Kindermedizin in der Krise: Kann Lauterbachs Klinikreform Kinderleben retten?

Die Kinderheilkunde leidet unter fehlenden Ressourcen, der Pflegemangel kann sogar lebensgefährlich werden. Nun kündigt die Bundesregierung die größte Reform seit 20 Jahren an. Ist das die Rettung?

Erst vor ein paar Wochen beschloss die Bundesregierung „die größte Krankenhausreform seit 20 Jahren“, wie es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ausdrückte. Viele Fachleute begrüßen den Plan, wonach die Kliniken in Zukunft anders finanziert werden sollen. 

Der zugrunde liegende Befund: Deutschland leistet sich zu viele Krankenhäuser, die das Gleiche anbieten, teilweise nicht ausgelastet sind und oft defizitär arbeiten. Die Bundesregierung will stattdessen weniger Kliniken, die dafür spezialisierter und besser finanziert sind. Auch für die Kinder­kliniken soll es dem Gesetzesentwurf zufolge mehr Geld geben. 

Sie haben Hilfe dringend nötig. Seit Jahren warnen Kindermediziner, dass ihre Ressourcen nicht mehr ausreichen, den Kindern ausreichend zu helfen. Gerade in der Intensivmedizin herrsche Mangel, weshalb die Suche nach einem freien Bett selbst für gefährlich erkrankte Patienten häufig zum Problem wird. 

Kann nun Lauterbachs Krankenhausreform die Probleme der Kinder­intensivmedizin lösen? 

Notfall Kindermedizin

Es wäre naiv zu ­glauben, das ginge so einfach. Dass die Pflegekräfte in der Kinderintensivmedizin fehlen, liegt eben nicht da­ran, dass die Kliniken in diesem Bereich keine Stellen hätten. Fast alle haben Jobs ausgeschrieben, nur bekommen sie die nicht besetzt. 

Der Pflegemangel in der Kindermedizin könnte sich weiter verschärfen

Die Gründe dafür sind vielfältig: der demografisch bedingte Fachkräftemangel; das für einen derart fordernden Beruf zu knappe Gehalt; die schwer zu ertragende Belastung in einem System, das am Anschlag ist; und auch die veränderten Ansprüche einer jüngeren Generation, die sich ihre Jobs aussuchen kann – auch solche, die im Homeoffice erledigt werden können. An diesen Ursachen wird die Klinikreform wenig ändern. 

Zwar besteht die Hoffnung, dass durch den Abbau von Doppelstrukturen auch ­Pflegepersonal frei wird, das in anderen Bereichen eingesetzt werden kann. Aber das setzt voraus, dass diese Menschen willens und in der Lage sind, an andere Standorte und in die Kinderpflege zu wechseln.

Station 67 Kindermedizin in der Krise Titel

Der Umstieg in die Kinder­intensivpflege erfordert eine hohe fachliche Quali­fikation und ein außergewöhnliches persönliches ­Engagement. Viele Fach­leute erwarten eher, dass sich das Problem der fehlenden Pflegerinnen und Pfleger in der Kinderintensivmedizin weiter verschärfen wird. Sie empfehlen ­daher, den Beruf deutlich attraktiver zu machen: durch höhere Gehälter, höhere Zuschläge, weniger Bürokratie, weniger pflegeferne Aufgaben, mehr Zeit für die kleinen Patienten. Nur dann könne sich langfristig etwas ändern. 

Akut und kurzfristig fordert die deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfall­medizin dringend den Aufbau der Telemedizin in den Kinderkliniken. Mit deren Hilfe könnten spezialisierte Ärzte, wenn sie schon kein freies Bett zu bieten haben, zumindest aus der Ferne die Therapie anleiten und als Berater zur Verfügung stehen. Auch die Kinderklinik der MHH und das Pä­di­atrische Intensivnetzwerk (PIN) verfolgen diesen Plan. Es ist der Versuch, alles herauszuholen aus einem System, dessen Krise nicht leicht zu lösen sein wird.