Der Altschuldenberg der NRW-Kommunen ist erdrückend. Die Landesregierung will das Problem jetzt angehen – allerdings fehlt noch eine entscheidende Zusage
Die nordrhein-westfälische Regierung möchte in den nächsten 30 Jahren hoch verschuldete Kommunen mit insgesamt 7,5 Milliarden Euro aus Landesmitteln entlasten. Ab 2025 will sie dafür jährlich 250 Millionen Euro im Haushalt einplanen. Eine solche Altschulden-Lösung könne es aber nur gemeinsam mit dem Bund und den Kommunen geben, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Dienstag nach einer Sitzung des Landeskabinetts in Berlin.
Er erwarte, dass der Bund dieselbe Summe zuschieße, sodass die Kommunen jährlich eine halbe Milliarde Euro erhielten, sagte der CDU-Politiker. In ihrem Koalitionsvertrag habe die Bundesregierung eine Lösung zugesagt. „Deswegen gehe ich davon aus und ich erwarte das auch, dass das Wort des Kanzlers, das Wort der Ampel gilt.“ Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) habe bereits Eckpunkte geliefert, die NRW als Gesprächsgrundlage akzeptiere.
Falls für die Altschuldenregelung eine Grundgesetzänderung nötig wäre, sei es Aufgabe des Bundes, dafür Mehrheiten zu organisieren, forderte Wüst. Der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Justus Moor, forderte die Union auf, „ihre bisherige Blockade-Haltung“ in dieser Frage zu beenden.
Die kommunalen Spitzenverbände lobten die Initiative der Landesregierung. „Ob der Vorschlag der Landesregierung trägt, entscheiden die konkreten Details“, teilten sie mit. Das vorgestellte Modell scheine belastbar zu sein und biete eine gute Grundlage für Gespräche. Auch der Bund müsse sich finanziell beteiligen. „Da brauchen wir jetzt klare Zusagen.“
Seriöses Angebot oder Schauspiel
SPD-Landesparteichef Achim Post kündigte an: „Wenn das Angebot aus NRW an den Bund ernst gemeint ist, werden wir Schwarz-Grün im Interesse der verschuldeten Städte und Gemeinden unterstützen.“ FDP-Landespartei- und Fraktionschef Henning Höne sprach hingegen von einem „inszenierten Schauspiel“. Viele Fragen blieben offen – auch, wie eine Neuverschuldung in den Kommunen verhindert werden solle.
Nach Angaben von NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) lag der vorläufige Wert der kommunalen Liquiditätskredite in NRW Ende 2023 insgesamt bei fast 21 Milliarden Euro. Seit dem Höchststand von rund 26 Milliarden Euro im Jahr 2016 hätten die Kommunen bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Summe zu mindern. Mit dem Einstieg in eine Altschulden-Lösung gehe NRW einen historischen Schritt und strecke die Hand aus. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung in diese Hand jetzt einschlägt und sie nicht wegschlägt, wie sie das im vergangenen Jahr gemacht hat“, betonte Scharrenbach.
Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) unterstrich, dass eine funktionierende öffentliche Infrastruktur auch das demokratische Fundament der Gesellschaft sichere: „Wenn Schulen in keinem guten Zustand sind, Schwimmbäder und Bibliotheken schließen, wenn kulturelle Angebote eingespart werden müssen oder kommunale ÖPNV-Angebote zurückgefahren werden müssen, erodiert genau dieses Fundament.“
Lindner ein „Anti-Kommunalminister“?
Daher wolle die Landesregierung die Kommunen von einem Teil ihrer Schuldenlasten befreien und ihnen wieder Luft zum Atmen geben, erklärte Neubaur. Jetzt müsse Bundesfinanzminister Lindner liefern. „Bewegt er sich nicht, ist klar, Christian Lindner ist nicht nur Bundesfinanzminister, sondern er ist auch Anti-Kommunalminister“, argumentierte die Grünen-Politikerin. Der Bund werde zudem beschreiben müssen, welche Beteiligung er von den Kommunen erwarte, sagte Wüst.
Mehr Wettbewerbsfähigkeit für Deutschland
Das Landeskabinett befasste sich darüber hinaus mit Energie- und Wirtschaftspolitik. Wüst forderte die Bundesregierung auf, mehr für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu tun bei der Energieversorgung, beim Bürokratieabbau und der Anwerbung von Fachkräften. „Klimaneutrale Energieversorgung, die zugleich verlässlich und bezahlbar ist, ist elementare Voraussetzung für den Erhalt des Industriestandortes Deutschland“, unterstrich der Ministerpräsident.
NRW erfülle seinen Teil der Verantwortung: Mit 368 Genehmigungen für Windkraftanlagen allein im letzten Jahr habe das Land weit vor Bayern mit 17 und Baden-Württemberg mit 56 Genehmigungen gelegen. „Da geben wir richtig Gas“, sagte Wüst.
Energieministerin Neubaur ergänzte, NRW sei nicht nur im vergangenen, sondern auch bereits in diesem Jahr mit der Megawatt-Leistung an genehmigten Windenergie-Anlagen im Bundesländervergleich auf Platz 1.
Die Kraftwerksstrategie und das Strompreispaket des Bundes seien allerdings unzureichend, bemängelte Wüst. „Wir wollen eine Verstetigung der Stromsteuersenkung auf das EU-Mindestmaß und die Stabilisierung der Netzentgelte.“
Pressemitteilung zu Altschulden Pressemitteilung zur Energie- und Wirtschaftspolitik Koalitionsvertrag Bund, S. 130