Zwei Tote, das ist bislang die traurige Bilanz des Hochwassers im Süden. Olaf Scholz macht sich heute selbst ein Bild der Lage. Für Entwarnung in den Flutgebieten ist es noch zu früh.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in Oberbayern ein Bild von den dramatischen Überschwemmungen gemacht. Die Lage im Süden ist zum Wochenbeginn weiter dynamisch und teils unübersichtlich. Viele kleine Gemeinden sind betroffen, Tausende Helfer im Einsatz. Unweit vom Ort des Kanzlerbesuchs entdeckten Rettungskräfte am Montag eine weitere Leiche. Die 43-Jährige ist das zweite bekannte Opfer der Fluten – ein Feuerwehrmann wird weiter vermisst.
Zwei Tote in Bayern geborgen
Im oberbayerischen Schrobenhausen wurde die Leiche der Frau im Keller eines Hauses entdeckt. Es handele sich um die vermisste 43-Jährige, nach der seit Sonntag gesucht worden war, sagte ein Polizeisprecher am Montag. Zuvor hatten der „Donaukurier“ und „Bild“ berichtet.
Am Sonntagmorgen war in Pfaffenhofen an der Ilm bereits ein Feuerwehrmann tot geborgen worden, der bei einer Rettungsaktion ums Leben kam. Der Mann war bei einem Einsatz mit drei Kollegen mit dem Schlauchboot gekentert. Ein Feuerwehrmann in Offingen wird weiter vermisst.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht die Gefahr im Freistaat noch nicht gebannt. „Es geht zwar etwas zurück, aber eine Totalentwarnung kann man nicht geben“, sagte er am Montag im Deutschlandfunk. Selbst wenn es aufhöre zu regnen, würden durch die Zuläufe die Pegelstände der größeren Flüsse noch steigen, sagte er. Mittlerweile hat etwa Regensburg an der Donau den Katastrophenfall ausgerufen.
In Deggendorf in Niederbayern wurde außerdem ein Passagierschiff evakuiert. Mehr als 140 Menschen würden seit den Mittagsstunden vom Schiff gebracht, sagte eine Sprecherin des Landratsamts am Montag.
Scholz und Faeser besuchen das Flutgebiet
Bei seinem Besuch in Bayern sicherte Bundeskanzler Scholz den Betroffenen seine Solidarität zu. Solidarität sei das, „was wir als Menschen am meisten brauchen“, sagte er. „Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schneller weiter geholfen werden kann.“
Gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war Scholz in Reichertshofen. Sie sei beeindruckt, wie gut die Rettungskräfte zusammenarbeiten, sagte Faeser. Ihr Eindruck sei, „dass nach dem Ahrtal auch die Lehren daraus gezogen wurden, dass das viel besser funktioniert in der Koordinierung, in der Zusammenarbeit“.
Sie zeigte sich beeindruckt von dem Zusammenhalt in der Region und betonte die große Bedeutung des Ehrenamtes. Der im Einsatz gestorbene Feuerwehrmann habe „unter Einsatz seines Lebens andere Menschenleben gerettet“. „Was Menschen im Ehrenamt auf sich nehmen, um andere zu retten, ist unfassbar großartig.“ Das Ehrenamt werde viel zu wenig gewürdigt. Sie sprach den Angehörigen des Mannes ihr „tief empfundenes Beileid“ aus.
Keine Entwarnung, aber Hoffnung in Baden-Württemberg
Auch am Montag hatte die Hochwasserlage weite Teile der Region rund um Stuttgart sowie in Oberschwaben und im Allgäu fest im Griff. Während die Rettungskräfte dort nach wie vor unermüdlich im Einsatz gegen die Wassermassen waren, gab es an anderen Flussläufen leichte Zeichen der Entspannung.
Nach weiteren Regenfällen in der Nacht hatte sich die Lage vor allem an Rems und Murr, im Ostalbkreis und dem Kreis Göppingen sowie in Oberschwaben zunächst noch verschärft. Vorsorglich wurden Menschen in Teilen der Gemeinden Leinzell, Heuchlingen und Göggingen aus ihren Häusern gebracht, wie eine Sprecherin des Krisenstabs mitteilte. Die Gemeinde Täferrot wurde zeitweise ebenfalls evakuiert.
