Trotz Millioneninvestitionen in Topkanzleien bleibt die Bundesregierung im Maskenstreit erfolglos und steht weiteren teuren Gerichtsverfahren gegenüber.
Seit mehr als vier Jahren laufen die Klagen zu den Maskeneinkäufen der Bundesregierung in der Coronakrise. Noch immer liegen rund 70 Verfahren am Bonner Landgericht, hinzu kommt eine zweistellige Zahl an Verfahren vor dem Kölner Oberlandesgericht. Zudem hat das Bundesgesundheitsministerium in diesem Sommer in zwei Fällen, in denen es vor dem Oberlandesgericht empfindliche und teure Niederlagen kassiert hat, den Bundesgerichtshof eingeschaltet. Insgesamt geht es in den noch nicht abschließend entschiedenen Maskenverfahren um einen Streitwert von 2,3 Mrd. Euro – plus diverse Zusatzkosten wie Verzugszinsen, die der Bund wohl in vielen Fällen bezahlen müsste, wenn er die Prozesse verliert.
Angesichts der sich seit 2020 hinziehenden Prozesse, in denen Lieferanten auf Zahlung der vereinbarten Kaufpreise klagen, steigen auch die Kosten, die das Gesundheitsministerium (BMG) für seine beratenden Anwaltskanzleien ausgibt. Bis Juli 2024 summieren sich die Ausgaben für externe Kanzleien bereits auf rund 73 Mio. Euro. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Ministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestags hervor, der Capital vorliegt. Laut dem Bericht hat das Ressort von Minister Karl Lauterbach (SPD) aktuell fünf Topkanzleien für die Verfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht mandatiert: CMS Hasche Sigle, die Rechtsberatungsarme von PwC und Deloitte sowie Flick Gocke Schaumburg und Dentons.
Die Anwälte von EY, mit denen das BMG 2020 in die Prozesse gestartet ist, finden sich nicht mehr unter den aktuellen Beratern – unter anderem, weil EY-Partner später zu anderen Kanzleien gewechselt sind und die Mandate mitgenommen haben.
Ebenfalls nicht aufgelistet in dem Bericht an die Haushälter wird eine Kanzlei, die das Ministerium aktuell in den Verfahren vor dem Bundesgerichtshof vertritt. Hierbei muss das BMG nach Informationen von Capital in den kommenden Wochen Schriftsätze vorlegen, in denen es seine Nichtzulassungsbeschwerden gegen die beiden Urteile des Oberlandesgerichts Köln begründet. Die Kölner Richter hatten keine Rechtsmittel gegen ihre Entscheidungen zugelassen. Das BMG will aber erreichen, dass sich das oberste Zivilgericht mit den Fällen beschäftigt. In einem der beiden Verfahren, die das BMG in Köln verloren hat, geht es inklusive Zinsen um 118 Mio. Euro.
Sonderbeauftragte soll Prozessstrategie prüfen
Die rund 73 Mio. Euro, die das Ministerium bislang für Anwaltskanzleien bezahlt hat, stehen in einem Verhältnis zu den nicht gerade üppigen juristischen Erfolgen des Bundes vor Gericht – insbesondere nach den ersten obergerichtlichen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln diesen Sommer. Das BMG und seine Rechtsberater setzen nun darauf, dass andere Kammern des Kölner OLG gegen die Kläger entscheiden – oder dass am Ende der BGH die Entscheidungen aus Köln kassiert.
Zugleich hat Minister Lauterbach in diesem Sommer eine Sonderbeauftragte eingesetzt, die die Maskenbeschaffung seines Vorgängers Jens Spahn (CDU) untersuchen soll. Zu den Fragen, der die frühere Justiz- und Verteidigungsstaatssekretärin Margaretha Sudhof (SPD) in Lauterbachs Auftrag „als sachverständige Beraterin“ bis Ende Dezember nachgehen soll, zählt auch eine, die angesichts der immensen Ausgaben des BMG an mehrere führende Kanzleien und der involvierten Scharen an hoch bezahlten Anwälten ins Auge springt: „Wurden durch den bisherigen zivilgerichtlichen Vortrag des Bundes seine Interessen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sachgerecht und erfolgsorientiert vertreten?“ Das klingt so, als solle eine Ex-Beamtin nach vier Jahren Prozessführung untersuchen, ob die Prozessstrategie der ganzen Topkanzleien überhaupt etwas taugt. Immerhin: Für ihre Prüfung soll Sudhof laut dem Ministerium Unterstützung erhalten – nämlich von zwei Bundesbeamtinnen, „die Expertise in Prozessführung und Beschaffung besitzen“, wie das BMG jüngst auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag mitteilte.
Die Maskenprozesse kosten auch 2025
Ungeachtet dessen laufen die Maskenverfahren vor den verschiedenen Gerichten weiter – was die Ausgaben für Rechtsberater in den kommenden Monaten weiter in die Höhe treiben wird. Die Anwaltskosten zählen zu den Nebenkosten, die sich zu den 5,9 Mrd. Euro an Ausgaben für den reinen Einkauf der Masken addieren. Wie der Bundesrechnungshof im Frühjahr feststellte, summierten sich diese sogenannten Annexkosten – etwa für Transport und Lagerung der Masken sowie die Vernichtung der viel zu viel bestellten Ware – bis Ende 2023 auf 462 Mio. Euro.
Erhebliche Summen flossen zudem für Vergleiche mit klagenden Lieferanten, die Lauterbachs Ministerium lange geheim halten wollte – auch gegenüber dem Bundestag. Anfang Oktober bezifferte es die Kosten für die Vergleiche dann gegenüber der „Welt am Sonntag“ auf rund 390 Mio. Euro. Für das kommende Jahr rechnet das BMG in seiner Haushaltsplanung mit weiteren Folgekosten durch die Maskenbeschaffung: 2025 rechnet es mit „Abwicklungsrisiken“ in Höhe von rund 480 Mio Euro.