Er war mal groß – und ist es nicht mehr. In seinem Buch „Ungefiltert“ schreibt Thomas Gottschalk darüber, wie er fremdelt: mit der „Generation Z“ und vermeintlichen Sprachverboten.
Er war mal ganz groß – und ist es heute nicht mehr. Über 20 Millionen Zuschauer versammelten sich einst vor dem Fernseher, wenn Thomas Gottschalk am Samstagabend im ZDF zu „Wetten, dass..?“ einlud. Es war das Hochamt der bundesdeutschen TV-Unterhaltung: ein bisschen gaga, ein bisschen peinlich, nicht ohne so manche Schlüpfrigkeit, die sich der Moderator vorzugsweise gegenüber den weiblichen Stars und Sternchen leistete, die er auf seinem legendären großen Sofa vor einer Schüssel mit Gummibärchen begrüßte. Aber, das muss man ihm lassen: Niemand schüttelte die große Samstagabend-Show mit einer solchen Leichtigkeit aus dem Ärmel seiner durchaus seltsamen schrillbunten Jacketts, keiner danach war jemals wieder so generationenübergreifend mehrheitsfähig. Gottschalk war die Mitte der Mitte von Deutschland und so war es gut und richtig. Jedenfalls hatten viele Menschen das Gefühl, dass es so sei.
Vorbei, alles vorbei. Die Zeiten sind andere, das Fernsehen auch, das ganze Land erst recht. Mit „Ungefiltert“ legt Gottschalk jetzt ein Buch vor, das manche weinerlich finden, andere onkelhaft – und wieder andere befreiend: Endlich sagt es mal einer. Nämlich, wie verrückt, verdreht und nervig das alles ist, vom Gendersprech bis zur „Work-Life-Balance“, von „Me Too“ bis zum ganzen digitalen Wahnsinn. Das Werk ist 320 Seiten lang, durchzogen von einer gewissen Altersmelancholie, nicht unerheblicher Eitelkeit und, darauf legt Gottschalk großen Wert: Zeile für Zeile von ihm selbst verfasst. Der Inhalt sorgt schon jetzt für Kontroversen. Ein Bestseller dürfte es allemal werden. Doch was steht wirklich drin? Hier die wichtigsten Passagen.
Thomas Gottschalk über …
„Die neue Generation ist jetzt am Ruder und schafft es locker, sich gleichzeitig über eine mögliche und für sie eher wahrscheinliche Altersarmut den Kopf zu zerbrechen und im selben Atemzug eine Senkung der Arbeitszeit zu fordern und entsprechend weniger Einsatz zu bieten.“
„Im Moment gibt es eine trotzige Fehde zwischen meiner Generation und dieser Generation Z, die gerade den Arbeitsmarkt umkrempelt. Wir sind nach dem Grundsatz groß geworden, dass „Lehrjahre keine Herrenjahre“ sind und erleben fassungslos, wie uns diese Altersklasse erzählt, dass eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtiger sei als die Karriere.“
„Es wäre mir aber selbst nie in den Sinn gekommen, irgendwann ein Sabbatical einzuschieben, eine Auszeit, die man sich heute gerne nimmt, um der Seele die Zeit zu geben zu regenerieren und Geist und Körper wieder in Einklang zu bringen. Wir haben uns die innere Balance im 2CV zurecht geschaukelt und brauchten kein Yoga dazu. Ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, nach dem Abitur erst mal ein Jahr auszusetzen, um die Welt kennenzulernen.“
… das Unverständnis zwischen Jung und Alt:
„Wie soll die Generation der ‚Digital Natives‘, die die Antworten auf alle Fragen schon immer mit dem Handy in der Tasche bei sich trug, die Generation verstehen, von der sie gezeugt wurde, die in kurzen Hosen oder mit geflochtenen Zöpfen auf Bauernhöfen und Abenteuerspielplätzen groß geworden ist und Sandburgen gebaut hat?“
