten Gang fahren, macht keine Freude. Es ist wichtig, sich außerhalb der Komfortzone zu bewegen, aber dank des inneren Kompasses zu wissen, dass man die Rolle schon irgendwie meistern wird. Dieses Gefühl muss man haben. Es gibt auch Figuren, die könnte ich mir bei mir absolut nicht vorstellen, zu denen würde ich keinen Bezug finden. Dann würde ich es auch nicht machen. Aber bei Karl Lagerfeld hatte ich einfach so ein vermessenes Gefühl, dass ich dachte: Er als jüngerer Typ in Paris, das passt. Bestimmt habe ich auch gedacht: Vielleicht lege ich mich auf die Schnauze und es wird furchtbar peinlich, aber trotzdem habe ich unglaubliche Lust, das zu machen. Am Anfang wusste ich tatsächlich nicht, ob es funktioniert oder ob es eine Lachnummer wird. Man muss bei realen Figuren, gerade bei so einer besonderen und exzentrischen Figur wie Karl Lagerfeld, immer aufpassen, dass man nicht in die Karikatur oder die bloße Kopie abrutscht. Man muss eine eigene Figur kreieren, sich Freiheiten nehmen und die Entscheidung, die man für sich trifft, auch wirklich mutig durchziehen. Mit Theódore haben wir das auch gemacht: Wir haben nichts mehr zurückgehalten, weil man irgendwann die Angst beiseitelegen muss. Die ganzen Stimmen, die sagen, das ist nicht der Karl, den ich mir vorgestellt habe, all diese Bewertung von außen, muss man wegschieben und dann muss man „all in“ gehen. Und das haben wir gemacht.
Sie haben ja auch schon mal den jungen Niki Lauda verkörpert. Haben Sie ein Faible für Biopics?
Brühl: Es kommen die Anfragen und manchmal sind es fiktive Figuren und manchmal sind es reale Figuren. Ich merke immer relativ schnell, ob ich ein Gefühl in mir habe, das mich reizt oder eben nicht. Natürlich ist dann meistens das Drehbuch ausschlaggebend. In dem Fall war es irre, weil ich schon vor der Lektüre des Buches dieses fiebrige Gefühl hatte. Ich wusste, die Bücher kommen von Franzosen, es wird auf Französisch gedreht, es spielt in Paris, zu dieser Zeit – das als Paket, dachte ich, das ist ja Wahnsinn. Wenn die Bücher nichts gewesen wären für mich, hätte ich es natürlich abgesagt. Aber nach der ersten Lektüre eines Drehbuchs weißt du meistens schon: Interessiert es dich oder interessiert es dich nicht? Und da waren bis jetzt tatsächlich ein paar reale Figuren dabei, das stimmt.
Sie haben Karl Lagerfeld einmal bei einem Fotoshooting persönlich getroffen. Was war das für eine Begegnung?
Brühl: Eine kurze, knackige. Aber auch eine sehr schöne Begegnung, weil er mir meine Hemmungen, meine Nervosität sofort nahm. Das ist über 20 Jahre her, ich war jung, ein bisschen aufgeregt, ihn zu sehen. Und er war genauso charmant und humorvoll, wie er eben war. Er hat einen Witz über Berlin gemacht, ich kann mich gar nicht mehr genau erinnern. Auf jeden Fall brach das Eis schnell. Und dann hat er mich fotografiert. Er ist sehr respektvoll und charmant mit mir umgegangen. Aber ich hatte natürlich auch dieses Distanz-Gefühl und war voller Ehrfurcht vor dieser Erscheinung. Vor dieser Figur, die er im späteren Leben erfunden hat. Durch seine verspiegelte Brille konnte ich seine Augen gar nicht erkennen. Die Handschuhe, der weiße Zopf, die schlanke Figur, das hatte so etwas Unnahbares. Mein Wunsch war es, in der Serie auf jeden Fall einen nahbaren Karl Lagerfeld zu zeichnen, bevor er berühmt wurde.
Gibt es etwas, was Sie heute gerne mit ihm besprechen würden?
Brühl: Ich würde wahnsinnig gerne Zeit mit ihm verbringen. Er war ein so spannender und hochintelligenter Mann, unterhaltsam, belesen und neugierig aufs Leben. Im späteren Leben möchte ich mir ein Scheibchen von Lagerfeld abschneiden, weil er auf jeden Fall bis zum Schluss neugierig blieb und nicht zu nostalgisch wurde im Alter.
Haben Sie sich vor der Rolle als Designer für Mode interessiert?
Brühl: In meinem Beruf ist das zwangsläufig der Fall. Ich mache das ja schon ein Weilchen und man fragt sich immer, wie man sich bei Veranstaltungen präsentieren will. In was fühlt man sich wohl, in welchen Schnitten, in welchen Farben und Formen? Ich habe ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu dem Designer Alessandro Sartori (57) von Zegna. Von ihm habe ich einiges mitbekommen, wie die Arbeit als Modedesigner ist. Wie schwer es ist, sich von Kollektion zu Kollektion neu zu erfinden. Da ist unglaublich viel Disziplin und ganz viel harte Arbeit dahinter. Das hat mir geholfen bei der Arbeit zu „Becoming Karl Lagerfeld“.
Sie meinten, Sie haben einen Zeichenkurs besucht. Haben Sie die Skizzen zu den Designs in der Serie selbst gezeichnet?
Brühl: Ja, alle. Ich habe wohl über hunderttausend dieser Zeichnungen angefertigt. Ich habe permanent gezeichnet, auch beim Frühstück nebenbei. Um das auswendig zu lernen, habe ich zuerst Lagerfelds Zeichnungen nachgezeichnet. Irgendwann wurde ich so keck, dass ich tatsächlich meine eigenen Designs gezeichnet habe. Ich habe mir drei, vier meiner eigenen Kreationen aufbewahrt. Die gebe ich vielleicht mal einem Modeexperten und frage, ob das eine Chance hätte (lacht).