Zu Klimaklagen kommt es häufiger. Nun legt ein deutscher Umweltverband erstmals auch Verfassungsbeschwerde ein, um die Bundesregierung zu wirksameren Maßnahmen gegen das Artensterben zu verpflichten.
Der Umweltverband BUND reicht Verfassungsbeschwerde gegen die Naturschutz-Politik der Bundesregierung ein. Die entsprechenden Dokumente seien bereits am Dienstagabend bei den Richtern in Karlsruhe eingegangen, teilte der Verband in Berlin mit. Mit der Beschwerde will der Verband die Ampelregierung dazu zwingen, ein „umfassendes gesetzliches Konzept“ zum Schutz der Artenvielfalt vorzulegen und den Verlust von Arten umgehend zu stoppen.
Das Tempo bei Artensterben und Naturzerstörung sei „noch dramatischer als die Geschwindigkeit der Klimakrise“ und doch werde zu wenig dagegen unternommen, erklärt der Verband. Es handelt sich laut BUND weltweit um die erste Verfassungsbeschwerde dieser Art. Angeschlossen haben sich auch mehrere Einzelkläger, darunter der bekannte Schauspieler Hannes Jaenicke sowie der Naturschützer Christof Martin.
Jurist warnt vor „massiven Freiheitseingriffen“
„Beim Erhalt der Biodiversität geht es um nichts Geringeres als um unsere Lebensgrundlagen. Die Natur in Deutschland wird jedoch nur unzureichend geschützt und der Verlust schreitet voran“, erklärte die stellvertretende BUND-Bundesvorsitzende Myriam Rapior. Obwohl Expertinnen und Experten seit Jahren auf diesen Missstand hinweisen würden, komme die Regierung nicht ins Handeln, beklagt sie. Juristisch vertreten werde die Verfassungsbeschwerde wie schon im Falle der Klima-Verfassungsbeschwerden von der Berliner Kanzlei Baumann Rechtsanwälte.
Auch Felix Ekardt von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik ist laut BUND als Prozessvertreter in das Verfahren eingespannt. Die Menschheit laufe „in die Katastrophe“ und riskiere ihre Existenzgrundlagen, sagt er. Es gehe um Existenzielles, etwa darum, ob Böden weiter fruchtbar seien und Pflanzen weiter bestäubt werden könnten. Wenn wirksamer Naturschutz weiter vertagt werde, könnte er künftig nur noch „mit massiven Freiheitseingriffen machbar“ sein, warnt der Jurist und BUND-Landesvorsitzende in Sachsen.
Staatengemeinschaft ringt in Kolumbien um besseren Naturschutz
Seit Montag wird auch international wieder um die Rettung der Artenvielfalt gerungen: Auf der Weltnaturkonferenz im kolumbianischen Cali kommen Verhandler aus aller Welt zusammen, um konkrete Schritte zur Umsetzung eines globalen Naturschutzabkommens auszuarbeiten. Vor zwei Jahren hatten sich rund 200 Staaten im kanadischen Montreal auf 23 Ziele, die bis 2030 erreicht werden sollen, verständigt. Beispielsweise wurde vereinbart, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Zudem sollen die Industrieländer bis 2025 jährlich rund 20 Milliarden Dollar für den Schutz der Artenvielfalt bereitstellen.
Zum Auftakt der Konferenz räumte die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ein, dass die Situation in den vergangenen zwei Jahren „nicht besser geworden“ sei.
Ob die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe die Regierung tatsächlich zu einem effektiveren Naturschutz bewegen kann, ist derzeit noch schwer abzusehen. Den größten Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht hatten der BUND und andere Umweltverbände bislang im Jahr 2021. Das Gericht hatte damals im Kern geurteilt, dass die Bundesregierung einschneidende Schritte zur Senkung von schädlichen Treibhausgasemissionen nicht zulasten der jungen Generation auf die lange Bank schieben darf. Daraufhin sah sich die Ampel gezwungen, das Bundesklimaschutzgesetz im Eiltempo nachzuschärfen.