Friedrich Merz schwört die Union auf dem CSU-Parteitag auf den Wahlkampf ein. Zwar gibt er eine klare Marschrichtung vor – schlägt aber bewusst andere Töne an als Söders CSU.
Am Ende muss die Harmonie in der Union doch ein wenig von oben dirigiert werden: Erst als Markus Söder nach der Rede von CDU-Chef Friedrich Merz auf die Bühne kommt, wird der Applaus der CSU-Delegierten rhythmischer und lauter. Ohne den CSU-Chef als Vorklatscher droht der Jubel für die Rede des Unionskanzlerkandidaten auf dem CSU-Parteitag recht früh abzuebben – wobei es hierfür eigentlich keine inhaltlichen Gründe gibt.
In seiner rund einstündigen Rede müht sich Merz, auch „aus der Seele“ der CSU zu sprechen, wie es Söder nannte. So fordert er eine neue Ernsthaftigkeit bei der inneren und äußeren Sicherheit in Deutschland („oberste Priorität“), besteht auf Zurückweisungen an den Grenzen („will eigentlich keinen Migrations- und Einwanderungs-Wahlkampf“) und nennt Ängste von Jüdinnen und Juden im Land eine „inakzeptable Schande für Deutschland“.
Merz bemüht sich um sanftere Töne als Söder
Doch anders als Söder ist Merz bei vielen Themen hörbar darum bemüht, nicht die in der CSU so gerne gehörten holzschnittartigen Attacken und Forderungen zu wiederholen, sondern schlägt differenziertere Töne an. So betont er mehrfach bei der Migration, dass nicht die Mehrheit der Flüchtlinge die Ursache für „überproportionale Kriminalitätsraten“ sei, vielmehr gehe das Problem von einer Zahl junger Männer aus, die häufig auch keine echten Gründe für eine Flucht nach Deutschland vorweisen könnten.
Auch bei dem in der CSU auf Drängen von Söder so vielfach betonten und betriebenen Grünen-Bashing sucht Merz nach einem Mittelweg. Zwar erklärt er, dass auch aus seiner Sicht eine Zusammenarbeit mit den Grünen, „so wie sie heute da sind“, nicht denkbar sei, Merz vermeidet aber selbst kategorische Absagen. Laut Umfragen kommt die Union derzeit auf Werte von um die 31 Prozent – genauso viel wie die drei Ampelparteien SPD, Grüne und FDP gemeinsam.
Merz warnt vor Koalitionswahlkampf
„Wir führen keinen Koalitionswahlkampf“, sagt Merz. Wenn für Koalitionen „nur noch die Sozialdemokraten übrig bleiben, wird es auch kein Vergnügen“. Er verweist dabei insbesondere auf die Überzeugungen einzelner SPD-Spitzenpolitiker in der Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. „Das wird verdammt schwierig.“ Die Union solle sich daher darauf konzentrieren, möglichst stark zu werden.
Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließt Merz kategorisch aus. „Wir würden die Seele der Union verkaufen, wenn wir mit solchen Leuten zusammenarbeiten.“ Die AfD sei ausländerfeindlich, rechtsradikal und „im Kern antisemitisch“ und daher keine Alternative, sondern der Abstieg für Deutschland. Aber auch das, was das Bündnis Sahra Wagenknecht wolle, widerspreche der Unions-Überzeugung. „Das ist Sozialismus in Chanel.“
Außenpolitisch verspricht Merz den Delegierten eine größere Präsenz Deutschlands in der Europäischen Union. Der zunehmende Protektionismus bei großen weltwirtschaftlichen Playern wie China und den USA zwinge Europa zu noch mehr Gemeinsamkeit, aber auch zu noch mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahl im November erwartet Merz eine schwierigere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten: Wenn die Demokratin Kamala Harris gewinne, werde es etwas „freundlicher“, bei einem Sieg des Republikaners Donald Trump hingegen „ziemlich unfreundlich“. „Im Ergebnis“ werde es aber „bei beiden das Gleiche sein“.
Merz fordert neuen Leistungswillen in Deutschland
Um den Sozialstaat zu erhalten, müsse die Wirtschaftsleistung in Deutschland wieder verbessert werden, sagt Merz. „Wir müssen einen neuen Leistungswillen formulieren.“ Zugleich müsse das von der Ampelregierung eingeführte Bürgergeld wieder abgeschafft und durch eine Grundsicherung ersetzt werden. „Wir brauchen eine Agenda 2030 für die Fleißigen im Land, die sich anstrengen und die nicht aufgegeben haben, daran zu glauben, dass wir starkes ein Land sind.“
Zur Freude der CSU ist für Merz auch eine Verkleinerung des Staatsapparates („aufgeblähter Wasserkopf in Berliner Amtsstuben“) unumgänglich. Die 34 Beauftragten der Bundesregierung versprächen nur die Lösung von Problemen, „die wir ohne sie gar nicht hätten“. Außer der Wehrbeauftragten gehörten alle auf den Prüfstand.
Union dürfe im Wahlkampf niemanden gegeneinander ausspielen
Merz müht sich, sich als Kanzlerkandidat für alle Interessengruppen darzustellen – Stadt, Land, Alt, Jung, Migrationshintergrund oder „sogenannte Bio-Deutsche“. Die Union spiele niemanden „gegeneinander aus, der in diesem Land fleißig ist, arbeitet, mit anpackt, mithilft und dafür sorgt, dass dieses Land in den nächsten Jahren wieder nach vorn kommt“. Merz sieht dabei die Chance, die CDU auch zur neuen „Arbeiterpartei“ zu machen.
Söder verspricht Merz nicht nur auf großer Bühne die volle Loyalität der CSU auch über den Wahlkampf hinaus („Ich begrüße den künftigen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Friedrich Merz. Du kannst dich auf die Bayern verlassen, wir werden dich stärken.“), er verquickt auch die Schicksale der beiden Parteichefs: „Wir sind ein Team, geht der eine unter, geht der andere unter. Aber wir bleiben beide über Wasser.“