Strategie für Wahl: Olafs Resterampe – die SPD verkauft alte Ideen als Wahlkampfhit

Die SPD stellt ihre Wahlkampf-Strategie vor – die von einem Sound geprägt ist, der nicht mehr verfängt. So wird das nichts. 

Haben es jetzt alle gerafft? Dann nochmal zum Mitschreiben: Die SPD ist die einzig wahre Arbeiterpartei, die den Wirtschaftsaufschwung nicht von den oberen Zehntausend aus organisiert, wie es ja wohl einem Friedrich Merz vorschwebt, sondern von der fleißigen und sich aufopfernden Mitte. Und damit auch hier keine Missverständnisse aufkommen: Nur die SPD steht tatsächlich an der Seite der Beschäftigten. Klar soweit?

So ungefähr lautet die Botschaft der SPD-Spitze, die den Ton für die kommende Bundestagswahl setzen soll und nun wiederholt beschlossen wurde. Dass dieses erneute Bekenntnis nötig ist, abermals flankiert von Attacken gegen die böse „Merz-CDU“, offenbart das wahre Problem der SPD: Immer weniger nehmen ihr die Rolle der unverbesserlichen Arbeitnehmerpartei ab. Die Genossen stecken in einer Glaubwürdigkeitskrise, die sie selbst geschaffen haben. Mit Autosuggestion und der Wiederholung altbekannter Forderungen wird diese nicht zu lösen sein. 

Die SPD zeigt ihre Ideen- und Ratlosigkeit

Schon im März hatte der SPD-Vorstand zu großen Teilen festgeschrieben, was nun wieder auf dem Tisch liegt: Die Forderung nach einem höheren Mindestlohn, zusätzliche Steuern für Topverdiener, um die breite Mitte zu entlasten, eine Reform der Schuldenregeln und niedrigere Energiepreise. Doch ist daraus weder „Eine starke Wirtschaft für alle“ erwachsen, wie das Zehn-Punkte-Programm seinerzeit überschrieben wurde, noch ein Aufschwung für die strauchelnde SPD festzustellen gewesen. Stattdessen haben sich die Aussichten weiter eingetrübt – für die Wirtschaft, aber auch für die Kanzlerpartei, die den Beleg für ihren Tatendrang immer noch erbringen muss. 

Dass die SPD teils altbekannte Antworten auf jetzt noch drängendere Fragen gibt, macht ihre zunehmende Ideen- und Ratlosigkeit deutlich. Darüber können auch neue Forderungen wie eine E-Auto-Kaufprämie oder ein „Made In Germany“-Bonus für Unternehmen, die in Deutschland investieren, nicht hinwegtäuschen. 

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Denn was Parteichef Lars Klingbeil im März auch als Gesprächsangebot an die FDP und Grünen verstanden wissen wollte, soll nun elementarer Bestandteil der Wahlkampfstrategie sein. Ernsthaft? Vielmehr ist es das offensichtliche Eingeständnis, dass sich die Kanzlerpartei mit ihren Vorstellungen, erstens, bei ihren Koalitionspartnern nicht durchsetzen konnte und, zweitens, auch nicht mehr damit rechnet. Also setzt die SPD jetzt voll auf sich selbst. Was nicht gelungen ist, soll nun zum Wahlkampfhit werden: Olafs Resterampe.

Aber warum sollten die Wählerinnen und Wähler darauf vertrauen, dass es bei diesem Anlauf klappt?

Keine Frage, auch der neue Beschluss des Parteivorstands dient vor allem der Profilschärfung, soll inhaltliche Unterschiede – insbesondere zur Union – verdeutlichen. Die rein sozialdemokratische Lehre könnte die SPD allenfalls durchsetzen, wenn sie bei der nächsten Bundestagswahl die absolute Mehrheit gewinnt. Ausweislich ihrer aktuellen Umfragewerte sieht es bestenfalls nach einer Juniorpartnerschaft in einer von der Union geführten Regierung aus. 

Vor diesem Hintergrund stellt sich einmal mehr die Frage, wie gewinnbringend es für die SPD tatsächlich ist, immer wieder die Reform der Schuldenbremse oder Einkommenssteuer zu fordern. Genutzt hat es den Genossen schließlich wenig. 

Was tun? Vielleicht einmal das Gegenteil

Die Sozialdemokraten haben Erwartungen geschürt, die sie nicht einlösen konnten – das hat sie angreifbar gemacht. Zur Freude der Extremisten und Populisten, die bei den vergangenen Europa- und Landtagswahlen im enttäuschten Arbeitermilieu punkten konnten. Aber auch der Union, die nun selbstbewusst in den Raum strebt, den die SPD preisgegeben hat. 

„Wir haben die Chance, die Arbeitnehmerpartei Deutschlands zu werden“, frohlockt CDU-Chef Merz, der vollmundig eine „Agenda 2030“ in der Wirtschaftspolitik ankündigt. Merz wird diese zwar noch ausdeuten müssen, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht. Aber als Oppositionsführer hat er einen entscheidenden Vorteil: Er kann viel fordern, ohne unmittelbar Ergebnisse vorzeigen zu müssen – wofür die Kanzlerpartei nun abgestraft wird. Schon jetzt liegt Merz bei der Wirtschaftskompetenz deutlich vor Kanzler Olaf Scholz, wie eine stern-Umfrage ergab.

 Umfrage Wirtschaftskompetenz Friedrich Merz Olaf Scholz 6.15

Ob die Sozialdemokraten mit einem neuen X-Punkte-Plan diesem Trend trotzen können, ist fraglich. Zu sehr hat ihr Ruf als Arbeiterpartei gelitten, ihre Vorschläge werden nicht mehr ernst genommen. Was tun? 

Vielleicht einmal das Gegenteil: Erklären, warum etwas gerade nicht geht und mehr Ehrlichkeit wagen. So lautet jedenfalls ein weiterer Vorschlag aus der SPD-Führung. Anke Rehlinger, die Ministerpräsidentin im Saarland, empfiehlt ihrer Partei, dass die Pressemitteilung nicht Anfang und Ende der politischen Arbeit sein dürfe. Ihre Losung: „Machen statt Motzen“. Nach dieser Devise hat Rehlinger 2022 immerhin die absolute Mehrheit in ihrem Bundesland geholt.