Eine überparteiliche Gruppe von Abgeordneten will im Bundestag ein Verbotsverfahren gegen die AfD beantragen. Das ist eine ziemlich miserable Idee.
Gibt es in der AfD viele Rechtsextremisten? Ja. Wird die Partei mit jeder Wahl radikaler? Auch ja.
Sollte also deshalb ein Verbotsverfahren eingeleitet werden? Nein.
Für dieses Nein gibt es drei Gründe. Erstens: Das Verfahren würde scheitern, und dies zu Recht. Im Grundgesetz ist eine hohe Hürde für die – im Übrigen in Demokratien einmalige – Regelung eingebaut worden. Um verboten zu werden, muss eine Partei „mit ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet“ sein, „die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“. Selbst SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der die AfD für faschistoid hält, sieht dafür keine ausreichenden Beweise.
30: Neue Pläne für AfDVerbotsverfahren stoßen auf geteiltes Echo – 2474d1775f3091c0
Zweitens: Das Verfahren wäre politisch kontraproduktiv, zumal es sich über Jahre hinzöge. Während dieser Zeit könnte die AfD wahrheitsgetreu behaupten, dass die Konkurrenz sie ausschalten will. Ausgerechnet die AfD, deren Politiker so gerne aus den trüben Quellen der Nationalsozialisten schöpfen, könnte ihre demagogische Erzählung einer angeblich dräuenden Diktatur noch effizienter verbreiten.
Und drittens: Selbst wenn es denn zum Verbot käme, wäre es praktisch undurchführbar. Denn wie löst eine parlamentarische Demokratie eine Partei auf, die mit großen Fraktionen in nahezu allen Parlamenten sitzt? Und wie verhalten sich dann die Abermillionen Wählerinnen und Wähler, die sie gewählt haben? Die Antworten auf diese Fragen mag man sich gar nicht ausdenken. Die gesellschaftlichen Verwerfungen wären in jedem Fall enorm.
Sowieso wäre bald eine neue Partei entstanden, um die Mitglieder und Anhänger der AfD einzusammeln. Soll dann gleich das nächste Verbotsverfahren beginnen?
Der Höcke-Kurs hat sich in der Partei durchgesetzt
Dies alles bedeutet im Umkehrschluss ausdrücklich nicht, dass die AfD eine normale, demokratisch gesinnte Partei ist. Im Gegenteil. Sie ist nicht nur populistisch und autoritär wie das BSW, sondern in Teilen extremistisch. Und diese Teile werden immer größer.
Der einstige „Flügel“ um den Rechtsextremisten Björn Höcke hat sich in der AfD ideologisch durchgesetzt. Die sogenannte Remigration, also die millionenfache Abschiebung und, ja, Vertreibung von Menschen aus Deutschland, ist inzwischen offizielle AfD-Linie. Denn mit dieser Linie hat die Partei bei Wahlen Erfolg.
Doch warum ist das so? Die Debatte über diese Frage dreht sich seit Jahren im Kreis, weil in der Politik, aber zuweilen auch im wissenschaftlichen Diskurs, zu wenig differenziert wird.
Der Verfassungsschutz taugt nicht als Zeuge gegen die AfD
Ja, die extreme Kernklientel ist rassistisch, autoritär und völkisch. Und sie wächst mit der Partei.
Doch die Mehrzahl der AfD-Wählerschaft ist nicht per se extrem. Umfragen, wonach eine gute Hälfte die Ziele der Partei teilt, beweisen eben nicht automatisch, dass die Partei mehrheitlich von überzeugten Rechtsextremisten gewählt wird. Denn im Programm der AfD – und das ist übrigens der entscheidende Unterschied zur einstigen NPD – finden sich zwar radikale, aber keine verfassungsfeindlichen Forderungen.
Auch der Verfassungsschutz ist wahrlich kein guter Zeuge für ein Verbotsverfahren. Zum einen bleibt es ordnungspolitisch hochproblematisch, dass eine nachgeordnete Behörde de facto darüber befindet, ob eine Partei verfassungsfeindlich ist oder nicht. Zum anderen scheiterte das erste NPD-Verbotsverfahren bekanntlich daran, dass die Partei mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war.
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
Der AfD lässt sich allein dann juristisch begegnen, wenn ihre Vertreter, wie zuletzt Höcke, NS-Parolen benutzen oder andere Straftaten begehen. Ansonsten müssen sich die anderen Parteien politisch mit ihr auseinandersetzen.
Dazu gehört, die gemäßigte AfD-Wählerschaft ernst zu nehmen, ohne sich ihr anzubiedern. Und dazu gehört auch, sich gegenüber den Parteifunktionären abzugrenzen. Dass die AfD nicht an die Macht gelangt, obwohl sie bis zu einem Drittel der Wähler hinter sich vereint, ist nicht undemokratisch. Es ist vielmehr ein souveränes Zeichen dafür, dass sich die offene Gesellschaft vor ihren Feinden schützt.
Gleichzeitig muss aber auch ein anderes Signal gesendet werden: Die AfD würde dann als gesprächs- oder gar kooperationsfähig erachtet, wenn sie sich von ihrem besonders extremistischen Teil trennen kann.
Kommentar Thüringen Landtag11.45
Natürlich ist dies derzeit kaum vorstellbar. Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg und erst recht nach dem FPÖ-Erfolg in Österreich wird die AfD im Bundestagswahlkampf auf Eskalation setzen.
Ein Verbotsfahren würde Extremisten wie Björn Höcke und Maximilian Krah in der AfD nur stärken. Auch deshalb ist es gut, dass der Antrag im Bundestag keine Mehrheit finden dürfte. Bis dahin wird er jedoch schon genug politischen Kollateralschaden anrichten.