… alte, weiße Männer:
„Nicht alles, was ein alter weißer Mann von sich gibt, ist schon allein deshalb Unsinn, man sollte vielmehr bei allen, die sich zu Wort melden, sei es im Netz oder sonst wo, einen Blick auf die Person werfen.“
… Frauen, „Anbaggern“ und Herrenwitze:
„Die Idioten, die das Nein einer Frau nicht so verstehen wollen, wie es gemeint ist, wird es immer geben. Und die vom Testosteron gesteuerten Machos werden nicht aussterben, nur weil ein Teil der Menschheit achtsam unterwegs ist.“
„In meinem Falle hat man mich ja zum peinlichen Urvater des Herrenwitzes (in dieser Causa bekenne ich mich einiger Ausrutscher schuldig, die mir heute so nicht mehr rausrutschen würden) und des öffentlichen Antatschens gemacht, der sich für keine Peinlichkeit zu schade ist und seine weiblichen Gäste am Samstagabend im TV zwischen Erdnussflips zu Hause und Kinderwette im TV aufs Widerlichste anmacht oder anfasst. Ich habe dem immer energisch widersprochen und tue dies auch hier und heute.“
Gottschalks neues Buch erscheint am 16. Oktober im Heyne Verlag, 24 Euro
© Heyne
„Warum hätte ich Frauen vor Millionen von Zuschauern anbaggern sollen? Der sich daraus eventuell ergebende Lustgewinn ist sehr begrenzt, und es ist ausgesprochen selten, dass sich ein Flirt aus einer Fernsehshow im wirklichen Leben fortsetzen lässt.“
… Sprachverbote und Tabuthemen:
„Auch wenn Kritik immer Teil meines Lebens war, reagiere ich natürlich immer noch dünnhäutig darauf, wenn man mir den Mund verbieten will. Ich will sagen, was ich denke und halte es da mit den Amerikanern, die manchmal beteuern: ‚He is so wrong, but he’s still my friend‘ – er liegt komplett daneben, aber er ist nach wie vor mein Freund‘. Die bestrafen einen nicht mit Liebesentzug, wenn man anderer Meinung ist.“
„Auch beim Schreiben dieses Buches kommt mir immer wieder die Befürchtung in die Quere: Kann man das „noch sagen“ und wenn ja, kann man es „so“ sagen? Könnte dieses oder jenes eventuell anders interpretiert werden, als es gemeint war? Da ist die bei Kreativen gefürchtete Schere im Kopf nicht weit.“
„Wenn die Weihnachtsfeier in der deutschen Kita meines Enkels nicht stattfinden kann, um muslimische Kinder nicht zu brüskieren, möchte ich zumindest gerne laut darüber diskutieren dürfen, ob und wie die Kinder Allahs und die Kinder des christlichen Gottes zusammen Weihnachten feiern sollten. Es könnte ja auch umgekehrt ein muslimisches Fest gemeinsam gefeiert werden (…) Ich berühre solche und viele andere oft ähnliche Themenkreise schon im kleinen Kreis nicht mehr. Einer wie ich will sich nicht unbeliebt machen. Und vor einer Kamera schon gar nicht.“
… das Gendern:
„Ich halte aber sowohl das Gendern als auch die Möglichkeit, sein eigenes Geschlecht, einem Gefühl folgend, jederzeit anpassen zu können, für einen Schritt über das hinaus, was ich ansonsten als generell richtige Richtung bezeichnen würde. Ich bin davon überzeugt, dass zum Beispiel das Gendern bei dem wichtigen Thema Gleichberechtigung lediglich einen Nebenkriegsschauplatz eröffnet, der von vielen Menschen überhaupt nicht nachvollzogen werden kann.“
