Selbstbestimmungsgesetz: Über 500 Hamburger wollen Geschlechtseintrag ändern lassen

Das neue Selbstbestimmungsgesetz löst das Transsexuellengesetz ab und soll es ab 1. November leichter machen, Geschlecht und Vornamen zu ändern. In Hamburg trifft die Neuregelung auf Nachfrage.

Vor dem vollständigen Inkrafttreten des neuen Selbstbestimmungsgesetzes haben bei Hamburgs Standesämtern bereits mehr als 540 Menschen Anträge auf Änderung ihres Vornamens und Geschlechtseintrags gestellt. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten André Trepoll hervor.

Das neue Gesetz soll es Trans-, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen ab 1. November erleichtern, ihr Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung wahrzunehmen. Bereits seit August können entsprechende Änderungsanträge gestellt werden. Die Änderung des Geschlechtseintrags muss drei Monate im Voraus beim Standesamt angemeldet werden. 

Die meisten Anträge bei Standesämtern in Nord und Mitte

Die mit jeweils 105 meisten Anträge gingen laut Senat bis Mitte Oktober bei den Standesämtern in Nord und Mitte ein. 103 gab es in Altona, 82 in Eimsbüttel, 68 in Wandsbek, 49 in Harburg und 30 in Bergedorf. Wandsbek ist mit 455.000 Einwohnern laut Statistikamt der mit Abstand bevölkerungsreichste Bezirk. Es folgen der Bezirk Mitte mit 328.000 Einwohnern und Nord mit 313.000. In Hamburg lebten 2023 offiziell mehr als 1,96 Millionen Menschen.

Für die Beurkundung der Erklärung muss neben Personalausweis oder Reisepass auch die Geburtsurkunde vorgelegt werden. Es werden Gebühren in Höhe von 35,50 Euro erhoben – bei mehreren Beurkundungen in einem Termin werden 55,50 Euro fällig.

Die ab 1. November geltende Rechtslage sehe keine weiteren Verpflichtungen für die Personen vor, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, schreibt der Senat in seiner Antwort. „Insbesondere bestehen keine Mitteilungspflichten an die Justiz oder andere Ämter.“

Trepoll kritisiert mangelnde Meldepflichten bei geändertem Geschlecht

Trepoll sieht das kritisch: „Wie soll beispielsweise im Falle von Zwangsvollstreckungen ein Gläubiger ein Urteil gegen eine Person vollstrecken, die mittlerweile ein anderes Geschlecht und einen anderen Vornamen hat?“, fragt sich der Verfassungs- und Bezirksexperte der CDU-Fraktion. „Oder wie erfährt die Polizei davon, wenn sie entsprechende Personen per Haftbefehl sucht?“ Diese Fragen müsse die Ampel-Regierung umgehend klären „und, falls erforderlich, das Datenschutzrecht entsprechend anpassen“, forderte Trepoll.

Vorname muss dem Geschlechtseintrag entsprechen

Dem neuen Gesetz zufolge muss der Vorname grundsätzlich dem Geschlechtseintrag entsprechen. Es gibt dabei wie bisher die Wahl zwischen „männlich“, „weiblich“ und „divers“. Betroffene können sich auch entscheiden, keine Geschlechtsangabe zu machen. Die Änderung des Geschlechtseintrags ist maximal einmal pro Jahr möglich. 

Das Gesetz schützt die Betroffenen zugleich vor dem sogenannten Zwangsouting. Frühere Geschlechtseinträge dürfen ohne Zustimmung der betreffenden Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.

Bei Minderjährigen müssen Eltern oder Familiengericht zustimmen

Minderjährige unter 14 Jahren dürfen die Erklärung beim Standesamt nicht selbst abgeben. Übernehmen muss das der gesetzliche Vertreter. Jugendliche brauchen die Zustimmung der Eltern. Stimmen die nicht zu oder werden sie sich nicht einig, kann sich das Familiengericht einschalten.

Gesetz mit deutlicher Mehrheit beschlossen

Das Gesetz war nach einer teils hochemotionalen Debatte am 12. April vom Bundestag beschlossen worden. Bei insgesamt 636 abgegebenen Stimmen hatten 374 Abgeordnete für das Gesetz votiert. Mit Nein stimmten 251, elf Abgeordnete enthielten sich. Unterstützung für das Gesetz der Ampelkoalition kam aus der Gruppe Die Linke. 

Union, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) lehnten eine Zustimmung klar ab. Der Bundesrat hatte das Gesetz am 17. Mai passieren lassen, in dem er darauf verzichtete, den Vermittlungsausschuss dazu anzurufen.