Digitaler Angriff auf Kamala Harris: Eine Netzkampagne zeigt Muslimen und Juden widersprüchliche Inhalte zu der Demokratin. Trump-Fan Elon Musk ist einer der Geldgeber.
Wer den US-Wahlkampf 2016 zwischen Donald Trump und Hillary Clinton intensiv verfolgt hat, dem dürfte „Cambridge Analytica“ noch ein Begriff sein. Die mittlerweile insolvente Datenanalyse-Firma hatte im Vorfeld der damaligen Präsidentschaftswahl Millionen von Facebook-Daten unrechtmäßig gesammelt und analysiert. Sie soll die Daten auch missbraucht haben, um Donald Trump zum Sieg zu verhelfen.
Die Strategie dahinter nennt sich Microtargeting. Auf Grundlage von gesammelten Daten werden dabei zunächst möglichst spezifische Persönlichkeitsprofile definiert. Im nächsten Schritt erhalten die Nutzer dann individuelle Botschaften, die auf sie und ihre Lebensumstände zugeschnitten sind. Im Falle von Wahlen ist das Ziel, die teils noch unentschlossenen Menschen von einer politischen Agenda zu überzeugen.
Auch bei der US-Wahl 2024 kommt Microtargeting zum Einsatz. Ein sogenanntes Political Action Committee (PAC), das von Trump-Fan Elon Musk mit Spenden unterstützt wird, verbreitet aktuell Netzkampagnen, die gegen Kamala Harris gerichtet sind. Aufhänger ist der Gazakrieg.
Digitale Hetze gegen Kamala Harris
Die Kampagne arbeitet bewusst mit widersprüchlichen Inhalten: Einerseits wirft sie Kamala Harris vor, sich zu israelfreundlich zu äußern, andererseits sei die Demokratin zu palästinenserfreundlich. Das Perfide: Moslems in Michigan sehen in sozialen Medien Videos mit der ersten Botschaft, während Juden in Pennsylvania Spots mit der zweiten Botschaft angezeigt werden. Beide wissen dabei nicht, dass die jeweils andere Gruppe komplett andere Aussagen zu sehen bekommt. Darin liegt der Kern von Microtargeting.
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Als „Amerikas Pro-Israel-Power-Paar“ bezeichnet die Sprecherin in einem der Videos Kamala Harris und ihren Mann Douglas „Doug“ Emhoff. Auf dessen jüdischen Glauben schießt sich die Kampagne auch deutlich ein. Emhoff könne der erste jüdische Präsidentengatte werden. Gemeinsam würden Harris und ihr Mann Israel unterstützen. Zudem heißt es, das Land führe einen „noblen Kampf gegen die radikalen Terroristen in Gaza.“
Inhalte, die unweigerlich für jüdische Rezipienten bestimmt sind, schlagen hingegen einen anderen Ton an. „In jüdischen Gemeinden in ganz Amerika fragt man sich: Warum hat Kamala Harris es unterstützt, Israel die Waffen zu verweigern, die gebraucht werden, um die Hamas-Terroristen, die Tausende massakrierten, zu besiegen?“, sagt eine Frauenstimme in einem weiteren Clip. „Und warum hat Harris Sympathie für College-Demonstranten gezeigt, die fanatisch antisemitisch sind?“
Postleitzahlen der Zielgruppen identifiziert
Letzte Woche hatte die „Huffington Post“ über die Kampagne berichtet und sie als „zynischste“ Strategie des US-Wahlkampfs 2024 bezeichnet. Das Portal „404 Media“ untersuchte daraufhin Daten von Snapchat-Nutzern, die mit der Werbung konfrontiert wurden. Wie der Mitgründer Joseph Cox auf X bekannt gab, konnten er und sein Team dabei die genauen Postleitzahlen der Zielpersonen identifizieren. In den Gegenden, wo die betroffenen Muslime wohnen, befänden sich sogar Moscheen.
Auch „MSNBC“-Moderator Chris Hayes griff das Thema in seiner Sendung „All In“ auf und ließ die verschiedenen Videos nacheinander abspielen. „Gerade wurde uns gesagt, Kamala Harris stehe auf der Seite Israels. Jetzt sagt man uns, sie stehe mit Palästina gegen Israel“, sagt der 45-Jährige im Anschluss. „Sie sehen das Problem hier, richtig? Diese beiden Anzeigen können nicht beide wahr sein.“
Das Ziel der Kampagne liegt auf der Hand: Kamala Harris zu diffamieren und muslimische und jüdische Wähler von Donald Trump zu überzeugen. Dabei werden wissentlich Lügen gestreut und Aussagen von Harris aus dem Kontext gerissen.
Microtargeting besonders in Swing States entscheidend
Die aktuelle Netzkampagne erreicht zwar nicht das Ausmaß des Cambridge-Analytica-Skandals, doch sie bedient sich ähnlicher Praktiken. Sie ist ein Beispiel dafür, wie sich manipulative Botschaften an entscheidender Stelle gezielt platzieren lassen.
Auf den ersten Blick erweckt es zwar nicht den Anschein, als würden die Zielgruppen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung der USA prozentual ins Gewicht fallen. In umkämpften Swing States wie Pennsylvania und Michigan könnte die Einflussnahme auf ihre Stimme jedoch wahlentscheidend sein. Das alles erfolgt, ohne großes Aufsehen zu erwecken. Unterschwellig, aber effektiv.
Weitere Quellen:Mainzer Medieninstitut, Bundeszentrale für politische Bildung, RND, Der Standard