Sharmahd-Hinrichtung: Bundesregierung schließt alle iranischen Generalkonsulate – Iran protestiert

Drei Tage hat die Bundesregierung gewartet, nachdem der Iran einen deutschen Staatsbürger hinrichten ließ. Jetzt fällt die Reaktion härter aus, als von vielen erwartet.

Als Reaktion auf die Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd schließt die Bundesregierung alle drei iranischen Generalkonsulate in Deutschland. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, handelt es sich um die diplomatischen Vertretungen in Frankfurt am Main, Hamburg und München, die Botschaft in Berlin bleibt aber geöffnet. 

Betroffen sind 32 iranische Konsularbeamte, die ihr Aufenthaltsrecht verlieren und ausreisen müssen, sofern sie nicht auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Die Reaktion auf die Hinrichtung fällt damit härter aus als von vielen erwartet.

Der Iran hat die Schließung seiner drei Generalkonsulate verurteilt und aus Protest den Geschäftsträger der deutschen Botschaft einbestellt. Die Entscheidung von Außenministerin Annalena Baerbock, Iranern sowie Deutschen konsularische Dienstleistungen in Deutschland zu verweigern, sei „ungerechtfertigt“, so das iranische Außenministerium in einer Presseerklärung auf dem Internetportal „Iran Nuances“.

Den Protest der Bundesregierung nannte das Außenministerium Einmischung in innere Angelegenheiten. Ob Teheran neben der Einbestellung noch weitere Maßnahmen ergreift, ist unklar. Beobachter in Teheran rechnen jedoch mit härteren Schritten.

Iran HIngerichteter 19.10

Bisher griff die Bundesregierung nur einmal zu einer solchen Strafmaßnahme: Infolge des Angriffs auf die Ukraine wurden vier russische Generalkonsulate geschlossen, allerdings mit Verzögerung. Die Entscheidung wurde erst 15 Monate nach der Invasion im Mai 2023 als Reaktion auf die Ausweisung Hunderter deutscher Staatsbediensteter getroffen und erst zum Jahreswechsel 2023/24 umgesetzt.

Baerbock: Diplomatische Beziehungen zu Iran auf Tiefpunkt

Baerbock sagte, die diplomatischen Beziehungen zum Iran seien „mehr als auf einem Tiefpunkt“. Die Ermordung Sharmahds unterstreiche, dass das iranische „Unrechtsregime“ auch mit dem jüngsten Wechsel an der Spitze weiter in voller Brutalität agiere, sagte die Ministerin. Das Regime kenne vor allem die Sprache der Erpressung, der Drohung und der Gewalt. „Wir haben Iran immer wieder unmissverständlich klargemacht, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird.“

Die Botschaft des Irans in Berlin bleibt geöffnet und ist weiter für die konsularische Betreuung der 300.000 Iraner in Deutschland zuständig. Über die Zahl der Mitarbeiter an der Botschaft gibt das Auswärtige Amt keine Auskunft. Baerbock sagte, diese zu schließen, wäre der größte Gefallen, den man solchen Regimen machen könnte, so Baerbock. „Wir wissen, es gibt auch einen anderen Iran.“

Irans Justiz hatte Sharmahds Hinrichtung am Montag bekanntgegeben. Er wurde im Frühjahr 2023 in einem umstrittenen Prozess nach Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt. Die Bundesregierung, Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen ihn vehement zurück.

Neuer Tiefpunkt in den deutsch-iranischen Beziehungen

Die ohnehin schon stark eingeschränkten deutsch-iranischen Beziehungen sind mit der Schließung der Generalkonsulate auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Es ist gut möglich, dass der Iran zu Gegenmaßnahmen greift. 

Bereits nach dem Todesurteil gegen Sharmahd hatte das Auswärtige Amt zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Der Iran reagierte seinerseits mit der Ausweisung derselben Zahl deutscher Diplomaten. Das ist ein übliches Vorgehen in solchen Fällen.

PAID Geiseldiplomatie Iran 15.13

Die Europäische Union berät auch über weitere Sanktionen gegen den Iran. Dabei könnte es um Personen gehen, die mit der Hinrichtung, Inhaftierung oder dem Gerichtsverfahren zu tun haben, das von der Bundesregierung als nicht rechtsstaatlich erachtet wird. 

Baerbock hatte „schwerwiegende Folgen“ angekündigt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock hatten die Hinrichtung schon am Montag scharf verurteilt. Baerbock kündigte „schwerwiegende Folgen“ an und ließ den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellen. Staatssekretärin Susanne Baumann übermittelte ihm in einem Gespräch den „scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes“.

Einen iranischen Botschafter gibt es derzeit nicht in Berlin. Der bisherige Botschafter ist im Zuge eines regulären Personalwechsels ausgereist und ein Nachfolger bisher nicht eingetroffen. Nach der Tötung Sharmahds gilt es als unwahrscheinlich, dass zeitnah ein neuer Botschafter entsendet wird.

Auswärtiges Amt warnt vor Reisen in den Iran

Der deutsche Botschafter in Teheran, Markus Potzel, wurde von Baerbock zu „Konsultationen“ nach Deutschland zurückbeordert. Er hat den Iran inzwischen verlassen. Wann er zurückkehrt, ist ebenfalls völlig offen. 

Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in den Iran und hat deutsche Staatsangehörige bereits aufgefordert, das Land zu verlassen. Wie viele Deutsche noch im Land sind, ist unklar. Eine niedrige dreistellige Zahl hat sich auf der Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts eingetragen. 

Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren, kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland und wuchs in Niedersachsen auf, wo er in der Landeshauptstadt Hannover jahrelang einen Computerladen betrieb. Im Jahr 2003 zog er schließlich nach Kalifornien in den USA, wo er politisch aktiv war. 

In den USA war Sharmahd in der iranischen Exil-Oppositionsgruppe „Tondar“ (Donner) aktiv. Die iranische Staatsführung wirft der monarchistischen Organisation vor, für einen Anschlag im Jahr 2008 in der Millionenstadt Schiras mit mehreren Todesopfern verantwortlich zu sein. Die Vorwürfe lassen sich unabhängig nicht überprüfen – Hinterbliebene der Toten hatten Sharmahds Exekution gefordert.

Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair. Er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als „Richter des Todes“, der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde.

Hinweis: Dieser Artikel wurde um weitere Informationen ergänzt.