US-Wahlkampf: Leider geil!

Donald Trump verachtet die Demokratie. Aber er tanzt so lustig! Bringt die Entertainment-Sucht der Amerikaner einen Verbrecher ins Weiße Haus? 

Niemand mag Langweiler. Kamala Harris ist einer. Zumindest im Vergleich zu Donald Trump. Das ist die Wahl, vor der die USA stehen: Popcornpolitik oder Schwarzbrotdiplomatie? Fachfrau oder Clown? 

Letzterer ist zwar mindestens ein Verbrecher, vielleicht sogar ein Faschist. Aber leider unfassbar unterhaltsam. Genau das könnte am Ende der Schlüssel zum Weißen Haus sein. Denn die wenigen zehntausend Wankelmütigen, auf die es ankommen wird, die sich bisher tatsächlich nicht zwischen irgendwie-links und mega-MAGA-rechts entscheiden konnten, sind nicht mehr mit rationalen Argumenten zu überzeugen. Und wer keine Ahnung hat, entscheidet gerne aus dem Bauch heraus. Genau wie Trump.

Newsblog US-Wahl 2024 21:02

Donald Trump, der nette Milliardär von nebenan?

Es wäre nicht das erste Mal, dass Unterhaltung Kompetenz schlägt. Das liegt auch am US-Wahlkampf selbst. Im Gegensatz zum deutschen Kanzlerrennen, das den Unterhaltungswert eines Puzzleabends verspricht, gehört gutes Entertainment im Land der Äußerlichkeiten seit jeher zur politischen Willensbildung. Der Weg ins Weiße Haus – eine große Castingshow. Doch Trump hat das ohnehin empfindliche Verhältnis von Verpackung und Inhalt völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. 

Trump ist ein Schauspieler, der sich vollständig in seiner Rolle verloren hat: Er spielt sich selbst, vielleicht seine eigene Karikatur. Die Bühne ist sein natürliches Habitat. Tritt er vor ein Publikum, folgt ein Fiebertraum. Wenn dieser unförmige Hüne zu „Ave Maria“ schunkelt, die Uniform eines Toten liebkost oder bei McDonald’s die Fritteuse bedient, verschwindet das Raubtier hinter der Maske. Aber es ist niemals weg. Das, was Trump sagt, gerät angesichts der absurden Art und Weise, wie er es sagt, regelmäßig gefährlich in den Hintergrund. 

Dabei ist er auf seine verquere Art entwaffnend ehrlich: Er droht ganz offen mit radikaler Isolation, mit Verfolgung von Andersdenkenden, ja mit Diktatur vom ersten Tag an. Doch fällt es schwer in einem Mann das Böse zu sehen, wenn der beim Tanzen aussieht, als würde er eine sehr große Kuh melken.  STERN PAID 44_24 Titel Musk Trump 12:12

Hinzu kommt: Für viele einfache Amerikaner ist der Immobilienhai aus Queens deutlich nahbarer als die Akademikerin von der Westküste. Kein Wunder, ist Trump doch genau das, was sich einfache Menschen unter einem einfachen Menschen mit zu viel Geld vorstellen: alles ein bisschen zu doll, ein bisschen zu grell, ein bisschen zu laut. Eben der nette Milliardär von nebenan. Und vor allem: Auch nach vier Jahren Präsidentschaft ist er immer noch kein Politiker.

Im Gegensatz zu Kamala Harris.

Der Hype um Kamala Harris ist vorbei

Was die von ihren Vorgängern im Weißen Haus unterscheidet? Nicht viel. Ihr Name, ihr Geschlecht, ihre Hautfarbe. Für letztere hat sie deutlich weniger getan, als Trump für seine. Im Grunde ist die 60-Jährige völlig austauschbar. Nichts kann sie so richtig gut, alles können andere besser. Eine Messerspitze Autorität? Nancy Pelosi spricht ein Machtwort. Eine Prise Bodenständigkeit? Tim Walz schürt die Daddy-Vibes. Eine Handvoll Coolness? Barack Obama rappt mit Eminem. Die Kombination der Zutaten macht das Ergebnis genießbar. Harris selbst bleibt so geschmacklos, so vage wie ihre Wahlkampfversprechen.  Donald Trump – sein Leben in Bildern

Die Anfangseuphorie, der Hype nach ihrer Ernennung, ist längst abgeebbt. Der rosaroten Brille beraubt, sehen viele Kurzzeit-Sympathisanten sie wieder als die blasse Figur, die die letzten vier Jahre in Joe Bidens Schatten verschwand. Das stellt Unentschlossene vor eine allzu vertraute Wahl. Und die heißt nicht: Trump oder Harris? Sondern, mal wieder: Trump oder Nicht-Trump?

Fest steht: Ein Übermaß an Mittelmaß im Weißen Haus wäre für den amerikanischen (Seelen-)Frieden gesünder als unterhaltsame Unberechenbarkeit. Vielleicht also sollte man im Zweifel das Regieren doch lieber einem Profi überlassen.