„(…) ich wäre ja schon froh, wenn man mir (…) zugutehielte, kein reaktionärer älterer Trottel zu sein, der aus Bockigkeit und mangelnder Flexibilität nicht bereit ist zu gendern. Ich behaupte lediglich, dass mit dem Gendern das offenkundige Problem, dass Frauen in unserer Gesellschaft benachteiligt werden, nicht an der Wurzel gepackt wird. (…) Der Mehrzahl der Frauen hilft das auf diesem Weg keinen Millimeter weiter.“
… Konservatismus als Lebensgefühl:
„Ich bin der Meinung, man wird deswegen konservativ, weil man nicht alles neu denken muss. Es gibt Denkmuster, von denen man sagt, die habe ich auch so erlebt und für richtig befunden, die übernehme ich einfach. Es ist vielleicht das Vorrecht der Jugend, Dinge neu denken zu wollen, auch wenn am Ende nichts dabei rauskommt.“
… Shitstorm im Netz:
„Mit Namen hatte ich es noch nie. Aber wenn ich den Vornamen einer Nationalspielerin des deutschen Frauenfußballteams nicht korrekt auf dem Schirm habe, wird mir das heute sofort als frauenverachtend ausgelegt. Vom entsetzten Publikum wohlgemerkt. Da reichen schon ein, zwei böse Kommentare, um in den sozialen Medien eine Lawine auszulösen.“
IV Beisenherz Gottschalk 16:19
… seinen verblassenden Ruhm:
„Der kuschelige Fernseh-Samstagabend hat weitgehend ausgedient. Es gibt das Fernseh- Sofa nicht mehr, auf dem sich die Familie um 20.15 Uhr zusammenfand. Man geht inzwischen nicht nur am Tag, sondern auch am Abend getrennte Wege.“
„Ich selber habe früher 20 Millionen Zuschauer gehabt am Samstagabend. Heute freue ich mich, dass ich bei Instagram 100.000 Follower geschafft habe, weil es untypisch für einen alten Sack wie mich ist, wenn einem junge Leute überhaupt noch folgen.“
„Zu genau passe ich ins Klischee des gealterten Prominenten von gestern, der sich nichts sehnlicher wünscht, als den Stillstand, weil er alles, was er vorgefunden hat, seit er zu denken begann, bis zu seinem letzten Atemzug so belassen sehen will und ständig der guten alten Zeit nachtrauert, in der er nicht nur was zu sagen hatte, sondern auch gehört wurde. Ich weiß, dass diese Zeiten für mich vorbei sind und trauere ihnen nur in den kurzfristigen Phasen einer gewissen Schwermut nach, die ich aber immer ohne ärztliche oder medikamentöse Hilfe selber rasch beende. Ich umarme gemeinhin das Morgen und trauere nicht dem Gestern hinterher.“
„Jeden Tag versichern mir Menschen, wie ernst sie mich nehmen, und ein Arzt hat mich erst kürzlich, bevor er mir Blut abzapfte, dafür gefeiert, dass ich seiner Meinung nach ‚Fernsehgeschichte‘ geschrieben habe. Aber bei dem Mann ließen sich die grauen Schläfen auch nicht übersehen. Sein Enkel hat keine Ahnung mehr, wer ich bin.
„Es ist (…) gar nicht einfach, zu akzeptieren, dass man nur noch als Bremsklotz gesehen wird, der zwar mal eine Stimme hatte, aber jetzt gefälligst schweigen sollte.“
…sein Verhältnis zum Alter:
„Wer meinen Ausführungen mit der gebotenen Andacht bis hierhin gefolgt ist, mag den Eindruck gewinnen, hier schreibt sich einer seinen Frust von der Seele, der in Wirklichkeit damit hadert, dass nichts mehr so ist, wie es einmal war und der klagt, dass er nicht mehr das ist, was er mal war. Das mag vordergründig nicht falsch sein, denn vor allem der Alterungsprozess und das zügige Ausgemustertwerden zehren durchaus an meinem Selbstbewusstsein.“