Keller überflutet, Straßen aufgerissen, Autos zusammengeschoben wie Spielzeug: Teile Baden-Württembergs stehen seit Tagen unter Wasser. Es gibt zwar Hoffnung, aber für zwei Menschen kommt sie zu spät.
Nach all den Tagen voller dramatischer Bilder von vollgelaufenen Kellern, verschlammten Straßen, demolierten Autos und schlackig-braunen Wasserteppichen bringen Rettungskräfte die meisten Hochwassergebiete im Südwesten langsam wieder unter ihre Kontrolle. Doch mindestens zwei Menschen haben die Wassermassen der vergangenen Tage nicht überlebt. Ihre Leichen wurden am Montag in Schorndorf im Rems-Murr-Kreis bei Abpumparbeiten in einem Haus entdeckt. Zuvor waren auch bereits in Bayern zwei Tote geborgen worden.
Unterdessen stabilisiert sich die Situation an den Wasserläufen vor allem rund um die Landeshauptstadt langsam. Kleine Bäche schossen zwar auch am Montag vor allem rund um Stuttgart als reißende Ströme durch den einen oder anderen Ort. Doch konnten die Behörden abgesehen von Oberschwaben und dem Allgäu im Verlauf des Tages zunehmend Hoffnung machen. Warnungen wurden zurückgenommen, Hunderte von Menschen kehrten in ihre Häuser zurück. Ausgestanden haben sie die Lage aber noch nicht: Denn wenn das Wasser geht, bleiben vor allem Schlamm, immense Schäden und viel Arbeit.
Innenminister Strobl: „Auf die Zähne beißen“
Nach tagelangen schweren Regenfällen und Überflutungen hatte die Hochwasserlage auch am Montag zunächst noch weite Teile der Region rund um Stuttgart sowie in Oberschwaben und im Allgäu fest im Griff. Vor allem an Rems und Murr sowie im Ostalbkreis verschärfte sich die Lage, bis die Behörden im Laufe des Tages Entwarnung gaben. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) bezeichnete die Hochwasserlage im Land als „angespannt statisch“. Bei einem Besuch in Meckenbeuren (Bodenseekreis), das besonders betroffen war, sagte er: „Wir müssen noch weiter auf die Zähne beißen und durchhalten.“
Am Abend wollte Strobl sich auch noch in Ebersbach an der Fils ein Bild von der aktuellen Lage machen und mit Einsatzkräften sprechen. Auch hier Ebersbach hatte es laut dem Innenministerium massive Überflutungen gegeben.
Nach Worten von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann müssen sich die Menschen im Südwesten auf immer häufigere Hochwasserlagen einstellen. „Wir müssen damit rechnen, dass wir so was häufiger bekommen“, sagte der Grünen-Politiker beim Besuch in Meckenbeuren. Das sei schlicht ein Ergebnis des Klimawandels. Verglichen mit Bayern sei Baden-Württemberg diesmal mit einem blauen Auge davongekommen.
Entwarnungen an Rems und Murr
Trotz der beiden gefundenen Toten – laut Polizeipräsidium Aalen ein Mann und eine Frau – gab es unter anderem im Rems-Murr-Kreis viele Entwarnungen. Die integrierte Leitstelle teilte mit, Rückhaltebecken würden langsam und kontrolliert abgelassen. In der Nacht hatte der Landkreis nach extremem Starkregen noch einen sogenannten Katastrophen-Voralarm ausgelöst. Durch diese Vorstufe des Katastrophenalarms kann der Einsatz ebenso wie die Freistellung von Helferinnen und Helfern des Katastrophenschutzes sichergestellt werden.
„Es liegen zwei dramatische Tage hinter uns mit Hochwasser- und Starkregen-Ereignissen, die zu Schaden im Landkreis geführt haben“, sagte Landrat Richard Sigel. Er spricht von verheerenden Schäden. Wegen der Aufräumarbeiten bleibe der Voralarm bestehen.
