Nach dem Erfolg des Albums „The Tipping Point“ waren Tears For Fears lange auf Tournee. Jetzt präsentiert das Duo einen Konzertfilm, ein Live-Album und neue Songs. Und deutet noch mehr Musik an.
Ganz zufrieden sind Tears For Fears mit ihrem neuen Konzertfilm nicht. „Es gibt immer etwas, was man gern ändern würde“, sagt Curt Smith (63) der Deutschen Presse-Agentur in London. „Ich würde mir auf jeden Fall eine andere Hose anziehen“, scherzt Bandkollege Roland Orzabal (63) und lacht. „Meine Hose, was zum Teufel? Hätte ich bloß Schlaghosen gekauft.“
Man muss den Film „Tears For Fears Live (A Tipping Point Film)“ schon auf der großen Leinwand erleben und wirklich ganz genau hinschauen, um zu erahnen, dass Orzabals Hosen bei dem Auftritt in Franklin/Tennessee vor einem Jahr ein wenig zu lang waren. Der hervorragende Konzertfilm läuft am 24. und 26. Oktober in ausgewählten deutschen Kinos. Parallel dazu erscheint ein neues Album der einst im englischen Bath gegründeten Band.
Konzertfilm und „erstes offizielles“ Live-Album
Dass „Songs For A Nervous Planet“ als erstes offizielles Live-Album von Tears For Fears angekündigt wurde, überrascht etwas. Schließlich gibt es bereits diverse Live-Veröffentlichungen des Duos. Die wurden laut Orzabal aber von der damaligen Plattenfirma veranlasst. „Wir hatten überhaupt keine Kontrolle darüber.“ Die Zeiten, in denen andere bestimmen, was Tears For Fears veröffentlichen, sind längst vorbei.
Neben Klassikern wie „Everybody Wants To Rule The World“, „Mad World“ und natürlich „Shout“ fügen sich die Songs vom jüngsten Studioalbum „The Tipping Point“ nahtlos in die Setlist ein, darunter „No Small Thing“ oder „Break The Man„. „Wir waren angenehm überrascht oder sogar angenehm schockiert, dass es weltweit in den Top 5 gelandet ist“, sagt Orzabal über das Album von 2021.
„Du siehst eine ganz andere Band“
„The Tipping Band“ kam bei Fans und Kritikern gut an. Außerdem habe es Tears For Fears als Live-Band verändert. „Auf einmal klangen die neuen Songs besser. Wir waren auf einmal eine etwas andere Band. Wir sind auch mit der Musik gereift“, findet Orzabal im Vergleich zu zwei quasi inoffiziellen Live-Alben. Man sehe eine ganz andere Band spielen als in der Massey Hall (1985) oder in „Going To California“ (1990).
Für Curt Smith bieten Konzertfilm und Album die Chance, einem breiteren Publikum zu zeigen, dass sie eine gute Live-Band sind. Werden Tears For Fears unterschätzt? „Tja, unterschätzt könnte man sagen, aber ich glaube, unbemerkt trifft es eher“, findet er.
„Die große Mehrheit der Menschen hat uns noch nie live gesehen und hält uns für ein Synthie-Duo, so wie wir schon in frühen Tagen bezeichnet wurden, obwohl wir beide Gitarristen waren“, betont Smith. „Uns war es wichtig, den Leuten zu zeigen, wie gut die Band live ist. Wir genießen das wirklich. Wir lieben es, live zu spielen und sind von ganzem Herzen Live-Performer.“
Vier beeindruckende neue Songs
Ein reines Live-Album wollten Tears For Fears hingegen nicht veröffentlichen. „Wir wollen ja nicht nur über das alte Zeug sprechen, das wäre sehr langweilig. Als würde man ein Greatest-Hits-Album promoten“, so Orzabal, der wie Smith inzwischen in den USA lebt. „Die Plattenfirma hat gesagt, dass wir ein neues Lied brauchen, um das zu bewerben. Und wir hatten tatsächlich einige Songs rumliegen.“
„Say Goodbye To Mum And Dad“ ist eine für Tears For Fears erstaunlich fröhliche Pophymne. Im Gegensatz dazu ist „Astronaut“ eine eher düstere, aber doch sehr eingängige Nummer. Es geht um „das Gefühl der Distanz und des Nicht-Dazugehörens“, erklärt Curt Smith. Die neuen Songs sind beeindruckend gut.
„The Girl That I Call Home“ hat Orzabal für seine neue Ehefrau Emily geschrieben. Sie war auch die Inspiration für das stimmungsvolle „Emily Said“, in dem psychedelischer 60er-Jahre-Pop mitschwingt und ein Kinderchor zu hören ist. „Das ist so ein Stück, das Spaß macht, weil es fast eine musikalische Übung ist“, sagt Smith. „Jetzt versuchen wir zu lernen, das live zu spielen. Das ist eine Herausforderung.“
Keine Bonustracks, sondern ein Statement
Die neuen Lieder sind ausdrücklich keine Bonustracks. „Deshalb sind es die ersten vier Songs, sie sind nicht versteckt“, betont Smith. „Sie sind eine Art aktualisiertes Statement dazu, wo wir als Band jetzt stehen.“ „The Tipping Point“ sei damals vom Schmerz angetrieben gewesen (2017 starb Orzabals erste Frau Caroline), das hier sei viel optimistischer. „Es zeigt, dass wir so eine Phase überstehen können und die Dinge in Ordnung sein können.“
Und es zeigt, dass Tears For Fears mehr als 40 Jahre nach ihrem Debütalbum „The Hurting“ immer noch eine Ausnahmeband sind, die musikalisch kaum Grenzen kennt – und von der man laut Roland Orzabal noch einige Veröffentlichungen erwarten darf. „Vorbei sind die Zeiten, wo wir mit anderen Bands verglichen wurden“, sagt er zufrieden. „Wir können tun, was wir wollen. Es ist wunderbar.“
Erstmal hat der 63-Jährige mit den langen weißen Haaren allerdings noch etwas Wichtiges zu erledigen: „Derzeit ist es mein Ziel, eine gute Hose zu finden“, scherzt er. „Das ist im Moment mein größter Ehrgeiz: eine schöne Hose zu finden.“