Mehr als 80 Insassen des Gefängnisses in Ravensburg haben einen Brief unterschrieben, in dem heftige Vorwürfe gegen die Mitarbeiter und Ärzte erhoben werden. Das Justizministerium prüft diese.
Ein handschriftlich verfasstes Schreiben von Insassen beschreibt massive Missstände im Gefängnis Ravensburg. Dabei geht es vor allem um den Umgang der Bewacher und Betreuer mit den Strafgefangenen. Demnach sind Beschimpfungen der Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hinzistobel durch das Personal an der Tagesordnung.
Die Kritik reicht von angeblichen Schikanen wie dem Verbot, ein Vesper in die Arbeit mitzunehmen, bis zu „massivem psychischem Druck“, der auf Insassen ausgeübt werde. In der Vollzugsanstalt arbeite „rechtsradikales und drogenabhängiges Personal“, das Beschimpfungen ablasse wie „Dreckskanaken“. Beschwerdeschreiben an das zuständige Justizministerium würden vernichtet. Zuerst hatte die „Südwest Presse“ (SWP) über den Brief berichtet, der nun auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Er wurde laut SWP von mehr als 80 Gefangenen unterschrieben.
Vorwürfe der Gefangenen
Die Gefangenen bemängelten in dem Schreiben vor allem eine unzureichende medizinische Versorgung. „Wo an anderen Stellen das Geld verprasst wird, wird genau hier gespart. Mit zum Teil fatalen Folgen.“ So sei ein Gefangener, der unter einer Infektion im Fuß gelitten habe, gestorben. Er hätte in die Notfallambulanz gefahren werden müssen. „Doch stattdessen wurde der Insasse einfach in seinen Haftraum gesperrt und ist noch in der gleichen Nacht gestorben“, heißt es in dem Brief.
Ein weiterer junger Insasse habe sich das Leben genommen, weil er dem „massiven psychischen Leidensdruck“ nicht mehr habe standhalten können und unter Depressionen gelitten habe. Die Selbstverletzungsquote im Haus sei sehr hoch.
Auch die psychologische Betreuung sei mangelhaft, schreiben die Gefangenen. Eine Tat- und Persönlichkeitsaufarbeitung sei nicht möglich, da Psychologen kaum noch erschienen. Man könne froh sein, wenn man diese alle acht Wochen sehe.
Justizministerium prüft die Vorwürfe
Das Justizministerium sagte auf Anfrage, den Vorwürfen werde nachgegangen. „Falls notwendig, würden die erforderlichen Maßnahmen der Dienst- oder Fachaufsicht ergriffen“, sagte ein Ministeriumssprecher. Eine statistische Erhebung zur Zahl der tat- und persönlichkeitsaufarbeitenden Behandlungen gebe es nicht. „Anhaltspunkte für nachteilige Abweichungen in Bezug auf die Justizvollzugsanstalt Ravensburg im Vergleich zu anderen Justizvollzugsanstalten des Landes liegen der Aufsichtsbehörde im Rahmen der Fachaufsicht nicht vor.“
Die Gefängnisse seien verpflichtet, über natürliche oder nicht natürliche Todesfälle in einer Anstalt zu informieren. Die Maßnahmen zur Suizidprävention würden kontinuierlich weiterentwickelt. „Ergeben sich während des Vollzugs Anhaltspunkte für eine Selbstschädigungs- oder Suizidgefahr, ist jeder Bedienstete gehalten, unverzüglich den ärztlichen und/oder den psychologischen Dienst der Anstalt zu benachrichtigen“, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums.
Suizide lassen sich kaum verhindern
Suizide ließen sich trotz vorbeugender Maßnahmen kaum vollständig verhindern. Die Grundrechte setzten der Überwachung und anderen Präventionsmaßnahmen Grenzen. Um dem erhöhten Suizidrisiko in den ersten Tagen nach der Inhaftierung besser zu begegnen, sei im Jahr 2022 ein kriminologisch begleitetes Screeningverfahren zur Erfassung suizidaler Risikofaktoren bei Haftantritt von Gefangenen umgesetzt worden. Wenn Suizide vorkämen, würden in den betroffenen Anstalten alsbald Nachsorgekonferenzen organisiert. Einflussfaktoren würden analysiert und für die Zukunft Veränderungen eingeleitet.
Die JVA Hinzistobel hat dem Ministerium zufolge seit der Erweiterung im vergangenen Jahr Platz für 389 Häftlinge. Derzeit sei sie mit 409 Gefangenen überbelegt. Hintergrund der Überbelegung seien im Juni in der JVA Adelsheim kurzfristig erforderlich gewordene Baumaßnahmen, die jedoch bald abgeschlossen sein sollen.
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten, Michael Schwarz, sagte, in der Angelegenheit sei Augenmaß gefordert. „Die Tatvorwürfe mit rechtsradikalen Äußerungen und Drogen sind mir so zu pauschal. 98 Prozent der Kollegen arbeiten nach Recht und Gesetz und sind pflichtbewusst“, sagte Schwarz.