Der feuchte Herbst lässt Pilze sprießen, damit steigt die Gefahr von Vergiftungen – gerade für Kleinkinder, die alles in den Mund stecken. Das Giftinformationszentrum Nord mahnt zur Vorsicht.
Der Notruf des Giftinformationszentrums (GIZ) Nord erhält zurzeit viele Anfragen wegen des Verdachts von Pilzvergiftungen. „Wir haben noch keine Auswertung für den Oktober, aber es sind jede Woche einige Fälle und auch schwere“, sagte Andreas Schaper der Deutschen Presse-Agentur. Der Toxikologe leitet das an der Universitätsmedizin Göttingen angesiedelte GIZ Nord gemeinsam mit Martin Ebbecke.
So habe zuletzt ein Mann „in der norddeutschen Tiefebene“ möglicherweise versehentlich einen hochgiftigen Knollenblätterpilz gesammelt und verspeist, berichtete Schaper. Typisch sei, dass dann Magen-Darm-Probleme erst etwa acht bis zwölf Stunden nach dem Verzehr aufträten. Beim Verdacht auf eine Knollenblätterpilz-Vergiftung müsse sofort eine Klinik aufgesucht werden. Die feuchte und vergleichsweise warme Witterung lässt aktuell die Pilze sprießen. „Viele Pilze, viele Pilzvergiftungen“, sagte der Medizinprofessor.
Seit Mitte Oktober werden im Uniklinikum Essen in Nordrhein-Westfalen vier Patienten behandelt. Sie waren mit akutem Leberversagen nach dem Verzehr von Knollenblätterpilzen eingeliefert worden. Auch in Münster erhielt eine wegen schwerer Pilzvergiftung behandelte Patientin kürzlich eine Spenderleber.
Experten empfehlen Kurse bei Pilzsachverständigen
Der Giftnotruf in Göttingen ist für die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein zuständig, erhält aber auch Anfragen aus anderen Bundesländern. Im September gingen rund 80 Anfragen zu möglichen Pilzvergiftungen ein. Der Oktober ist in der Regel der Monat mit den meisten Fällen, vor einem Jahr waren es mehr als 150.
Zum Pilzesammeln reiche es nicht, sich mit einem Fachbuch oder per App zu informieren, warnte Schaper. „Wir empfehlen Kurse zu machen bei sogenannten Pilzsachverständigen.“ Die Experten sollten dann die gesammelten Pilze bestimmen.
Kleinkinder besonders gefährdet
Eine große Zahl der Vergiftungen betrifft dem GIZ Nord zufolge Kleinkinder, die zum Beispiel im Wald, auf einer Wiese oder auf dem Spielplatz unbemerkt Giftpilze essen. „Das gehört ja zur normalen Entwicklung, dass sie alles in den Mund nehmen“, sagte Schaper. Auf der Internetseite des GIZ Nord stehen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Mykologie für die Arbeit in Kindertagesstätten.
Die Experten an der Hotline können manchmal auch Entwarnung geben. So führe das bloße Berühren eines Knollenblätterpilzes nicht zu einer Vergiftung, sagte Schaper. Neben den Kleinkindern seien Migranten eine besonders gefährdete Gruppe, weil manche die in Deutschland heimischen Pilze nicht kennen.
Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) hatte Anfang August 2023 sechs Personen mit schweren Pilzvergiftungen behandelt, eine Person starb. „In diesem Jahr hatten wir bisher nur zwei leichtere Fälle“, sagte der Leberspezialist Markus Cornberg. Der MHH-Professor für Infektiologie hofft, dass inzwischen mehr Menschen für die Gefahren einer Pilzvergiftung sensibilisiert sind.
Knollenblätterpilzvergiftung kann tödlich sein
Der Knollenblätterpilz ist laut MHH für 90 Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen in Deutschland verantwortlich. Er sei so gefährlich, weil sein Gift erst mehrere Stunden nach dem Verzehr wirke und dann bereits im ganzen Körper aufgenommen sei. Zunächst treten Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auf. Nach ein bis zwei Tagen kommt es zur Schädigung der Leber, die von Blutgerinnungs- und Nierenfunktionsstörungen begleitet werden kann. „Im schlimmsten Fall stellt die Leber ihre Funktion ein, sodass nur noch eine Lebertransplantation das Leben der Patienten retten kann“, warnt Cornberg.
Warnhinweise des GIZ-Nord zu Pilzen und Hotline