Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht hat der AfD und ihrer Co-Chefin Alice Weidel bei einem gemeinsamen Auftritt in einer TV-Sendung eine unzureichende Abgrenzung zum umstrittenen thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke vorgeworfen. Der Rechtsaußen-Flügel der AfD unter Höcke sei in den vergangenen Jahren „immer stärker und immer mächtiger geworden“, sagte Wagenknecht am Mittwochabend im Sender „Welt“. Sie fügte in Richtung Weidel hinzu: „Ich halte für ein Problem, dass Sie irgendwann aufgehört haben, diese Leute zu bekämpfen, sondern sich mit ihnen arrangiert haben.“
„Das Problem ist, dass die Höckes inzwischen Ihre Partei dominieren“, sagte Wagenknecht. Mit Blick auf mögliche gemeinsame Regierungskoalitionen in Ländern und im Bund zeigte sie sich daher skeptisch. „Ich will nicht, dass ein solcher Mann in diesem Land Macht bekommt“, sagte Wagenknecht. „Ich schließe eine Koalition mit Leuten, die im Neonazi-Sumpf verankert sind, natürlich aus.“ Eine solche Koalition wäre für Deutschland „nicht ein Gewinn, sondern eine Bedrohung“.
Die designierte AfD-Kanzlerkandidatin Weidel wies die Vorhaltungen zurück, sprach aber nicht über Höcke, sondern machte wiederum Wagenknecht Vorwürfe wegen ihrer politischen Vergangenheit. Diese sei zunächst in der SED, später in der PDS, der Linkspartei und nun im BSW aktiv. Wagenknecht habe kommunistische Thesen vertreten und den Stalinismus verherrlicht.
Dem BSW hielt Weidel vor, sich nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland den etablierten Parteien anzunähern. „Die Menschen in diesem Land wollen einen politischen Wandel haben. Der kann aber nicht vonstatten gehen, weil das BSW als Steigbügelhalter fungiert“, sagte Weidel. Sie fügte in Richtung Wagenknecht hinzu: „Mit Ihnen wird kein politischer Wandel möglich sein.“
Nach den Wahlerfolgen für AfD und BSW im Thüringen, Sachsen und Brandenburg und ein Jahr vor der Bundestagswahl wird in beiden Parteien über mögliche Machtoptionen diskutiert. Der AfD fehlen aber trotz hoher Umfragewerte nach jetzigem Stand die potenziellen Regierungspartner. Alle anderen Parteien schlossen Koalitionen mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften Partei aus. Weidel hatte die sogenannte Brandmauer wiederholt als undemokratisch bezeichnet.
Die beiden Parteichefinnen stritten am Mittwoch neben möglichen Koalitionsoptionen auch über konkrete Politikfelder. Wagenknecht warf Weidel und der AfD etwa vor, in der Migrationspolitik Ressentiments zu schüren. „Die Art und Weise, wie in Ihrer Partei darüber diskutiert wird, wo von millionenfacher Remigration gesprochen wird – da wird mir übel“, sagte die BSW-Chefin. „Ich finde es unverantwortlich, Menschen, die hier in Deutschland angekommen sind, jetzt Angst zu machen, dass sie irgendwann abgeschoben werden.“
Weidel wies den Vorwurf, Ressentiments zu schüren, zurück. Bei der Migration müsse aber wieder die Rechtsstaatlichkeit gelten. Das bedeute, dass etwa auch Syrer, die in den vergangenen Jahren eingewandert seien, „irgendwann wieder zurück“ müssen. Deutschland müsse dagegen für qualifizierte Fachkräfte attraktiver werden.
Streit zwischen beiden Politikerinnen gab es zudem bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Weidel mahnte die Einhaltung der Schuldenbremse an, lehnte eine höhere Erbschaftssteuer ab und sprach sich „gegen jegliche Staatsintervention und planwirtschaftliche Elemente“ aus. Wagenknecht plädierte dagegen für staatliche Kreditaufnahmen. Damit solle etwa die marode Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur saniert werden, die „seit vielen Jahren auf Verschleiß gefahren“ werde.
Weitgehender Konsens herrschte zwischen Weidel und Wagenknecht in der Ukraine-Politik. Beide sprachen sich erneut gegen Waffenlieferungen an das Land aus und forderten Friedensverhandlungen unter Einbeziehung Russlands. „Vieles, was Sie zur Ukraine gesagt haben, unterschreibe ich“, sagte Wagenknecht in Richtung Weidel – die warf ihrer Mitdiskutantin aber vor, auf diesem Feld „AfD-Positionen“ zu vertreten.