Auch für die zuvor besonders stark vom Hochwasser gebeutelte Gemeinde Rudersberg gab es Entwarnung. Dort hatte der Starkregen Schäden angerichtet. Auf Fotos waren Schlammmassen, verzweifelte Anwohner in Gummistiefeln und tonnenschwere Autos zu sehen, die wie Spielzeug weggetrieben wurden. Mehrere landeten auf Bahngleisen, eines auf einem Brunnen. Auf verschlammten Straßen lag aus Häusern weggespülter Hausrat.
Der Schorndorfer Oberbürgermeister Bernd Hornikel erinnert sich an dramatische Szenen der Hochwassernacht in seiner Gegend. Die Wasserfluten seien so schnell über die Region hereingebrochen, dass sich Feuerwehrleute selbst hätten retten müssen, berichtete er in Rudersberg. Alle sieben Abteilungen der Feuerwehr seien in die Gemeinde aufgebrochen, aber nur ein Fahrzeug sei dort angekommen, alle anderen seien auf dem Weg in den Wassermassen steckengeblieben. Die Kameradinnen und Kameraden hätten sich auf das Fahrzeugdach flüchten müssen, um von dort selbst gerettet zu werden.
Lärmschutzwand hält Wassermassen nicht stand
In Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen) südöstlich von Stuttgart sprengten die Wassermassen eine Lärmschutzwand an der B10 und überfluteten die Fahrbahnen. Auch im Ostalbkreis spitzte sich die Hochwasserlage am Morgen zunächst zu. Wegen vorhergesagter Überflutungen waren in der Nacht vorsorglich Menschen in Teilen der Gemeinden Leinzell, Heuchlingen und Göggingen aus ihren Häusern gebracht worden, wie eine Sprecherin des Krisenstabs mitteilte. Die Gemeinde Täferrot wurde zeitweise ebenfalls evakuiert. Später stufte der Krisenstab die Hochwasserlage von einem sogenannten Extremhochwasser- zu einem Jahrhunderthochwasser-Ereignis zurück. Entwarnung gebe es zwar nicht. „Aber es ist ein deutliches Signal der Verbesserung“, sagte die Sprecherin.
Ähnlich klang es im benachbarten Landkreis Ludwigsburg, wo die Behörden anfangs noch einen weiteren Anstieg des Wasserstands von Rems und Murr erwartet hatten. „Die Pegelstände sinken“, hieß es dagegen später beim Landratsamt. Zuvor waren zwei Pflegeheime in Steinheim an der Murr evakuiert worden.
In Esslingen am Neckar verhinderte ein provisorischer Damm eine Überflutung von Teilen der Altstadt. Vor dem sogenannten Wasserhaus an einem Kanal wurden den Angaben zufolge in der Nacht und am Montagvormittag knapp 1500 Tonnen Stein und Sand aufgeschüttet. Der Damm sei dicht, teilte die Stadt mit.
Bahnverkehr teilweise unterbrochen
Im Bahnverkehr kommt es ebenfalls weiter zu Einschränkungen und Zugausfällen. Züge konnten unter anderem München aus Richtung Stuttgart nicht anfahren. Aus Richtung Mannheim oder Frankfurt endeten Fernverkehrszüge deswegen in Stuttgart, sagte eine Bahnsprecherin. Man rate von Reisen in die betroffenen Hochwassergebiete in Bayern und Baden-Württemberg ab und empfehle, nicht notwendige Reisen zu verschieben, so die Sprecherin. Fahrgäste müssten zudem damit rechnen, dass die noch fahrenden Zügen sehr stark ausgelastet seien.
Regenmassen nur noch in Oberschwaben und Allgäu
Und noch ein kleiner Hoffnungsschimmer: Während die Meteorologen vor allem in Oberschwaben weiter längere Regenfälle und im Allgäu Unwetter oder Gewitter erwarten, setzt sich nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in den übrigen Regionen Baden-Württembergs zunehmend auch mal die Sonne durch. „Es bleibt sonst meist trocken, im Tagesverlauf auch mit Sonne“, sagte ein DWD-Experte am Montag. Das gelte auch für die zuletzt vom Hochwasser besonders stark betroffenen Regionen rund um Stuttgart.