Im Saarland fällt enorm viel Regen, Polizei und Feuerwehr sind im Dauereinsatz. Das Ausmaß der Schäden wird wohl erst am Tag danach sichtbar. Kanzler Scholz reist heute in das betroffene Gebiet.
Ein Bundesland im Ausnahmezustand: Nach Dauerregen und Hochwasser will sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag gemeinsam mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (beide SPD) im Saarland ein Bild von der Situation machen. Unterdessen dürften nach Tagesanbruch die großen Aufräumarbeiten anlaufen. Heftiger Dauerregen hatte in dem kleinen Bundesland im Westen Deutschlands am Freitag Überflutungen und Erdrutsche verursacht. Über Verletzte war zunächst nichts bekannt.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hob am frühen Samstagmorgen alle Unwetterwarnungen in Deutschland auf. Somit lagen im Saarland und auch in Rheinland-Pfalz keine Warnungen vor „extrem ergiebigem Dauerregen“ mehr vor, wie der DWD mitteilte.
Das genaue Ausmaß der Schäden dürfte wohl erst mit Tageslicht sichtbar werden. Am Freitag und auch noch in der Nacht zum Samstag kämpfte fast das ganze Bundesland mit den Wassermassen. Auf Videos waren zur Hälfte überschwemmte Autos, im Hochwasser feststeckende Wohnwagen und zahlreiche überflutete Straßen zu sehen. Gebäude wurden notdürftig mit Sandsäcken geschützt, teilweise stehen ganze Straßenzüge unter Wasser. Das Lagezentrum in Saarbrücken registrierte bislang mehr als 3000 Polizei- und Rettungseinsätze im gesamten Bundesland. Die Zahlen stammen vom frühen Samstagmorgen, wie eine Sprecherin des Lagezentrums in Saarbrücken sagte.
In der Altstadt des saarländischen Ottweiler musste in der Nacht zum Samstag vorsorglich der Strom abgeschaltet werden, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagte. „Wir haben hier eine Großschadenslage“, sagte der Landrat des Landkreises Neunkirchen, Sören Meng, in einem Video auf Facebook. „Die Folgen für den Landkreis sind sehr groß. Es sind fast alle Städte und Gemeinden betroffen.“ In Rußhütte, einem Stadtteil der Landeshauptstadt Saarbrücken, wurden die Menschen mit Amphibienfahrzeugen und Booten evakuiert. Ein Straßenzug sei hier besonders betroffen gewesen, sagte der Sprecher des Innenministeriums.
Wegen des Unwetters meldete die Deutsche Bahn massive Beeinträchtigungen und Ausfälle im Zug- und Schienenersatzverkehr in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Von nicht notwendigen Reisen ins Saarland sei abzusehen, teilte die Bahn mit. Aufgrund der Witterungsbedingungen könne kein Ersatzverkehr eingerichtet werden.
Schäden noch nicht absehbar aber teuer
In saarländischen Völklingen sind wegen des anhaltenden Regens Straßenzüge vom Stromnetz genommen worden. „In Völklingen werden Schäden in Millionenhöhe erwartet, insbesondere im privaten Bereich“, hieß es. „Das Schadensausmaß ist nicht noch absehbar.“
Es handele sich um ein Hochwasserereignis, wie es alle 20 bis 50 Jahre stattfinde, teilte das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz mit. An der Unteren Blies rechnete das Amt noch bis zum Samstagnachmittag mit weiter ansteigenden Wasserständen. Der DWD maß stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in nicht einmal 24 Stunden. Für diesen heftigen Regen seien Flüsse und Infrastruktur nicht ausgerichtet, sagte eine DWD-Meteorologin am Freitagabend. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Monat April waren im Saarland rund 74 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen worden – und dies war ein Sechstel mehr Niederschlag als normalerweise in dem Monat.
