Straßen und Häuser unter Wasser, Tausende Rettungseinsätze und Sorge um eine Altstadt: In 24 Stunden fällt im Saarland stellenweise mehr Regen als im gesamten April. Kanzler Scholz besucht die Region.
Enorme Regenmengen haben im Saarland Überflutungen, Erdrutsche und voraussichtlich hohe Schäden verursacht. Über Verletzte war zunächst nichts bekannt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hob am frühen Morgen alle Unwetterwarnungen in Deutschland auf.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem Saarland die Solidarität des Bundes versichert. Der SPD-Politiker sagte in Kleinblittersdorf, es stehe nun die akute Hilfe im Vordergrund. Wenn die unmittelbare Not- und Gefahrenlage zurückgegangen sei, werde es darum gehen, dass man miteinander verabrede, was zu tun sei, um denjenigen, die in Not geraten seien, zu helfen. „Wir haben da eine gute Praxis der Solidarität“, sagte der Kanzler.
„Leider ist das ja hier nicht das erste Mal, dass wir eine große Naturkatastrophe zu bewältigen haben und deshalb werden wir natürlich schauen, was hier jetzt zu tun ist und was notwendig ist“, sagte Scholz. „Alle können sich darauf verlassen, dass das im besten Sinne geschieht.“
Scholz, der Gummistiefel trug, ging über eine überflutete Straße und sprach mit Betroffenen. Er hatte in Saarbrücken ursprünglich eine Dialogveranstaltung mit rund 400 Bürgern zur Europa- und Kommunalwahl am 9. Juni geplant.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte: „Es soll niemand im Regen stehen bei dieser schwierigen Lage.“ Die saarländische Landesregierung hatte bereits erste Schritte für finanzielle Hilfen nach den Überschwemmungen eingeleitet. Rehlinger sprach von der schwierigsten Lage seit dem Hochwasser vor mehr als 30 Jahren im Saarland, dem „Jahrhunderthochwasser“.
Tausende Einsätze
Nach bisherigen Kenntnissen sind bei dem schweren Unwetter am Freitag mit stundenlangen Niederschlägen und großflächigen Überflutungen bis in die Nacht keine Menschen ums Leben gekommen. Bei einer Evakuierungsaktion habe es einen Verletzten gegeben, sagte der Sprecher des Lagezentrums. Ein Mensch sei ins Wasser gefallen und anschließend in ein Krankenhaus gebracht worden. Sein Zustand ist zurzeit unbekannt, hieß es vom saarländischen Innenministerium.
Auf Videos waren zur Hälfte im Wasser stehende Autos, im Hochwasser feststeckende Wohnwagen und zahlreiche überflutete Straßen zu sehen. Gebäude wurden notdürftig mit Sandsäcken geschützt, teilweise stehen ganze Straßenzüge unter Wasser. Das Lagezentrum in Saarbrücken registrierte bislang mehr als 3000 Polizei- und Rettungseinsätze im Bundesland. Allein die Polizei im Saarland verzeichnete bis zum frühen Samstagmorgen (7.00 Uhr) rund 1000 Einsätze. Hinzu kommen nach Angaben des Saar-Innenministeriums mehr als 2400 Einsätze von Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen.
Angespannte Lage in der Altstadt von Blieskastel
Am frühen Samstagmorgen entspannte sich demnach die Lage etwas: Seit 1.00 Uhr stiegen die Pegelstände zumindest nicht mehr, sagte ein Sprecher des Lagezentrums. Die Rettungskräfte seien aber weiterhin im Großeinsatz. Nach einer unruhigen Nacht beginnt in den betroffenen Regionen das Aufräumen. Das genaue Ausmaß der Schäden dürfte erst in den nächsten Tagen sichtbar werden. Weiterhin angespannt sei die Lage in Blieskastel, da der Pegelstand des Flusses Blies weiter leicht gestiegen sei. Gegen Samstagmittag werde dort der Höchststand erwartet. Zahlreiche Helfer versuchten, eine Überschwemmung der Altstadt von Blieskastel zu verhindern.
Es handele sich um ein Hochwasserereignis, wie es alle 20 bis 50 Jahre stattfinde, teilte das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz mit. Der DWD maß stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in nicht einmal 24 Stunden. Für diesen heftigen Regen seien Flüsse und Infrastruktur nicht ausgerichtet, sagte eine DWD-Meteorologin. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Monat April waren im Saarland rund 74 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen worden – und dies war ein Sechstel mehr Niederschlag als normalerweise in dem Monat.
Die Landeshauptstadt Saarbrücken rief ebenso wie mehrere Kreise eine Großschadenslage aus. Mehrere Gebäude im Stadtgebiet mussten evakuiert werden. Die Stadt richtete Ausweichquartiere in Schulen und ein Bürgertelefon ein. Im saarländischen Völklingen wurden wegen des anhaltenden Regens Straßenzüge vom Stromnetz genommen: „In Völklingen werden Schäden in Millionenhöhe erwartet, insbesondere im privaten Bereich“, hieß es.
Überschwemmungen auch in Rheinland-Pfalz
Wegen des Unwetters meldete auch die Deutsche Bahn massive Beeinträchtigungen und Ausfälle im Zug- und Schienenersatzverkehr in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Von nicht notwendigen Reisen ins Saarland sei abzusehen, teilte die Bahn mit. Die Saarbahn kann nach Angaben des Unternehmens nur zwischen Güchenbach und Saargemünd fahren.
Auch im benachbarten Rheinland-Pfalz waren Städte vom Dauerregen betroffen. Keller und Straßen liefen voll und Bäume stürzten um, wie die Koordinierungsstelle der Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde (ADD) berichtete. Viele kleinere Bäche und Flüsse traten über die Ufer.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dankte den Kräften von THW, Polizei und Feuerwehr auf X. „Großer Respekt und Dank an alle Einsatzkräfte für ihren unermüdlichen Einsatz, um Menschenleben zu schützen!“, schrieb sie. Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zeigte Mitgefühl am Freitagabend auf X: „Bin wie viele heute Abend in Gedanken bei den Menschen in den Hochwassergebieten und den Helfern, von denen viele die ganze Nacht im Einsatz sein werden. Ich hoffe, alle kommen sicher durch die nächsten schlimmen Stunden.“
Bereits in der Nacht zum Samstag sandte die Landesregierung eine Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger und leitete erste Schritte für finanzielle Hilfen ein. „Viele Saarländerinnen und Saarländer bangen um ihre vier Wände und ihr Hab und Gut oder haben bereits starke Schäden zu beklagen“, teilte Ministerpräsidentin Rehlinger mit. „Damit keine Zeit verloren geht, hat die Landesregierung kurzfristig Beschlüsse gefasst, durch die Hilfe bereitsteht, um entstandene Schäden zu beheben.“ Noch könne aber niemand konkrete Summen nennen.
In einer Schalte am späten Freitagabend habe der Ministerrat ein sogenanntes Elementarereignis von überörtlicher Bedeutung festgestellt. Damit können laut Staatskanzlei Hilfen des Landes fließen. Zudem könnten Kommunen wegen der außergewöhnlichen Notsituation von Regelungen des Haushaltsausgleichs abweichen. „Landesregierung und Kommunen stehen zusammen – wie das ganze Saarland“, teilte Innenminister Reinhold Jost (SPD) mit.