Die designierte AfD-Kanzlerkandidatin traf im Fernsehen auf die BSW-Gründerin. Es wurde eine eher harmonische Sendung, in der aber nur eine der beiden Frauen punktete.
Nur etwa zehn Minuten sind vergangen, da sagt Alice Weidel einen Satz, der die Sendung, das als „Duell“ beworben wurde, recht präzise zusammenfasst: „Da hat Frau Wagenknecht völlig Recht.“ Denn die Vorsitzenden von AfD und BSW sind sich an diesem Mittwochabend in vielem einig, ob nun bei der Betrachtung der Energiepolitik, der Migration oder dem Ukraine-Krieg.
Natürlich, klar, hier und da unterscheiden sich die Ansichten der beiden Frauen, worauf insbesondere Sahra Wagenknecht immer wieder hinweist. Sie ist erkennbar bemüht, das Copyright „Friedenspartei“ zu verteidigen und quält Weidel für eine ganze Weile mit Björn Höcke. Doch als sich die Debatte nach einer Stunde ihrem Ende zuneigt, steht wie beim Finale des Films „Casablanca“ die Frage: Ist das hier der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?
Aber von Anfang an. Es ist 18 Uhr, als sich die beiden Kombattantinnen im Berliner Studio von Welt TV in ihrer traditionellen Berufsuniform präsentieren: Wagenknecht ist im Kostüm erschienen, Weidel im Anzug, beide haben das Haar säuberlich hochgesteckt. Ihr Auftritt ist betont bürgerlich und im Ton verbindlich. Und es wird viel gelächelt.
Wagenknecht sagt: „Ich denke, Frau Weidel vertritt konservative Positionen.“
Weidel sagt: „Ich finde sehr gut, dass Frau Wagenknecht die Sache sehr differenziert sieht.“
Wagenknecht sagt: „Ich bin jemand, der sich dafür einsetzt, mit der AfD fair umzugehen.“
Zuweilen wirkt es wie eine gemeinsame Kundgebung
Als der Moderator – Welt-TV-Chefredakteur Jan Philipp Burghard – Wagenknecht fragt, was denn die Alternative zum Selbstverteidigungskrieg Israels sei, rufen beide Frauen im Chor: „Verhandeln!“. Fast wirkt es so, als veranstalteten sie eine gemeinsame Kundgebung.
Dass Welt TV die beiden Frauen an diesem Abend eingeladen hat, dürfte vor allem mit dem Prequel vom April zu tun. Das damalige Rededuell des rechtextremistischen Thüringer AfD-Landeschefs Höcke mit seinem CDU-Kontrahenten Mario Voigt bedeutete für den kleinen Sender einen Zuschauerrekord.
Mit „Wagenknecht contra Weidel“ soll nun dieser Quotenerfolg wiederholt werden – wobei in dieser Konstellation nicht nur dem Extremismus der AfD Raum gegeben wird, sondern auch die politische Mitte ausgespart bleibt. Denn so verschieden die beiden Frauen sein mögen, so sehr ähneln sie sich in ihrem radikalen Populismus.
Unterschiedliche Pfade zur Macht
Im Rückblick wirkt es so, als hätten sie sich auf unterschiedlichen biografischen Pfaden und aus unterschiedlichen politischen Richtungen auf diesen Moment zubewegt. Wagenknecht verbrachte ihre ersten zwei Lebensjahrzehnte in der DDR, deren Untergang sie öffentlich bedauerte. Als selbsterklärte Kommunistin lehnte sie das kapitalistische System der Bundesrepublik ab. Auch wenn sie teils hohe Positionen in der PDS und später in der Linkspartei einnahm, blieb sie doch immer Außenseiterin. Die Gründung einer eigenen Partei, der sie sogar ihren Namen gab, war die Konsequenz.
Weidels Biografie verlief konträr dazu. Sie, die zehn Jahre nach Wagenknecht in Nordrhein-Westfalen geboren wurde, nutzte die Vorteile der westlichen Demokratie: Abitur, Wirtschaftsstudium, Analystin bei Goldman Sachs, staatliches Auslandstipendium, Unternehmensberaterin.
In die Politik gelangte sie mit Mitte 30, als sie in die neu gegründete AfD eintrat. Sie brauchte nur zwei Jahre, um in den Bundesvorstand gewählt zu werden und weitere zwei Jahre, um an die Spitze der Bundestagsfraktion zu gelangen. Dort hält sie sich seitdem, übernahm auch den Parteivorsitz und ist inzwischen als designierte Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl die klare Nummer eins in der Partei.
