In Koblenz wird seit fast eineinhalb Jahren gegen mutmaßliche Terroristen verhandelt. Eine Angeklagte hat dabei immer wieder für Unterbrechungen und Diskussionen gesorgt. Nun spricht ein Gutachter.
Im Prozess gegen eine mutmaßliche Terrorgruppe mit Umsturzplänen ist die Angeklagte nach Ansicht eines Sachverständigen schuldfähig. Es liege keine psychische Erkrankung vor, sagte der Experte in seinem Gutachten vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Trotz aller Auffälligkeiten im Verhalten der 77-Jährigen liege im diagnostischen Sinne keine Wahnerkrankung vor.
Die Frau hatte an mehreren Verhandlungstagen „Reichsbürger“-Ideologien und Verschwörungstheorien verbreitet. Sogenannte Reichsbürger sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der ehemals in Mainz unterrichtenden Lehrerin war aufgrund ihres „Reichsbürger“-Gedankenguts das Ruhegehalt aberkannt worden. Die 77-Jährige gilt laut Anklage als die politische Vordenkerin der Gruppe namens „Vereinte Patrioten“.
Gutachter: Wacher und aufmerksamer Eindruck
Die Angeklagte werde nicht müde, immer wieder ihre Meinungen und deren Herleitungen vorzutragen, sagte der Sachverständige am Dienstag. Sie unternehme immer wieder den Versuch, andere Personen von ihrer Meinung zu überzeugen. Der Experte hatte mehrere Verhandlungstage begleitet. Ein Gespräch mit ihm hatte die Angeklagte allerdings abgelehnt.
Die 77-Jährige mache einen „wachen, aufmerksamen und tief beteiligten Eindruck“, sagte der Sachverständige. Sie habe immer wieder Stellungnahmen abgegeben, auf aktuelle Beweismittel und Zeugenaussagen reagiert. Sie sei immer recht sachlich gewesen und habe keine besonderen Gefühlsregungen oder Auffälligkeiten gezeigt.
Zäsur im Leben der Angeklagten?
Im Lebenslauf der Frau habe es einen Wandel gegeben, sagte der Sachverständige. Das sei ungefähr in dem Zeitraum geschehen, als sie 2006 wegen andauernder Berufsunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sei. „Das scheint eine bedeutsame Zäsur in ihrem Lebensweg gewesen zu sein“, sagte der Sachverständige. Zuvor habe sie unter anderem promoviert, habilitiert und als Religionslehrerin gearbeitet. Hinweise auf Gründe oder Auslöser für diesen Wandel habe er allerdings keine gefunden.
Entführung, Anschläge und Versammlung geplant
In dem Prozess vor dem Oberlandesgericht müssen sich seit Mai 2023 vier Männer im Alter von 45 bis 57 Jahren und die 77-Jährige verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, eine inländische terroristische Vereinigung gegründet zu haben oder darin Mitglied gewesen zu sein. Laut Anklage wollte die Gruppe die Regierung stürzen und in Deutschland Chaos schüren. Zunächst sollte demnach mit Sprengstoffanschlägen die Stromversorgung zerstört werden – die Aktion trug den Namen „Silent Night“. Anschließend sollte in einer Aktion mit dem Namen „Klabautermann“ Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aus einer Talkshow entführt werden. Seine Personenschützer sollten „ausgeschaltet“ werden.
Bei einer „konstituierenden Versammlung“ in Berlin sei schließlich geplant gewesen, die Regierung abzusetzen und neue Führungspersonen zu bestimmen. Dazu sollte laut Plan auch ein Schauspieler als Bundespräsident oder Bundeskanzler im Fernsehen auftreten und die Absetzung der Bundesregierung bekanntgeben. Die Bundesanwaltschaft wirft den Angeklagten eine Reihe von Treffen, Chats und Telefonaten vor, bei denen sie ihre Vorhaben besprochen haben sollen.