Mit einem extrem konservativen Manifest will die Heritage Foundation Donald Trump zur Rückkehr ins Weiße Haus verhelfen. Doch das Programm ist selbst dem Ex-Präsidenten zu radikal
Kevin Roberts, Präsident der Denkfabrik Heritage Foundation und Architekt des umstrittenen politischen Manifests „Project 2025“, äußerte sich im Mai lobend über sein Verhältnis zu Donald Trump. „Ich stehe dem Präsidenten persönlich sehr nahe“, sagte Roberts der Financial Times in seinem Büro in der Nähe des US-Kapitols in Washington. „Und wir sprechen oft miteinander.“
Roberts zeigte sich zuversichtlich, dass Trump viele der Empfehlungen des „Projects 2025“ übernehmen und damit „das glorreichste goldene Zeitalter konservativer Reformen seit Ronald Reagan einleiten“ werde. Heritage sei „aufgrund von Gesprächen mit Präsident Trump und seinen Mitarbeitern zu der Überzeugung gelangt, dass ein großer Prozentsatz dieser Empfehlungen umgesetzt wird“, so Roberts.
Doch im hektischen Schlussspurt eines der engsten Rennen um das Weiße Haus wurden Roberts, das „Project 2025“ und Heritage selbst – zumindest vorübergehend – aus der Umlaufbahn Trumps verbannt. Dabei stammt das „Project 2025“ in weiten Teilen aus der Feder ehemaliger Mitarbeiter der Trump-Regierung. Es bietet ein Menü radikaler konservativer Aktionspläne für den Fall einer Rückkehr des Republikaners ins Weiße Haus im nächsten Jahr.
Zu den Vorschlägen gehören die Einstellung ideologisch loyaler Beamter, die Erhebung von Daten über Abtreibungen und Einschränkungen bei der Verwendung von Abtreibungspillen. Auch drakonische Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung wie die leichtere Inhaftierung und Abschiebung von Migranten gehören zum Programm. Ebenso das Verbot von Pornografie und die Begrenzung von Verhütungsmitteln.
Trump geht auf Distanz
Trump hat im Wahlkampf versprochen, einige dieser Pläne in die Tat umzusetzen. Aber das „Project 2025“ ist so toxisch für ihn geworden – und ein so offensichtlicher Angriffspunkt für die Demokraten – dass der Ex-Präsident und seine Verbündeten jetzt darauf pochen, nichts damit zu tun zu haben. „Die einzige offizielle Politik für die zweite Amtszeit ist die, die direkt von Präsident Trump und seiner Kampagne kommt“, sagte Karoline Leavitt, Sprecherin der Trump-Kampagne, vorige Woche.
Zu Beginn dieses Jahres sagte Trump selbst über das „Project 2025“, er habe „keine Ahnung, wer dahintersteckt“. Einige der Pläne seien „lächerlich und miserabel“. Sein Wahlkampfmanager Chris LaCivita bezeichnete Heritage als „Nervensäge“. Und Howard Lutnick, der für Personalfragen zuständige Übergangschef von Trump, nannte das „Project 2025“ in einem FT-Interview „radioaktiv“.
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Aber nur eine Woche vor den Wahlen am 5. November bleibt das Heritage-Dokument ein Klotz am Bein bei Trumps Wahlkampfauftritten. Seine Kontrahentin Kamala Harris erwähnt es immer wieder auf Kundgebungen und in Anzeigen in den umkämpften Staaten, die das Rennen entscheiden werden. Ihr Wahlkampfteam stellt das Programm als wichtigen Leitfaden der extremen Politik dar, die der frühere Präsident im Falle eines Sieges umsetzen werde.
„Googeln Sie einfach ‚Project 2025‘“, sagte Harris kürzlich bei einer Kundgebung in Atlanta, Georgia. „Können Sie glauben, dass sie das schriftlich festgehalten haben? Es ist eine detaillierte und gefährliche Blaupause dafür, was Donald Trump tun wird, wenn er zum Präsidenten gewählt wird.“
Der 922-seitige Entwurf einer Regierung der Republikaner ist nicht neu. Heritage hat ihn im April 2023 veröffentlicht. Doch die radikale Agenda des Dokuments hat die Stiftung in einer Weise ins politische Rampenlicht gerückt, die in der erhabenen Welt der amerikanischen Denkfabriken äußerst selten, wenn nicht gar beispiellos ist.
Die Heritage Foundation hat sich radikalisiert
Dieser Aufruhr hat den Einsatz für Heritage im Rennen um das Weiße Haus deutlich erhöht. Ein Sieg Trumps wäre ein großer Gewinn für die Denkfabrik und ihre Führungsriege. Verliert er jedoch erneut, droht Heritage eine Gegenreaktion. „Wenn Trump gewinnt, wird Heritage trotz aller Kritik am ‚Project 2025‘ in einer guten Position sein. Ich denke, wenn Trump verliert, wird man sie heftig kritisieren“, sagte Derek Scissors, Senior Fellow am American Enterprise Institute, einer weiteren rechtsgerichteten Denkfabrik. Der frühere Heritage-Analyst arbeitet noch immer mit der Stiftung beim Thema Beziehungen zwischen den USA und China zusammen.
