Hamburgs Verkehrssenator Tjarks möchte die Infrastruktur in Deutschland mit einem 600-Milliarden-Euro-Programm sanieren. Auch ein Eingriff in die Schuldenbremse ist Teil seiner Überlegungen.
Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) setzt bei der Sanierung der maroden Infrastruktur in Deutschland auf ein milliardenschweres Investitionsprogramm und eine Lockerung der Schuldenbremse. Gleichzeitig forderte er die Politik im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur auf, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Die Mitte muss sich wieder mehr um die Mitte kümmern.“ Es seien eine Wachstumsagenda und ein Impuls notwendig, um das Land wieder mit einer positiven Story zu versehen.
„Die Bundesrepublik Deutschland hat enorme Herausforderungen, an denen die politische Diskussion derzeit jedoch hauptsächlich vorbeigeht“, sagte Tjarks. Dabei seien die Defizite doch offensichtlich: marode Brücken, eine kaputte Bahninfrastruktur, in vielen Teilen des Landes marode Hochschulen und Schulen. Dazu eine ausbaufähige Digitalisierung, zu viel Bürokratie und nach wie vor zu wenig Anstrengungen beim Klimaschutz. Für Tjarks heißt das: Die Bundesrepublik muss massiv Geld in die Hand nehmen. Er verweist dabei auf das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, das einen Investitionsbedarf von 600 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren sehe.
Tjarks: Warum wird nicht endlich etwas gemacht?
„Jeder weiß, dass die Bahn besser werden muss, jeder weiß, dass die Autobahnbrücken saniert werden müssen, jeder weiß, dass die Datenkommunikation besser werden muss – jeder.“ Und da das allgemein bekannt sei, stelle sich die Frage: Warum werde nicht endlich etwas dagegen gemacht? Tjarks zeigte sich überzeugt, dass die Investitionen auch einen Mehrwert brächten, der sich letztlich monetär auszahle. „Es geht darum, auch Wachstum zu generieren.“ Das machten Unternehmen ja ganz genauso.
Finanziert werden sollten die 600 Milliarden Euro wie auch vom IW vorgeschlagen über Kredite. Er wolle die Schuldenbremse nicht abschaffen. Das halte er weder in der Sache für sinnvoll noch für politisch durchsetzbar. „Aber wir kommen nicht an der Tatsache vorbei, dass diese 600 Milliarden Euro irgendwo herkommen müssen.“ Und was den Schuldenstand betrifft: Eine Kreditaufnahme in dieser Höhe bedeutete, dass die Quote gemessen am Bruttoinlandsprodukt bei einem angenommenen Nullwachstum von 63,6 Prozent im vergangenen Jahr auf dann 65 Prozent stiege, rechnete Tjarks vor.
600-Milliarden-Programm zur Sanierung der Infrastruktur
„Dafür würden wir aber heile Brücken, eine gute Bahn, ordentliche Datenkommunikation, vernünftige Hochschulen und ein dekarbonisiertes Land bekommen.“ Und das stelle schließlich ein Vermögen dar, das bislang bilanziell bei der Schuldenbremse nicht vorgesehen sei. Tjarks betonte, aktuell sei die Investitionsquote in Deutschland viel zu gering. „Deswegen haben wir eine schwierige Infrastruktur und deswegen haben wir mangelnde Wachstumsaussichten.“
Das alles zusammenzudenken und mit einem Bürokratieabbau sowie einer konsequenten Digitalisierung zu verknüpfen, könnte dagegen zu einer echten Wachstumsagenda führen. Und das wiederum würde Deutschland auch wieder zu einem attraktiveren Standort für private Investoren machen, ist der Grünen-Politiker überzeugt.
Senator: Grüne dürften in größeren Teilen mitgehen
Seine Partei stehe derzeit erheblich unter Druck. „Aber wir sind die einzige Partei, die gerade tatsächlich auch die Chance hat, sich neu aufzustellen“, sagte der frühere Hamburger Parteichef mit Blick auf den angekündigten Rückzug des kompletten Bundesvorstands. Und er glaube, dass seine Partei bei dem angedachten positiven Impuls in größeren Teilen mitgehe. „Ich glaube aber auch, dass sich bestimmte Positionen noch entwickeln müssen.“
Und genau das sei auch Aufgabe der neuen Bundesvorsitzenden. „Führung sieht auch so aus, dass man Haltungen hinterfragt und schaut, ob es bei bestimmten Themen eine Entwicklung gibt.“ Beim Ausbau der Wind- und Solarenergie und bei den LNG-Terminals hätten die Grünen und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schon bewiesen, dass es auch mit weniger Bürokratie gehe. „Aber das muss man auch wollen und sollte nicht Quatsch-Debatten führen über Grillverbote, wo niemand ein Grillverbot fordert.“