Eine Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit rückt näher. Betriebsrat Sascha Uebel will das nicht kampflos hinnehmen und macht das Finanzministerium für die Lage verantwortlich.
Capital: Herr Uebel, was sagen Sie als Betriebsrat zu der aktuellen Situation rund um die Commerzbank?
SASCHA UEBEL: Die Unicredit ist über Nacht zum zweitgrößten Investor der Commerzbank geworden. Ich bin seit 20 Jahren Commerzbanker und in dieser Zeit wurden wir schon so oft angeblich geschluckt oder zerlegt und waren fast pleite. Aber jetzt sind wir gerade wieder zurück im Dax, gewinnen Preise und haben einen guten Plan für die Zukunft. Der Übernahmeversuch kommt für uns zur Unzeit. Wir kämpfen für die Eigenständigkeit der Commerzbank, weil nach unserer Einschätzung etwa zwei Drittel der Arbeitsplätze vernichtet werden könnten. Bislang wurde seitens Herrn Orcel (Chef der Unicredit, d.Red.) ausschließlich auf das Einsparen von Kosten eingegangen, zur Erschließung neuer oder zum Ausbau bestehender Geschäftsfelder hat er noch nichts gesagt.
Sie fürchten, dass die Commerzbank bei einer Übernahme durch die Unicredit ein ähnliches Schicksal ereilen wird wie die Hypovereinsbank (HVB), die 2005 von der Unicredit geschluckt wurde.
Ja, die HVB wurde von einer Aktiengesellschaft in eine GmbH umfirmiert und Entscheidungen werden jetzt aus Mailand heraus getroffen. Es gab einen massiven Stellenabbau und Filialschließungen. Eine Übernahme durch die Unicredit würde innerhalb der Commerzbank zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung führen, die vermutlich auch weiteren massiven Stellenabbau mit sich bringen könnte. Dagegen kämpfen wir mit aller Kraft.
Sascha UebelKaufen Sie der Bundesregierung ab, dass sie von der Aktion der Unicredit überrascht wurde?
Darüber will ich nicht spekulieren. Es geht mir nicht darum, einen Schuldigen zu finden. Aber es gilt, das Geschehene aufzuarbeiten. Als die Bundesregierung freitags mitteilte, dass sie erst mal keine weiteren Anteile verkaufen will, war das ein erster großer Erfolg, an dem wir als Betriebsrat auch beteiligt waren. Montags folgte dann die Meldung, dass die Unicredit ihren Anteil auf bis zu 29 Prozent erhöhen kann. Das Bundesfinanzministerium hat das verbockt und hat dafür geradezustehen.
Wie bewerten Sie das Verhalten der Bundesregierung in den vergangenen Tagen?
Bundeskanzler Scholz hat sich für die Eigenständigkeit der Commerzbank positioniert, indem er sich gegen die Übernahme ausgesprochen hat. Er hat sie sogar als feindlich bezeichnet. Über so eine deutliche Äußerung freuen wir uns natürlich.
Unicredit-Chef Andrea Orcel hat angeboten seine Aktien wieder zu verkaufen, wenn die Unicredit nicht erwünscht ist. Das haben sowohl die Regierung als auch die Arbeitnehmervertreter nun deutlich gemacht. Was halten Sie von ihm?
Ich kenne Herrn Orcel nicht persönlich. Sein Vorgehen war strategisch gut durchdacht. Aber seine Worte und seine Taten erscheinen klar widersprüchlich. Für mich steht seine Glaubwürdigkeit dadurch infrage – und damit dürfte ich nicht allein sein. Wenn es kein Vertrauen gibt, sehe ich auch keine Möglichkeit zusammenzuarbeiten oder über irgendetwas zu verhandeln.
STERN C Lindner Kommentar 17:08
Welche Rolle spielen Großaktionäre wie die Fondsgesellschaft Union Investment, die jetzt einen „ergebnisoffenen Dialog“ über die Zukunft der Commerzbank fordert?
Alle Aktionäre spielen eine wichtige Rolle und ich bin davon überzeugt, dass ergebnisoffene Gespräche geführt werden müssen. Aber dass eine mögliche Übernahme durch die Unicredit der besser Business-Case ist, muss erstmal bewiesen werden.
Wie stellen Sie sich die Zukunft der Commerzbank vor?
Ich wünsche mir ruhige Fahrwasser, denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sehr hart gearbeitet, um die Bank zurück auf die Erfolgsspur zu bringen. Das Verschwinden der heutigen Commerzbank bedeutet für den Wirtschaftsstandort Deutschland den Verlust einer Bank, die eine erhebliche Rolle bei der Finanzierung der Wirtschaft und insbesondere des Mittelstandes spielt.
Wären Sie denn mit einem Kompromiss einverstanden, dass die Bundesregierung die Unicredit zum Beispiel dazu verpflichtet, Frankfurt zu einem wichtigen Zweitsitz der Bank zu machen?
Davon halte ich gar nichts. Herr Orcel ist ja nicht einmal nach Frankfurt gekommen, um mit unserem Vorstand über eine mögliche Zukunft zu sprechen. Was er angezettelt hat, ist ein unfreundlicher, feindlicher Akt über Nacht, heimlich durch die Hintertür. Das hat es in Europa so noch nie gegeben und das darf es auch nicht geben. Was glauben Sie, was jetzt passieren wird? All die kleineren Banken, die potenzielle Übernahmekandidaten sind, werden jetzt sicherlich unruhig. Was wir gerade erleben, ist ein mahnendes Beispiel. So zerstört man auch Vertrauen in Europa, etwa mit Blick auf eine mögliche Bankenunion.
Würden Sie sich denn gerne mit Herrn Orcel zusammensetzen?
Selbstverständlich, aber das ist nicht meine Aufgabe. Frau Dr. Orlopp (neue Chefin der Commerzbank, d.Red.) hat an diesem Freitag ein erstes Gespräch mit ihm geführt.
Welche Schritte hat der Betriebsrat als nächstes geplant?
Wir sind gut aufgestellt und werden es der Unicredit so schwer wie möglich machen. Herr Orcel überrascht uns gefühlt jede Woche neu und ich finde, wir sollten ihn jetzt auch mal überraschen. Wir haben die „challenge accepted“.