Der tunesische Präsident Kais Saied ist bei der Wahl am Sonntag laut Nachwahlbefragungen mit haushoher Mehrheit im Amt bestätigt worden. Die Befragungen von Wählerinnen und Wählern beim Verlassen der Wahllokale ergaben eine Mehrheit von 89,2 Prozent für den seit fünf Jahren amtierenden Staatschef, wie das nationale Fernsehen am Abend meldete.
Der seit Jahren zunehmend autoritär herrschende Saied hatte bei dem Urnengang keinen gewichtigen Konkurrenten, deswegen galt die Wiederwahl des 66-Jährigen von vornherein als ausgemacht.
Laut den Nachwahlbefragungen des Instituts Sigma Conseil erreichten Saieds einzige beide Konkurrenten bei der Wahl nur einstimmige Ergebnisse: Der liberale Industrielle Ayachi Zemmal kam demnach auf 6,9 Prozent der Stimmen, der frühere Abgeordnete Zouhair Maghzaoui holte 3,9 Prozent. Die wichtigsten tunesischen Oppositionellen sind entweder in Haft oder die Wahlbehörde untersagte ihnen die Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl.
Das vorläufige offizielle Ergebnis der Wahl soll nach Angaben der Wahlbehörde „spätestens“ am Mittwoch veröffentlicht werden. Die Beteiligung an dem Urnengang war schwach. Nach Angaben der Wahlbehörde gaben nur 27,7 Prozent der 9,7 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimmen ab.
Dies ist die niedrigste Beteiligung bei einer Präsidentschaftswahl in dem nordafrikanischen Land seit der dortigen Revolution im Jahr 2011. Damals war der Langzeitherrscher Zine El Abidine Ben Ali nach Massenprotesten gestürzt worden. Tunesien gilt deswegen als Geburtsland des „Arabischen Frühlings“.
Saied war 2019 mit der Mehrheit von 73 Prozent erstmals ins Amt gewählt worden. Die damalige Wahl verlief demokratisch. Seither hat sich Saied jedoch zu einem zunehmend autoritären Herrscher entwickelt. 2021 löste er das Parlament auf, ein Jahr später setzte er den Obersten Richterrat ab und besetzte die Leitung der Wahlbehörde nach seinen Vorstellungen.
Im Sommer 2022 ließ Saied dann in einem Referendum über eine Verfassungsänderung abstimmen, die ihm praktisch die Rolle des Alleinherrschers sicherte. Ab Februar 2023 wurden Politiker und Geschäftsleute festgenommen, die sich gegen den Staatschef gestellt hatten, 2024 folgten die Festnahmen bekannter Gewerkschafter, Bürgerrechtsaktivisten und Journalisten.