Die Landeshauptstadt Saarbrücken rief ebenso wie mehrere Kreise eine Großschadenslage aus. Mehrere Gebäude im Stadtgebiet mussten evakuiert werden. Die Stadt richtete Ausweichquartiere in Schulen und ein Bürgertelefon ein. „Wir haben überall Evakuierungen“, sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Saarbrücken. „Es regnet überall, landesweit.“
Auch in Rheinland-Pfalz volle Keller und Straßen
Im benachbarten Rheinland-Pfalz waren am Freitag vor allem der Landkreis Trier-Saarburg mit den Verbandsgemeinden Ruwer und Saarburg-Kell sowie die Südpfalz und die Städte Trier, Zweibrücken, Pirmasens und Ludwigshafen von dem Dauerregen betroffen. Keller und Straßen liefen voll und Bäume stürzten um, wie die Koordinierungsstelle der Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde (ADD) berichtete. Verletzt wurde nach derzeitigem Kenntnisstand niemand. Viele kleinere Bäche und Flüsse traten über die Ufer.
Die Evakuierung der tiefer gelegenen Ortsteile in Schoden an der Saar war bis zum frühen Samstagmorgen erfolgreich abgeschlossen. 220 Menschen wurden laut Kreisverwaltung in einer Turnhalle untergebracht. In Saarburg wurde außerdem ein Seniorenheim evakuiert, in Trittenheim an der Mittelmosel ein Hotel. Davon waren etwa 50 Menschen betroffen, die ebenfalls in einer Turnhalle untergebracht wurden. Der Wasserstand der Saar war zuvor wegen des Dauerregens so stark gestiegen, dass eine Überflutung des Uferdamms befürchtet wurde. Mit Sandsäcken wollten Helfer versuchen, den Damm zu stabilisieren. „An fast allen Orten entlang der Saar sind Straßen und Gebäude überspült, in vielen Gemeinden treten kleinere Gewässer über die Ufer“, teilte die Kreisbehörde mit.
In Trassem im gleichen Kreis wurden drei Menschen, die wegen des Hochwassers in ihren Häusern eingeschlossen waren, von den Rettungskräften befreit. Das teilte der Landkreis Trier-Saarburg auf X mit. In Trassem hätten sich zudem mehrere Bewohner in ihren Häusern verschanzt, hieß es. „Es wird dringend davon abgeraten, sich etwaigen Evakuierungsaufforderungen der Einsatzkräfte zu widersetzen, dies kann lebensbedrohliche Folgen mit sich ziehen, die Pegel steigen weiterhin an“, teilte der Kreis mit.
Wie geht es weiter?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dankte den Kräften von THW, Polizei und Feuerwehr auf X. „Großer Respekt und Dank an alle Einsatzkräfte für ihren unermüdlichen Einsatz, um Menschenleben zu schützen!“, schrieb sie. Am Samstag beginnt dann nach einer unruhigen Nacht für viele Menschen in den betroffenen Regionen das Aufräumen.
Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zeigte Mitgefühl am späten Freitagabend auf X: „Bin wie viele heute Abend in Gedanken bei den Menschen in den Hochwassergebieten und den Helfern, von denen viele die ganze Nacht im Einsatz sein werden. Ich hoffe, alle kommen sicher durch die nächsten schlimmen Stunden.“
Bereits in der Nacht zum Samstag sandte die Landesregierung eine Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger und leitete erste Schritte für finanzielle Hilfen ein. „Viele Saarländerinnen und Saarländer bangen um ihre vier Wände und ihr Hab und Gut oder haben bereits starke Schäden zu beklagen“, teilte Ministerpräsidentin Rehlinger mit. „Damit keine Zeit verloren geht, hat die Landesregierung kurzfristig Beschlüsse gefasst, durch die Hilfe bereitsteht, um entstandene Schäden zu beheben.“ Noch könne aber niemand konkrete Summen nennen.
In einer Schalte am späten Freitagabend habe der Ministerrat ein sogenanntes Elementarereignis von überörtlicher Bedeutung festgestellt. Damit können laut Staatskanzlei Hilfen des Landes fließen. Zudem könnten Kommunen wegen der außergewöhnlichen Notsituation von Regelungen des Haushaltsausgleichs abweichen. „Landesregierung und Kommunen stehen zusammen – wie das ganze Saarland“, teilte Innenminister Reinhold Jost (SPD) mit.