Der Zahl der Arbeitslosen geht seit zwei Jahren schrittweise nach oben. Eine schwache Herbstbelebung rückt die Drei-Millionen-Grenze in den Blick.
Deutschland nimmt wegen seiner anhaltend schwächelnden Konjunktur Kurs auf die Marke von drei Millionen Arbeitslosen. Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, geht davon aus, dass diese Schallmauer im nächsten halben Jahr durchbrochen werden kann, wenn nicht entscheidende konjunkturelle Impulse kommen.
„Das kann im nächsten Frühling, wenn sich daran nichts ändert, auch kurzfristig dazu führen, dass wir über drei Millionen kommen“, sagte Nahles in Nürnberg bei der Vorstellung der Arbeitsmarktstatistik für den Monat September. Es gebe derzeit keinerlei Signale, dass sich an der seit Mitte 2022 andauernden Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt schnell etwas ändere. Die Grenze von drei Millionen Arbeitslosen war zuletzt im Februar 2015 überschritten worden.
Schwache Herbstbelebung
Wegen einer schwachen Herbstbelebung am Arbeitsmarkt sank die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im September im Vergleich zum Vormonat nur leicht um 66.000 auf 2,806 Millionen Menschen. Das sind 179.000 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres, teilte die Bundesagentur mit. Die Arbeitslosenquote sank im September im Vergleich zum August um 0,1 Punkte auf 6,0 Prozent. Für ihre September-Statistik griff die Bundesagentur auf Datenmaterial zurück, das bis zum 11. September vorlag.
„Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung haben im September zwar abgenommen, jedoch deutlich weniger als sonst in diesem Monat. Der Auftakt der Herbstbelebung am Arbeitsmarkt verläuft in diesem Jahr also nur schleppend“, sagte Nahles in Nürnberg.
Weniger offene Stellen
Auch die Nachfrage nach Arbeitskräften ging weiter zurück. Im September waren nach Angaben der Bundesagentur noch 696.000 offene Stellen zur Neubesetzung gemeldet. Das sind 65.000 weniger als vor einem Jahr.
Im Vergleich der Bundesländer liegt die Arbeitslosigkeit in Bremen mit einer Quote von 11,1 Prozent am höchsten, gefolgt von Berlin mit 9,8 Prozent. Die niedrigste Arbeitslosenquote im Ländervergleich verzeichnet Bayern mit 3,8 Prozent. Thüringen und Brandenburg sind die ostdeutschen Länder mit der niedrigsten Quote bei jeweils 6,1 Prozent. Dort ist die Arbeitslosigkeit auch geringer als in einigen westdeutschen Ländern, neben Bremen liegen auch Hamburg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland höher.
Die Kurzarbeit könnte wieder leicht anziehen. Zwischen dem 1. und dem 23. September seien Anzeigen für Kurzarbeit für 65.000 Personen eingegangen. Dies bedeutet eine deutliche Erhöhung im Vergleich zum Vormonat.
Die Chefvolkswirtin der staatlichen Bankengruppe KfW, Fritzi Köhler-Geib, sieht trotz der anhaltend schwierigen Lage für das nächste Jahr dennoch eine leichte Entspannung. Die Zahl der Arbeitslosen werde voraussichtlich im Jahresdurchschnitt von 2,6 Millionen im Jahr 2023 auf 2,8 Millionen im Jahr 2024 steigen. „Im Jahresdurchschnitt 2025 dürfte die Arbeitslosigkeit dann wieder leicht sinken“, sagte sie.
Fachkräftemangel weiter ein Problem
Köhler-Geib machte darauf aufmerksam, dass das Problem des Fachkräftemangels trotz der schwachen Konjunktur bestehen geblieben ist – noch immer suchen Betriebe in einzelnen Branchen händeringend nach Personal, vor allem in den Dienstleistungsberufen. Zwei von fünf zu besetzenden Stellen seien bei den Jobcentern ein halbes Jahr und länger als offen gemeldet. Eine Stellenbesetzung dauere im Schnitt viermal so lange wie vor 20 Jahren.
Auf dem Dienstleistungssektor werde nach wie vor weiter Personal aufgebaut, sagte Nahles. „Diese Impulse reichen aber nicht aus, um den fehlenden Schub durch die Konjunktur zu kompensieren“, betonte sie. In der Industrie gehe dagegen nicht nur die Arbeitslosigkeit nach oben, sondern auch die Beschäftigung nach unten.