In Rheinland-Pfalz werden Brücken alle drei Jahre auf ihren Zustand geprüft. Experten suchen dabei vor allem nach Rost und Rissen. Warum dabei manchmal auch Kletterer gebraucht werden.
Den Brückenprüfern entgeht nichts. „Hier im Beton sind kleine Risse“, sagt Ingenieur Konrad Grochowski im Widerlager der Hochmoselbrücke und markiert die Stelle mit gelber Kreide. Weiter im Hohlkasten unter der Fahrbahn sieht er auf dem Bodenblech leicht rostige Stellen plus Feuchtigkeitsschäden. „Da oben ist eine Stelle undicht“, sagt der Koblenzer mit einer Stirnlampe auf dem Kopf und zeigt nach oben auf eine Entwässerungsleitung, die längs unter der Straße verläuft.
Quadratmeter für Quadratmeter haben er und sein Kollege Jakob Scherer sich das gigantische Bauwerk bei Zeltingen-Rachtig an der Mosel vorgenommen, das im November 2019 eröffnet wurde. Die dokumentierten Stellen seien allesamt kleine Schäden und nichts Problematisches, sagt Grochowski. Sie würden im Zuge einer Hauptprüfung des Landesbetriebs Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz erfasst – zur Abnahme des Bauwerks vor Ablauf der Gewährleistungspflicht. Die Brücke kostete rund 198 Millionen Euro.
Der Landesbetrieb ist in Rheinland-Pfalz für rund 5.700 Brücken von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen zuständig. Jede Brücke werde mindestens alle drei Jahre untersucht, teilt der LBM mit. Dabei wechselten sich Hauptprüfungen mit moderner Technik und Geräten und einfache Sichtprüfungen ab.
Landesweit sind sechs Prüfteams im Einsatz, teils werden Bauwerksprüfungen aber auch extern an Ingenieursbüros vergeben. Dieses Jahr seien rund 1.500 Bauwerke geprüft worden, 2023 seien es rund 3.100 Prüfungen gewesen.
Alle Brücken im Land seien in einem verkehrssicheren Zustand, „wobei rund 20 Prozent der Brückenfläche im Zuge von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen instandsetzungsbedürftig sind oder modernisiert werden“ müssten, heißt es vom LBM. Die überwiegende Anzahl ist zwischen 40 und 50 Jahre alt.
In der Schadensliste der Hochmoselbrücke stehen auch gelockerte Muttern an Schrauben, kleine Lackschäden und fehlende Farbe. Rund 2.500 Fotos zur Dokumentation haben die Experten von dem 1,7 Kilometer langen und bis zu 160 Meter hohen Bauwerk gemacht. Manche Schäden müssten behoben werden, damit sie später nicht zum Problem würden, sagt Grochowski und nennt etwa die Feuchtigkeit. Kleine Risse im Beton bis zu 0,2 Millimeter seien dagegen „ganz normal“.
Im Sommer war die Hochmoselbrücke bereits mit speziellen Untersichtgeräten kontrolliert worden. Nun kommen die professionellen Kletterer: Sie nehmen sich die bis zu 150 Meter hohen Betonpfeiler vor und dokumentieren beim Abseilen bestimmte Stellen. Man sehe nur geringfügig Schäden, die Brücke sei ja sehr neu, sagt Ingenieur Holger Urban aus Bochum, der zum sechsköpfigen Kletterteam gehört. Der Einsatz an der Mosel sei sein bisher höchster. „Es ist eine spannende Herausforderung“, meint er bei einer Pause am Boden.
Prüfungen sollen Schäden rechtzeitig erkennen
Große Schäden gebe es eher bei Brücken, die 40 oder 50 Jahre alt seien, sagt Grochowski. Bei Stahlbrücken sei das größte Problem die Korrosion: Durch Rost bilde sich das Material zurück, verliere an Stärke. Der Rostvorgang werde durch Streusalz, das im Winter auf den Straßen verteilt werde, beschleunigt. Auch den Betonbrücken setzten Salze zu: Sie können quasi in den Beton „einwandern“ und den Bewegungsstahl angreifen.
Dies könnte zu größeren Rissen führen – ebenso wie die höheren Lasten, die Brücken heute tragen müssten. „Die Belastung ist problematisch bei alten Brücken, die beim Bau nicht ausgelegt waren auf so viel Gewicht.“ Die regelmäßigen Brückenprüfungen seien dazu da, Schäden rechtzeitig zu erkennen und zu handeln. „Damit so was nicht passiert wie in Italien“, sagt Grochowski mit Blick auf den Brückeneinsturz in Genua im August 2018.
Wenn es Anzeichen für schwere Schäden gebe, werde eine Brücke auch mal ganz oder teilweise gesperrt. Ein Beispiel für eine Brücke, die wegen ihres schlechten Zustands aktuell saniert und verstärkt werde, sei die Anteltalbrücke auf der B9 bei Andernach. Laut LBM werden derzeit landesweit rund 50 Brückenbauwerke saniert und modernisiert.
Warten auf Erkenntnisse aus Dresden
Ob ein Einbruch wie im September an der Dresdner Carolabrücke auch in Rheinland-Pfalz passieren könnte? „Ich glaube es nicht“, sagt Grochowski. Man kenne aber die Ursache für das Unglück noch nicht. „Wir warten auf das Ergebnis der Untersuchung.“ An der Prüfung in Rheinland-Pfalz werde sich nichts ändern. „Wir prüfen ja schon genau.“ Es könne nur sein, dass es bei der Untersuchung zu Dresden neue Erkenntnisse gebe oder man ein Problem erkenne, das man vorher nicht erkannt habe.
Grochowski (39) und der Maschinenbautechniker Scherer (38) haben in diesem Jahr bereits etliche Brücken geprüft, darunter die Südbrücke Koblenz und die Neuwieder Rheinbrücke. Auch an einer Brücke in Kaiserslautern waren sie im Einsatz. „Wir fahren bis Wörth am Rhein.“ Sie seien als Team vor allem für Stahlbrücken zuständig.
Dieses Wochenende rückten sie zu einem Sondereinsatz in Bad Neuenahr-Ahrweiler aus: Bei der nach der Flutkatastrophe aufgebauten Behelfsbrücke Ahrtorbrücke mussten sie unter anderem 150 große Schrauben nachziehen. „Das machen wir einmal im Jahr.“
Die wichtigsten Utensilien bei einer Prüfung seien ein Hammer sowie ein „Risskärtchen“. Das legt man bei einem Riss an und misst, wie groß er ist. Ob sie manchmal die besondere Verantwortung ihres Jobs spüren? „Nicht darüber nachdenken. Sonst kann man nicht mehr schlafen“, sagt Grochowski.