Fußball: Chemie Leipzig trauert um Legende „Spießer“ Bauchspieß

Es war die Sensation im DDR-Fußball: Der nach einer sportpolitischen Neustrukturierung als Absteiger gehandelte Club Chemie Leipzig wurde DDR-Meister. Großen Anteil daran hatte Bernd Bauchspieß.

Was Gerd Müller für den FC Bayern war, war Bernd Bauchspieß für Chemie Leipzig. Der von allen nur „Spießer“ gerufene Stürmer prägte bei den Leutzschern eine Ära. Kein anderer Chemiker erlangte jemals so viel Bekanntheit wie der ehemalige DDR-Nationalspieler, der 120 Treffer in 264 DDR-Oberliga-Spielen erzielt hatte. 

Nun ist der langjährige Orthopäde in Leipzig, der weit über das eigentliche Rentenalter hinaus in seinem Beruf arbeitete, verstorben. Bauchspieß starb bereits am vergangenen Dienstag im Alter von 85 Jahren, wie der Verein unter Berufung auf den langjährigen Mitspieler und engen Freund Hans-Georg Sannert der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

„Die ganze Chemie-Familie – Verein, Fans, Sympathisanten und seine Mannschaftskameraden von damals – ist in tiefer Trauer und in Gedanken bei seiner Familie und Angehörigen“, teilte der Fußball-Regionalligist am Freitag mit. 

Dreimal Torschützenkönig der DDR-Oberliga

Der gebürtige Zeitzer Bauchspieß war ein exzellenter Techniker am Ball und vereinte wie kein anderer die Leutzscher Tugenden mit Kampfgeist und Zweikampfhärte gepaart mit einer großen Portion Spielwitz. Der überraschende DDR-Meistertitel mit der BSG Chemie 1964 war der Lohn für die harte Arbeit der selbsternannten Aussortierten, die 1966 auch noch den FDGB-Pokalsieg holten. Dreimal war Bauchspieß, der schon 1959 beim Oberliga-Debüt des Aufsteigers Chemie in seiner Geburtsstadt Zeitz traf, Torschützenkönig der DDR-Oberliga, bestritt ein A-Länderspiel und holte 1964 die olympische Bronzemedaille in Tokio. 

Die eigentlich als zweite Wahl oder – noch despektierlicher – als „Rest von Leipzig“ eingestufte Mannschaft von Chemie Leipzig wurde DDR-Meister. Die Grün-Weißen um Kapitän Manfred Walter, Bauchspieß, Klaus Lisiewicz und Co. waren nach einer 1963 sportpolitisch vollzogenen Neusortierung der Leipziger Erstliga-Spieler vom SC Rotation sowie des SC Lok unter dem Dach der BSG Chemie eingeordnet worden. Als Abstiegskandidat gingen sie an den Start – und mischten die Konkurrenz fortan mit Kampfkraft, einer nicht minder großen Portion Trotz und schließlich Euphorie auf.Die Fans beim „Underdog“ aus Leipzig-Leutzsch wurden mit jedem Überraschungserfolg immer mehr. Über 20.000 kamen in jener Saison durchschnittlich zu den Heimspielen der von Alfred Kunze trainierten Mannschaft. Der Namensgeber des heutigen Stadions verstarb 1996. Seit dem entscheidenden 2:0-Erfolg am 10. Mai 1964 bei Turbine Erfurt, mit dem die Meisterschaft vor 30.000 Zuschauern – darunter 10.000 Leipziger – perfekt gemacht wurde, treffen sich die alten Haudegen jedes Jahr an diesem Tag, um sich an ihren spektakulären Coup zu erinnern. Beim nächsten Treffen wird der geliebte „Spießer“ fehlen.