Später stufte der Krisenstab die Hochwasserlage zurück. Ein Großteil der Menschen konnte in die Häuser zurückkehren. Entwarnung gebe es nicht. „Aber es ist ein deutliches Signal der Verbesserung“, sagte die Sprecherin.
Entspannung gab es auch im gesamten Rems-Murr-Kreis: Die Integrierte Leitstelle Rems-Murr teilte mit, die Warnung vor Hochwasser sei aufgehoben. Auch vorsorglich angeordnete Evakuierungen würden aufgehoben. Rückhaltebecken würden langsam und kontrolliert abgelassen.
Auswirkungen auf Schulen und Verkehr
Viele Schulen in besonders betroffenen Regionen beider Bundesländer hatten den Präsenzunterricht für Montag abgesagt, auch Kitas oder Förderzentren sollten zu bleiben. Für jüngere Schulkinder werde teils Notbetreuungen eingerichtet.
Die Unwetterschäden beeinträchtigten auch den Verkehr. Die Deutsche Bahn rät weiterhin von Fahrten nach Süddeutschland ab. Bei den Fernverkehrsverbindungen kommt es zu Zugausfällen, vor allem München kann von Stuttgart, Würzburg und Nürnberg aus nicht angefahren werden, wie die Bahn am Montag mitteilte.
Nach einem Dammbruch in Oberbayern wurde am Montag die teilweise gesperrte Autobahn 9 wieder für den Verkehr freigegeben. In Richtung München sei aber eine Art Blockabfertigung eingerichtet worden, sagte ein Polizeisprecher am frühen Nachmittag.
Wie geht es weiter?
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet im Südwesten zum Wochenbeginn gebietsweise Dauerregen und Unwetter. Südlich der Schwäbischen Alb könnten bis zum Abend Wassermengen von 30 bis 40 Liter pro Quadratmeter niedergehen. In Oberschwaben, am Bodensee und Allgäu seien starke Gewitter mit Starkregen möglich. Vereinzelt könne auch Hagel fallen.
Südlich der Donau und im Bayerischen Wald erwartet der Deutsche Wetterdienst am Montag ebenfalls wieder Schauer und schauerartigen Regen, im weiteren Tagesverlauf teils schwere Gewitter. Auch heftiger Starkregen sei möglich.
Mit dem Regen ist es also noch nicht vorbei – aber zumindest zur Wochenmitte dürfte es den Prognosen zufolge im Süden etwas entspannter werden.
„Zeitenwende“ im Bevölkerungsschutz gefordert
Auf die Frage, ob die aktuellen Überflutungen auf den Klimawandel zurückzuführen sind, sagte Stefan Rahmstorf, Klimaforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dem „Spiegel“: „Über einzelne Wetterereignisse kann man das fast nie sagen. Doch unbestritten ist: Starkregen wird durch die Klimaerwärmung häufiger und intensiver.“
Die „Aufgabe, den Menschengemachten Klimawandel aufzuhalten“, dürfe nicht vernachlässigt werden, sagte auch Kanzler Scholz in Bayern. „Auch das ist eine Mahnung, die aus diesem Ereignis und dieser Katastrophe mitgenommen werden muss.“
Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und CSU-Politikerin, verlangte in der „Augsburger Allgemeinen“, mehr in den Katastrophenschutz zu investieren. „Es braucht deshalb eine Zeitenwende, insbesondere, was die nachhaltige und zukunftsgerichtete Finanzierung des Bevölkerungsschutzes angeht.“
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nimmt bei seiner Forderung nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden auch den Bundeskanzler in die Pflicht. „Ich habe die klare Erwartung, dass Olaf Scholz jetzt zu seinem Wort steht und eine Pflichtversicherung für Elementarschäden einführen wird“, sagte Wüst am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Die Länderchefs wollen am 20. Juni mit Scholz darüber beraten.