Der Name soll Programm sein: Das „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ soll nach viel Streit die wichtigste Hürde im Parlament nehmen. Es geht um die Zukunft der deutschen Kliniklandschaft.
Der Anlauf begann am Nikolaustag 2022, als eine Kommission Empfehlungen vorlegte. Fast zwei Jahre später soll der Bundestag heute eine Neuaufstellung der Kliniken in Deutschland beschließen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von einer „Revolution“ und der größten Krankenhausreform seit 20 Jahren. Die Ziele: weniger Finanzdruck und mehr Spezialisierung bei komplizierteren Eingriffen. Was sind die wichtigsten Änderungen, und was bedeutet die Großoperation für die Patientinnen und Patienten?
Wofür braucht es überhaupt eine Reform?
Deutschland hat nach Experteneinschätzung im Vergleich zu Nachbarländern zu viele Kliniken. Es gibt große Probleme: finanzielle Schwierigkeiten, Personalengpässe, ein Drittel der 480.000 Betten sind laut Gesundheitsministerium nicht belegt.
Lauterbach sieht die Reform denn auch als eine Notbremse: Ohne Änderungen drohten Klinik-Insolvenzen, schlechte Behandlung und weite Wege. Dabei sei klar, dass Deutschland nicht den medizinischen Bedarf und nicht das Personal für 1.700 Krankenhäuser habe. Ziel sei daher, den wirklich benötigten Häusern eine auskömmliche wirtschaftliche Basis zu sichern.
Welche Fehlanreize gibt es bisher?
Aktuell bekommen Kliniken pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Euro-Betrag (Fallpauschale). Das führt laut Lauterbach zu einem „Hamsterrad-Effekt“, möglichst viele Behandlungen auf möglichst günstige Weise zu machen, oder schafft sogar Anreize zu unnötigen Behandlungen. Als Beispiel wird gern die Knieprothese genannt, die eingebaut wird, wo es vielleicht gar nicht nötig ist.
Dem Gesetzentwurf zufolge besteht auch ein Risiko, dass manche Kliniken schwierige Behandlungen vornehmen, für die ihnen die Erfahrung fehlt, oder vermeintlich weniger lukrative medizinische Leistungen nicht mehr anbieten.
Wie soll das abgestellt werden?
Grundlegend geändert werden soll das vor 20 Jahren eingeführte Vergütungssystem der Fallpauschalen. Künftig soll es einen festen Sockel von 60 Prozent der Vergütung schon allein dafür geben, dass Kliniken eine Grundausstattung mit Personal und Geräten für bestimmte Leistungen vorhalten, unabhängig von der Zahl der Fälle.
Die Feuerwehr werde ja auch nicht nur bezahlt, wenn es brenne, argumentierte die Kommission, die Vorschläge für die Reform erarbeitete. Extra-Zuschläge geben soll es für Kinderheilkunde, Geburtshilfe, Intensiv- und Unfallmedizin, spezielle Schlaganfall-Stationen und Notfallversorgung.
Was soll sich bei der Behandlungsqualität tun?
Die neue Fix-Vergütung soll eine Klinik für „Leistungsgruppen“ bekommen, die ihr das Land zuweist. Sie bilden medizinische Leistungen ab, und zwar präziser gefasst als grob benannte Fachabteilungen. Ausgangspunkt sollen 65 Gruppen sein, die maßgeblich auf ein Modell aus Nordrhein-Westfalen zurückgehen – etwa „OPs an der Wirbelsäule“ oder „Leukämie“.
Mit definiert werden jeweils einheitliche Qualitätsvorgaben zu Fachpersonal und Ausstattung. Lauterbach machte wiederholt klar, da keine Abstriche zu machen. Denn dies soll bewirken, dass etwa Krebsbehandlungen in Kliniken mit Spezialkenntnissen gemacht werden.
Was bedeutet das für das Netz der Kliniken?
Steuern sollen den Wandel die für die Krankenhausplanung zuständigen Länder. Sie könnten beispielsweise sagen, ob es in einer Region zwei oder vier Standorte für Wirbelsäulenchirurgie gebe, erläuterte Lauterbach.
Die neue Vorhaltevergütung soll eine Existenzsicherung gerade für kleinere Häuser auf dem Land schaffen. Die Länder sollen Standorte zu „sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen“ erklären können, die „wohnortnah“ stationäre Behandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden, wie es im Entwurf heißt. Generell sollen Qualitätskriterien auch in Kooperationen zu erfüllen sein.
Sind Finanzhilfen geplant?
Vorgesehen sind auch Finanzspritzen: Angesichts von Finanznöten vieler Kliniken sollen die Lohnkosten für alle Beschäftigten schon von diesem Jahr an nicht mehr nur zur Hälfte, sondern voll von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden. Um den großen Wandel zu den neuen Strukturen zu unterstützen, soll zudem ein „Transformationsfonds“ kommen, aus dem von 2026 bis 2035 bis zu 25 Milliarden Euro fließen könnten – sofern sich Länder in jeweils gleicher Höhe beteiligen. Kommen soll das Geld aus Mitteln der gesetzlichen Kassen und – entsprechend ihrem Anteil an den Behandlungen – der privaten Krankenversicherungen.
Lohnt sich der große Umbau?
Im Entwurf weist das Ministerium auf „Effizienzgewinne und Minderausgaben“ durch eine stärker koordinierte, hochwertigere Versorgung hin. Die Jahresausgaben für Kliniken stiegen zuletzt schon auf 94 Milliarden Euro. Das war ein Drittel der gesamten Leistungsausgaben der gesetzlichen Kassen.
Diese befürworten eine stärkere Spezialisierung für mehr Qualität – warnen aber vor einer weiteren „Kostenlawine“ in einer ohnehin angespannten Finanzsituation. Die Kliniken und die Länder fordern auch schon schnellere Finanzspritzen, da manche Krankenhäuser die erst in einigen Jahren greifende Reform sonst gar nicht mehr erreichen könnten.
Wie geht es weiter?
Die Ampel-Koalition steht bei der Reform zusammen, wie Lauterbach gern betont. Mit den Ländern köchelt aber weiter Streit – und abschließend durch den Bundesrat muss das Gesetz noch. Dabei ist es nicht mehr so angelegt, dass es dort zustimmungsbedürftig ist. Die Länderkammer könnte es aber in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schicken und so ausbremsen.
Umgesetzt werden soll die neue Struktur später Schritt für Schritt. So soll die neue Vorhaltevergütung ab 2027 „budgetwirksam“ werden.