Beim FC Bayern ist er schon jetzt Stammspieler, beim DFB soll er Toni Kroos ersetzen. Aleksandar Pavlović ist der erwachsenste 20-Jährige des deutschen Fußballs.
Als Aleksandar Pavlović den Raum betritt, ist die Zahl schon da: 50 Millionen. Das soll, aufgewogen in Euro, sein neuer Marktwert sein, so hat es das Portal Transfermarkt berechnet. Damit wäre Pavlović der Aufsteiger des Jahres. Von 30 Millionen hoch auf 50 Millionen, eine solche Preisexplosion hat aktuell kein anderer Bundesligaspieler zu verzeichnen. Und wenn man bedenkt, dass Pavlović noch vor gut einem Jahr in der Regionalliga gespielt hat, gegen Vereine wie Bubach, Aubstadt oder Aschaffenburg, dann wirken diese 50 Millionen noch gewaltiger und unwirklicher.
Oder etwa nicht, Aleksandar Pavlović?
Was macht diese Zahl mit Ihnen?
Pavlović sitzt am Mittwoch in einem Konferenzraum in Herzogenaurach; hier, auf der Anlage eines Sportartikelherstellers, bereitet sich die deutsche Nationalmannschaft auf die Länderspiele gegen Bosnien-Herzegowina und die Niederlande vor.
Pavlović räuspert sich und sagt: „Natürlich ist das ein schönes Zeichen“, und schiebt dann schnell, wie zur Entschuldigung, hinterher: „Aber das ist eher eine Nebensache. Ich konzentriere mich auf mein Spiel.“
Pavlović bestimmt den Rhythmus des Spiels
Pavlović kichert bei diesen Sätzen, er macht das oft, er ist erst 20 Jahre alt und hat noch nicht viele Interviews gegeben in seiner Karriere. Dass da einer seine Unsicherheit nicht zu kaschieren versucht, darf im breitbeinigen Fußball-Business schon als ungewöhnlich gelten. Es gibt einen von Profis gern genutzten Werkzeugkasten mit Phrasen, der einem durch Gespräche hilft – aber der Pavlović, geboren in München, der Vater Serbe, die Mutter Deutsche, greift selten hinein. Kommentar zu Klopps RB-Wechsel 13:34
Überhaupt fällt so einiges auf bei Pavlović. Wer ihn spielen sieht beim FC Bayern und auch in der Nationalmannschaft, kann kaum glauben, dass er gerade erst dem Teenager-Alter entwachsen ist. In München organisiert er gemeinsam mit Joshua Kimmich das defensive Mittelfeld. Im Fußball der Gegenwart ist dies die Königsposition; der Spielaufbau ist in im Laufe der Jahre immer weiter nach hinten gerückt, von der Position zehn hinter den Sturmspitzen auf die Position sechs, direkt vor der Abwehrkette. Hier verteilt Pavlović die Bälle beim FC Bayern. Er bestimmt den Rhythmus einer Partie, er beschleunigt oder bremst, verschiebt das Spiel auf die Flügel oder zentriert es – und die Entscheidung, welche der vielen Optionen die beste ist, muss Pavlović immer wieder neu treffen, oftmals binnen Sekunden.
Was Pavlović noch fehlt: eine Portion Wahnsinn
Eigentlich ist dies eine Aufgabe für erfahrene Spieler, zuletzt zu beobachten gewesen bei der EM, als Toni Kroos, 34, der Taktgeber war in der deutschen Mannschaft. Schon zuvor bei Real Madrid hatte man den Eindruck, dass Kroos mit jedem Tag, den er älter wird, an Klasse gewinnt.
Im Mai, während des EM-Trainingslagers in Thüringen, als der fünfmalige Champions League-Sieger noch nicht zurückgetreten war, sprach Bundestrainer Julian Nagelsmann schon über die Post-Kroos-Ära im deutschen Fußball. Kroos sei nur durch gemeinschaftliche Anstrengung zu ersetzen, sagte Nagelsmann, wobei er bei zwei Spielern besonders großes Talent sehe: Aleksandar Pavlović und Angelo Stiller.
Stiller, 23, Sechser des VfB Stuttgart und einer der Besten der vergangenen Bundesligasaison, liegt in der Gunst des Bundestrainers derzeit auf Rang zwei. Spieler der Stunde ist Pavlović, der beim FC Bayern den im Sommer für knapp 50 Millionen Euro verpflichteten Portugiesen Joao Palinha verdrängt hat, ebenso wie Leon Goretzka, der als Pavlovićs Mentor gilt.
In München scheint Pavlović perfekt zum angstbefreiten Offensivfußball von Vincent Kompany zu passen. Pavlović ist ein sicherer Ballverteiler; stets ist er anspielbar, auch unter Bedrängnis. Pavlović ruht in sich, ähnlich wie Kroos – doch was ihn vom alten Meister unterscheidet: Einen überraschenden, verwegenen Ball sieht man von Pavlović selten. Die Frage ist nun: Hat er den Wahnsinn nicht im Fuß oder traut er sich bloß nicht? Julian_Baumeister. 18.00
Bayern Trainer Kompany wird wahrscheinlich froh sein, dass Pavlović derzeit so solide und verlässlich auftritt. Noch mehr Unruhe kann er nicht gebrauchen in der Defensive, wo die beiden Innenverteidiger Kim und Upamecano im Wochentakt an die Grenzen ihrer Möglichkeiten (und darüber hinaus) geführt werden.
Der Nationalmannschaft hingegen würden Esprit und Freigeist schon guttun. Die beiden anderen Sechser, Pascal Groß und Robert Andrich, sind seriöser Arbeiter, aber eine künstlerische Ader besitzen beide nicht. Es bräuchte jemanden, der das kühne und unwiderstehliche Spiel von Florian Wirtz und Jamal Musiala von hinten befeuert.
Warten auf den ersten Startelf-Einsatz
Drei Länderspiele hat Aleksandar Pavlović bislang bestritten, drei Mal ist er eingewechselt worden. Gut möglich, dass der Bundestrainer ihn gegen Bosnien (Freitag, 20:45 Uhr, RTL) oder die Niederlande (Montag, 20:45 Uhr, ZDF) von Anfang an starten lässt. An der Seite von Robert Andrich dürfte Pavlović auch mal etwas wagen – Andrich ist geübt im Aufräumen; er fegt auch bei Meister Bayer Leverkusen den kreativen Geistern hinterher.
Pavlović sagt, mit Andrich verstehe er sich bestens. Als Nachbar auf dem Platz und auch außerhalb – in Herzogenaurach wohnen beide im selben Bungalow.