Genaue Beobachter von Heritage sagen, dass ihr Status als politischer Blitzableiter ihrer Entwicklung folgt, die in den letzten zehn Jahren immer populistischer geworden sei. Der Wandel begann 2014, als der frühere Senator und führender Kopf der Tea-Party-Bewegung Jim DeMint aus South Carolina, Präsident der Organisation wurde und ihr politischer Arm – Heritage Action – mit republikanischen Spitzenpolitikern auf dem Capitol Hill aneinandergeriet.
Im Laufe der Jahre wurde Heritage in der Außenpolitik isolationistischer und konzentrierte sich mehr auf soziale Fragen. Dann stieß mit Roberts der ehemalige Leiter des Wyoming Catholic College, der danach für eine rechtskonservative politische Gruppe in Texas gearbeitet hatte, zur Stiftung. Er übernahm die Leitung von Heritage im Oktober 2021 und hat die Arbeit der Organisation seither intensiv gefördert.
„Wir befinden uns im Prozess der zweiten amerikanischen Revolution, die unblutig bleiben wird, wenn die Linke es zulässt“, sagte Roberts im Juli gegenüber „War Room“, einem Podcast, der von Trumps ehemaligem politischen Berater Steve Bannon betrieben wird.
EJ Fagan, Professor für Politikwissenschaft an der Universität von Illinois-Chicago, der ein Buch über den Aufstieg parteiischer Denkfabriken geschrieben hat, sagte über Roberts, er habe „das Gefühl, dass er genauso gerne Moderator bei Fox News wie Präsident einer Forschungseinrichtung sein möchte“. Roberts habe „das offenbart, was die konservative Aktivistenklasse wirklich will, und das ist zutiefst unpopulär“, sagte Fagan und bezog sich dabei auf „Project 2025“. Aber es sei auch eine „ziemlich gute Darstellung dessen, was diejenigen wollen, die schließlich in [Trumps] Regierung berufen werden“, fügte er hinzu.
Seine Kritiker sagen, Roberts habe es in der Hitze des Wahlkampfes übertrieben und sei für Trump und andere Republikaner, die gemäßigtere Wähler für sich gewinnen wollen, zu schrill geworden. Gegenüber der FT erklärte ein führender Vertreter der Konservativen, der Thinktank hätte seine Arbeit in aller Ruhe erledigen und das Ergebnis nach der Wahl an das Trump-Team übergeben sollen. „Das war ein totaler Fehler“, sagte der konservative Führer. Ein bekannter altgedienter konservativer Politikanalyst in Washington sagte der FT, er erwäge, seine Zeit bei Heritage aus seinem offiziellen Lebenslauf zu streichen.
Roberts wehrte sich trotzig. Im September sagte er gegenüber Fox News, Heritage werde im nächsten Wahlzyklus mit einem anderen Plan zurückkommen und „den Demokraten wieder auf die Nase schlagen“.
Geld ist genug da
Der ehemalige Heritage-Analyst Eli Lehrer, heute Präsident des ebenfalls rechtsgerichteten R Street Institute, hält die Charakterisierung des „Projects 2025“ dagegen für übertrieben. „Wer progressiv ist, hat viele Gründe, es nicht zu mögen, und auch die Konservativen haben Gründe, es nicht zu mögen“, sagte Lehrer. „Ist es ein zutiefst finsterer Plan, eine faschistische Theokratie zu errichten? Nein, das ist es nicht.“
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Heritage verfügt nach wie vor über reichlich Geld, das von großen und kleinen Spendern bereitgestellt wird. Das könnte sich als Existenzsichernd herausstellen – egal wie die Wahl ausgeht. Im Jahr 2022 erhielt die Organisation mehr als 95 Mio. Dollar an Beiträgen und Zuschüssen und verfügte über ein Nettovermögen im Wert von 332 Mio. Dollar, wie aus ihrem letzten offiziellen Bericht hervorgeht. Heritage sieht sich aber auch einer wachsenden Konkurrenz durch andere Washingtoner Denkfabriken gegenüber, die mit Trump, aber weniger mit dem „Project 2025“ verbunden sind.
Sollte der ehemalige Präsident gewinnen, werden alle Augen darauf gerichtet sein, ob Heritage und Roberts wieder in den Kreis der Berater aufgenommen und ihre Ideen umgesetzt werden. Roberts sagte, die „endgültigen Entscheidungen“ über die Politik würden von Trump getroffen, und sein Thinktank sei in Bezug auf seine Rolle „wirklich demütig“.
„Weder ich als Person noch Heritage als Unternehmen oder eine der Organisationen, die Teil des ‚Projects 2025‘ sind, maßen sich an zu glauben, dass wir Präsident Trump oder einem gewählten Präsidenten vorschreiben können, was er zu tun hat“, so Roberts.
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