Nach dem Mord an einem Polizisten erlebt Mannheim den zweiten Messerangriff innerhalb weniger Tage. Am Wochenende starb ein Polizist, nun wurde ein Lokalpolitiker der AfD verletzt.
Es ist Dienstagabend im Süden Mannheims und bereits dunkel, als der Politiker Heinrich Koch die Relaisstraße Stadtteil Rheinau mit zügigen Schritten quert. Er ruft: „Halt, bleiben sie stehen. Hinlegen, hinlegen!“ Mit der linken Hand zeigt er auf einen jungen Mann in Jeans und T-Shirt, mit der rechten filmt er. Unter dem Arm des jungen Mannes klemmen Wahlplakate der AfD, in der Hand hält er ein Cuttermesser.
Als Koch den Mann erreicht, verwackelt das Bild, dann bricht es ab. Am Mittwochmorgen dann, wenige Tage vor der Kommunalwahl, verbreitet sich eine Nachricht: Ein AfD-Politiker in Mannheim ist Opfer eines Messerangriffs geworden: Heinrich Koch.Eil Messerangriff auf AfD-Mann in Mannheim 9.40
Mannheim erlebt zwei Messerangriffe innerhalb weniger Tage
Es ist, innerhalb weniger Tage, der zweite Messerangriff auf einen Menschen. Am Freitag geriet Mannheim bundesweit in die Schlagzeilen, als ein Mann einen Polizisten mit einem Messer tötete, die Tat ist auf einem Video festgehalten. Ermittler vermuten einen islamistischen Hintergrund. Vom erneuten Messerangriff, diesmal auf einen Kommunalpolitiker der AfD, gibt es ein ebenfalls ein Video, zuerst hatte es die Welt veröffentlicht. Schnell rankten sich Gerüchte um die Tat. Es gibt einige offene Fragen.
Was laut Polizei bisher sicher ist: Am späten Dienstagabend im Mannheimer Stadtbezirk Rheinau war ein 25-jähriger Mann unterwegs. In der Nähe des Rheinauer Marktplatzes soll er AfD-Wahlplakate beschädigt und entwendet haben; Zeugen verständigten die Polizei. Das bemerkte der AfD-Kandidat für die Gemeinderatswahl, Heinrich Koch, 62. Er verfolgte den Mann und stellte ihn. Dabei soll der 25-Jährige den AfD-Politiker mit einem Cuttermesser verletzt haben – und anschließend geflüchtet sein. Beamte nahmen den Tatverdächtigen kurz darauf, um 22.30 Uhr, in der Nähe des Marktplatzes fest.
AfD in Mannheim spricht von Angriff „durch einen Linksextremisten“
Koch verbrachte nach Informationen des stern die Nacht in Behandlung im Krankenhaus, auch am Mittwochmittag soll er noch dort gewesen sein. Er erlitt laut Polizei eine Schnittverletzung hinter dem Ohr und eine Stichverletzung im linken Unterbauch. Beide sollen nicht lebensgefährlich sein. „Er steht aber noch unter Schock“, sagt Rüdiger Ernst, Sprecher der AfD Mannheim.
Auch am Tag danach gibt es von den Vorkommnissen rund um den Marktplatz noch ein paar wenige Spuren. Einige AfD-Plakate sind großflächig zerkratzt oder abgeschnitten.
Koch soll in kurzer Distanz zum Marktplatz wohnen, in dem Haus sind am Mittwochmittag alle Vorhänge zugezogen. Davor steht ein Auto-Anhänger mit der Aufschrift: „Tür zur Vernunft“, dazu die Gesichter der vier aktuellen Mannheimer Gemeinderäte der AfD, auch das von Koch. Was fehlt, sind die Logos der Partei, sie wurden abgerissen.
In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Mittwochnachmittag sprach der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohmaier davon, dass das mediale und politische Klima gegen die Partei dazu beitrage, dass die Hemmschwelle sinke. Er gilt als rechtsextrem. Ähnlich äußerte sich der Bundesvorstand der rechten Partei. Die AfD in Mannheim sprach auf Anfrage des stern von einem Angriff „durch einen Linksextremisten“ und von insgesamt drei beteiligten Personen, von denen zwei weitere hätten entkommen können.
Ermittler: Hinweise auf psychische Erkrankung bei Verdächtigem
Die Polizei dagegen geht von einem Täter aus. Am Mittwochnachmittag wurde der 25-Jährige dem Haftrichter vorgeführt, der einen Unterbringungsbefehl wegen versuchten Totschlags erließ. Außerdem betonten die Ermittler, bei dem Tatverdächtigen hätten sich bei der Festnahme „deutliche Hinweise auf eine psychische Erkrankung“ ergeben. Daher sei er, ebenfalls auf Anordnung des Haftrichters, in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht worden. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand der Polizei gibt es keine Hinweise, dass der Tatverdächtige bei seinem Angriff wusste, dass sein Verfolger ein AfD-Politiker war.
Mannheims Oberbürgermeister, Christian Specht, verurteilte den Angriff auf den AfD-Lokalpolitiker scharf. „Diese feige Tat ist abscheulich und durch nichts zu rechtfertigen“, sagte er. Wer Wahlbewerber attackiere, stelle „unsere freien, gleichen, allgemeinen, unmittelbaren und geheimen Wahlen infrage – und damit die Basis unserer Demokratie“.