Im aktuellen „Tatort“ setzt sich der von Ulrich Tukur gespielte Kommissar Rother ans Klavier und schmettert ein Spottlied auf Adolf Hitler. Das steckt dahinter.
Der aktuelle „Tatort“ spielt überwiegend im Jahr 1944, Ulrich Tukur verkörpert darin den Kommissar Rother, der einen Mordfall aufklärt. In einer Szene in der Mitte des Films setzen Rother und sein Assistent Hagen von Strelow in der Dorfkneipe die Bewohner über den Tod einiger Soldaten in Kenntnis (lesen Sie hier die Kritik zu dem „Tatort“).
„Und nun möchte ich Sie bitten, unsere gefallenen Kameraden mit einem Lied zu ehren und den Geburtstag unseres geliebten Führers nachzufeiern“, sagt Rother. Dann setzt er sich ans Klavier und spielt „Adolf Hitlers Lieblingsblume ist das schlichte Edelweiß“, ein in diesem Rahmen sicherlich angemessenes Lied. Doch dann gleitet er nahtlos über in einen anderen Song: „Hitler Has Only Got One Ball“ singt er – die Anwesenden glauben, ihren Ohren kaum zu trauen. Singt er das gerade wirklich?
„Tatort“ mit Ulrich Tukur: Diese Songs singt der Schauspieler
Hitler has only got one ball
Göring has two but very small
Himmler is rather sim’lar
But little Goebbels has no balls at all
Rother bricht ab und fragt: „Wissen Sie, worum es in diesem Lied geht?“ Eine Frau antwortet: „Um unseren geliebten Führer, der nur ein Ei hat.“ Das sei korrekt, antwortet der Kommissar, „genau darum geht’s“, und singt daraufhin die zweite Strophe:
Hitler has only got one ball
The other is in the Albert Hall
His mother, the dirty bugger
Chopped it off when Hitler was small
Sein Assistent Hagen von Strelow verlässt empört den Saal. Eine derartig tief unter die Gürtellinie zielende Schmähung des Reichskanzlers erträgt er nicht. Damit hat der die Absicht des Liedes sofort begriffen.
Denn Song greift Hitlers – tatsächliche – Einhodigkeit auf und macht daraus ein Schmählied, das die Männlichkeit der gesamten NS-Führungsriege infrage stellt. Ein effektiver Angriff auf das im NS-Deutschland übersteigerte Männlichkeits-Ideal. Der Song gewann auch deswegen in Großbritannien schnell an Popularität.
Spott über Adolf Hitler
Der Autor dieser ab 1939 in Großbritannien verbreiteten Zeilen ist unbekannt, gesungen wird der Text auf die Melodie, die 1957 durch den Film „Die Brücke am Kwai“ als „River-Quai-Marsch“ weltbekannt werden sollte. Tatsächlich stammt die Musik bereits aus dem Jahr 1914, es handelt sich um den von dem britischen Militärmusiker Kenneth J. Alford geschriebenen „Colonel Bogey March“.PAID D-Day Vorbereitung 16.36
Dass ein deutscher Kommissar 1944 diese Zeilen öffentlich gesungen hat – undenkbar. In der konkreten Situation bedeutet es zweierlei: Zum einen verdeutlicht es die Ambivalenz Rothers gegenüber dem NS-Regime. Zum anderen könnte er aus ermittlungstaktischen Gründen die Reaktion der Anwesenden auf den britischen Propagandasong austesten. Kennt jemand das Lied? Singt etwa jemand mit?
Das andere Schlager, „Adolf Hitlers Lieblingsblume ist das schlichte Edelweiß“, war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls verboten. Genoss das 1933 komponierte Lied zunächst große Popularität, verboten es die Nazis 1939 – man fand es nun zu kitschig und befürchtete, Hitler würde durch den Text lächerlich gemacht.
Parallelen zu „John Rabe“
Filmfans werden in dieser Szene noch einen weiteren Verweis entdecken: Dass Ulrich Tukur „Adolf Hitler Has Only Got One Ball“ singt – das gab es schon mal. In dem 2009 gedrehten Kinoerfolg „John Rabe“ schmettert er diese Zeilen zusammen mit Steve Buscemi.
John Rabe nennt man übrigens wegen seiner Verdienste für die chinesische Bevölkerung den „Schindler von China“. Dass Rabe wie Rother beide das Hodenlied schmettern zeigt vor allem eines: Beide sind sie wohl keine Freunde des NS-Regimes gewesen.