Doch die Parallelen der zwei Frauen sind ebenso evident. Beide mussten sich in einer männerdominierten Politikwelt durchsetzen. Und beide haben, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, Ausgrenzungserfahrungen gemacht. Während sich Wagenknecht wegen ihres iranischen Vaters, den sie kaum kennenlernte, schon in der DDR fremd fühlte, lebt Weidel mit einer aus Sri Lanka stammenden Schweizerin, während sie eine deutschnationale und latent homophobe Partei führt.
Und: Beide zeigen wenig Interesse an Gestaltungsmacht, sondern betreiben Fundamentalopposition. Ihre Rhetorik ist gleichermaßen radikal, die Zitate wirken teilweise austauschbar. Beide beklagen synchron eine „Deindustrialisierung Deutschlands“ oder sprechen von „Kontrollverlust bei Migration“. Wer gerade von der „dümmsten Regierung“ spricht oder dem Kanzler „Wohlstandsvernichtung“ vorwirft, ist kaum auseinanderzuhalten.
Der Steigbügelhalter-Vorwurf
Auch bei Welt TV gleichen sich die Formulierungen der Politikerinnen. Beide kritisieren eine „grüne Politik“ und kommen synchron ins Schwimmen, als sie Burghard fragt, ob sie denn diese Woche an einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Hamas-Massakers teilgenommen hätten. „Ich bin mit meinen jüdischen Freunden in mich gegangen“, sagt Weidel.
Die offenkundige Harmonie ist natürlich eine Gefahr für Wagenknecht, deren BSW gerade in Sachsen, Thüringen und Brandenburg mit CDU und SPD über Koalitionen gegen die AfD verhandelt. „Wir sind die Alternative zur Alternative“, hatte die Parteichefin im Wahlkampf erklärt.
Deshalb greift Wagenknecht immer mal wieder Weidel gezielt an. Dass die AfD-Vorsitzende ihr Bündnis als „nützliche Idioten“ und „Steigbügelhalter“ der „Altparteien“ bezeichnet habe, das sei ja wohl ehrabschneidend, empört sie sich. Sie halte es auch für „unverantwortlich“, mit Forderungen nach millionenfacher „Remigration“ Ressentiments zu schüren und gut integrierte Zuwanderer zu verängstigen. Und wenn sie von Höcke, den ja Weidel selbst mal aus der Partei habe schmeißen wollen, die Bücher lese, da werde ihr „übel“.
Die AfD-Vorsitzende reagiert darauf defensiv bis verunsichert. Sie relativiert ihre Attacken auf Wagenknecht als „überspitzte Sprache im Wahlkampf“ und spricht in Bezug auf den Thüringer AfD-Chef davon, dass auch das BSW „im Glashaus“ sitze, ohne dies allerdings näher auszuführen. Irgendwann klagt sie: „Hier steht nicht Herr Höcke, sondern ich.“ Erst spät fällt ihr ein, dass sie Wagenknecht mit deren kommunistischer Vergangenheit nerven kann.
„Ich bin keine Kommunistin!“
Die BSW-Vorsitzende hingegen sendet wieder ihre bekannte Botschaft: Falls Weidel sich von dem rechtsextremistischen Flügel trennte, hätte sie kein Problem mehr damit, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Es sei, sagt sie, „eine Tragödie“, dass es in Ostdeutschland bereits parlamentarische Mehrheiten gebe, die sich „eine andere Politik“ wünschten – aber die leider nicht funktionierten, weil in den Landtagen Leute wie Höcke säßen.
Damit dreht die BSW-Chefin den Steigbügelhalter-Vorwurf Weidels einfach um: Die AfD ist schuld daran, dass ihre Partei mit SPD und CDU über Regierungen reden muss. Auch dieser Punkt geht an Wagenknecht.
Der Moderator ist zu diesem Zeitpunkt nur noch damit beschäftigt, irgendwie sein Script abzuarbeiten, wobei die beiden Politikerinnen, so wie während der gesamten Sendung, nichts sagen, was sie nicht schon vielfach gesagt haben.
Immerhin bekommen die Zuschauerinnen und Zuschauer bekräftigt, was Wagenknecht auf gar keinen Fall mehr sein will: „Ich bin keine Kommunistin!“