Personalisierte Werbung: EuGH urteilt über Facebooks Datenverarbeitung

Das höchste europäische Gericht nimmt Metas Datensammelei unter die Lupe – und könnte die Daumenschrauben ordentlich anziehen. Wackelt nun das Geschäft mit der personalisierten Werbung?

Das höchste Gericht der EU entscheidet heute über Fragen zur Datenverarbeitung durch Facebooks Mutterkonzern Meta. Der Kläger ist kein Unbekannter: Der Datenschutzaktivist Maximilian Schrems hatte in der Vergangenheit in seinen Auseinandersetzungen mit Facebook zwei spektakuläre Erfolge vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erzielt, die den gesamten Datenaustausch zwischen den USA und der Europäischen Union betrafen. Nun nimmt er erneut den Tech-Giganten ins Visier.

Worüber entscheidet der EuGH genau?

Der aktuelle Fall betrifft mehrere mutmaßliche Verstöße Metas gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Einige Fragen hatte der EuGH bereits in früheren Verfahren beantwortet und dabei etwa die Wettbewerbsaufsicht der Kartellbehörden gegenüber Meta gestärkt. Zu dem Konzern gehören auch die Dienste Instagram und Whatsapp.

Schrems rügt nun, dass Meta sich nicht an den Grundsatz der „Datenminimierung“ aus der DSGVO halte und einfach das gesamte Online-Verhalten speichere, anstatt die Verarbeitung auf das notwendige Maß zu beschränken. Ein weiterer Aspekt seiner Klage ist die Verarbeitung von sensiblen Daten wie etwa der sexuellen Orientierung. Für diese Daten gilt in der DSGVO ein besonderer Schutz, sie dürfen nur in bestimmten Ausnahmefällen verwendet werden. Eine solche Ausnahme besteht etwa, wenn die Information bereits zuvor öffentlich gemacht wurde. Diese Frage stellte sich im vorliegenden Fall, da Schrems auf einer Podiumsdiskussion über seine Homosexualität gesprochen und diese damit womöglich derart öffentlich gemacht hatte, dass eine Nutzung durch Facebook für personalisierte Werbung gerechtfertigt sein könnte. 

Knackpunkt sind nun also vor allem zwei Fragen: Dürfen alle personenbezogenen Daten ohne zeitliche Einschränkung verarbeitet werden? Und: Wann hat jemand sensible Daten derart öffentlich gemacht, dass Facebook sie für Werbung nutzen darf?

Warum ist die Klage relevant?

 Die DSGVO selbst gibt keine konkrete Frist vor, welche Daten wie lange gespeichert werden dürfen, sondern stellt nur allgemeine Grundsätze auf. Der EuGH könnte nun erstmals klarstellen, dass eine Verarbeitung von Daten für Werbung nur in engen zeitlichen und inhaltlichen Grenzen zulässig ist, erklärt Datenschutz-Rechtler Daniel Rücker von der Kanzlei Noerr. Entscheidend sei außerdem, inwiefern der EuGH den Schutz der besonders sensiblen Daten betonen werde: „Denn das gilt dann nicht nur für die sexuelle Orientierung, sondern zum Beispiel auch für religiöse Überzeugungen oder politische Meinungsäußerungen auf Facebook“, so Rücker.

Welche Auswirkungen hätte es, wenn Facebook verliert?

„Online-Daten hätten dann auch für Werbung ein „Ablaufdatum“ und selbst bei einer Einwilligung dürften nur bestimmte Daten genutzt werden“, teilte Schrems über seine Organisation noyb mit. Meta und die Werbeindustrie müssten demzufolge einen guten Teil aller Online-Tracking-Daten löschen. Laut dem Digitalverband Bitkom könnte das Urteil „erhebliche Konsequenzen“ für die gesamte Digitalwirtschaft haben.

Datenschutz-Rechtler Rücker geht zwar nicht davon aus, dass damit Facebooks Geschäftsmodell wackelt, aber: „Jeder, der mit targeted advertising, also zielgruppenspezifischer Werbung arbeitet, ist von diesem Urteil betroffen.“ Entscheidend sei auch ein weiterer Aspekt: „Wenn gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen wurde, können Nutzer Schadenersatz verlangen.“ Im Fall von Meta könnte das weitere umfangreiche Massen- und Sammelklagen bedeuten, die für den Konzern unter Umständen problematischer sind als einzelne Bußgelder von Behörden. Rücker zufolge formiert sich bereits eine Klage-Industrie, ähnlich wie beim Diesel-Skandal.

Gibt es eine Tendenz, wie der Fall ausgehen könnte?

Ein Generalanwalt des Gerichtshofs legte vor einigen Monaten seine Empfehlung vor und gab Schrems größtenteils Recht. Er kam zu dem Schluss, dass es gegen die DSGVO verstoße, wenn jegliche Daten ohne zeitliche Einschränkung gespeichert würden. Außerdem dürften Daten zur sexuellen Orientierung nicht zwangsläufig für Werbung verarbeitet werden, nur weil sie jemand vorher bereits öffentlich gemacht habe. Die Richter folgen den Schlussanträgen oft, aber nicht immer.