Politisches Beben in Österreich: Die Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen ist abgewählt. Der große Gewinner des Tages heißt FPÖ – und das Staatsoberhaupt mahnt.
Es ist der bisher größte Triumph der FPÖ. Die Rechtspopulisten haben laut Hochrechnungen erstmals eine Parlamentswahl in Österreich gewonnen. Die EU- und islamkritische Partei kann kräftig zulegen und kommt auf 28,9 Prozent der Stimmen nach 16,2 Prozent 2019, Die Rechtspopulisten rangieren deutlich vor der machtverwöhnten ÖVP (26,3 Prozent) und vor der erneut enttäuschenden sozialdemokratischen SPÖ. Die Sozialdemokraten liegen mit rund 21 Prozent erstmals nur auf Platz drei, wie aus Daten des Instituts Foresight im Auftrag des ORF hervorgeht.
FPÖ schon mehrfach Regierungspartei in Österreich
Die FPÖ war schon mehrmals an der Regierung in Wien beteiligt, allerdings bisher nur als Juniorpartner. Sollte sich der Wahlsieg für die Rechtspopulisten bestätigen – die Hochrechnung hat eine Schwankungsbreite von zwei Prozent – rückt für sie erstmals das Kanzleramt in greifbare Nähe. Um regieren zu können, brauchen die „Blauen“ jedoch einen Koalitionspartner. In Frage kommt dafür nur die ÖVP, alle anderen Parteien haben ein Bündnis mit der FPÖ ausgeschlossen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird sich persönlich engagieren, um die mögliche Zusammenarbeit von Parteien zu sondieren. Er werde demnächst mit jeder im Parlament vertretenen Partei Gespräche führen, kündigte das Staatsoberhaupt an. „Dabei werde ich versuchen, auszuloten, welche tragfähigen Kompromisse es geben könnte. Wer mit wem kann und wer was will für Österreich.“ An politischen Grundpfeilern wie dem Minderheitenschutz, Medienfreiheit und auch der EU-Mitgliedschaft sei jedenfalls nicht zu rütteln.
Der Erfolg der FPÖ hat sich abgezeichnet. Die Partei führte lange Zeit die Umfragen deutlich an. Erst in den Tagen vor der Wahl hat sich der Vorsprung zur zweitplatzierten ÖVP verringert. Bei der EU-Wahl im Juni ging sie erstmals bei einer bundesweiten Wahl als Sieger hervor. Populär sind die Freiheitlichen bei ihren Wählern vor allem wegen ihrer scharfen Kritik an der Asylpolitik in Österreich und in Europa.
Rechte Parteien in Europa im Aufwind
Mit ihrem Erfolg reiht sich die FPÖ zu anderen Rechtsaußen-Parteien in Europa ein, die derzeit generell im Aufwind sind. In den Niederlanden wurde im Herbst 2023 die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders stärkste Kraft. In Italien regiert seit 2022 Giorgia Meloni von der rechten Partei Fratelli d’Italia. In Deutschland kann die AfD in einigen Bundesländern stark zulegen und ist laut Umfragen zweitstärkste Kraft hinter der Union.
Freundschaft Meloni-Musk 15:16
In Österreich gibt es – anders als in Deutschland gegen die AfD – keine sogenannte Brandmauer. Die FPÖ, die in den 50er Jahren von ehemaligen Mitgliedern der nationalsozialistischen NSDAP gegründet wurde, zählt bereits seit Jahrzehnten zur politischen Landschaft in Österreich. Die Partei sitzt in mehreren Landesregierungen und regierte auf Bundesebene mehrfach mit – zuletzt mit der ÖVP bis Mitte 2019.
Tabubrecher Kickl
Der frühere Innenminister Kickl hatte die FPÖ-Führung nach dem „Ibizagate“-Korruptionsskandal seiner Partei 2021 übernommen. Mit Verschwörungserzählungen über die Corona-Schutzmaßnahmen, feindlichen Parolen gegen Migranten und scharfer Kritik an der Unterstützung der Ukraine angesichts des russischen Angriffskriegs brachte er der FPÖ Zulauf
Kickl machte zudem mit gezielten Tabubrüchen von sich reden. So nennt er eine „Remigration“ als eines seiner politischen Ziele, bei der Österreicher mit nicht-europäischen Wurzeln, deren Integration als unzureichend eingestuft wird, ausgewiesen werden sollen. Außerdem wiederholt der FPÖ-Chef ungeniert, dass er „Volkskanzler“ werden wolle. Diesen Titel hatte während der NS-Herrschaft auch Adolf Hitler für sich gewählt.
Der Artikel wurde mehrfach aktualisiert, d.Red.