Nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Michael Brenner verstößt das Agieren des Thüringer AfD-Alterspräsidenten gegen die Verfassung des Freistaats. Entscheiden muss darüber nun ein Gericht.
Nach Ansicht des Jenaer Verfassungsrechtlers Michael Brenner ist bei der turbulenten ersten Landtagssitzung in Thüringen gegen das freie Mandat der Abgeordneten verstoßen worden. Die AfD habe die Sitzung instrumentalisiert, „um ein bisschen die Demokratie, die Geschäftsordnung und vielleicht auch die Thüringer Verfassung vorzuführen und die Grenzen auszutesten“, sagte der Professor für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Er habe das Agieren des AfD-Alterspräsidenten als ein inszeniertes Schauspiel empfunden. „Ich würde vor allem ein Verstoß gegen das freie Mandat der Abgeordneten sehen. Weil dieses Mandat auch das Recht beinhaltet, am parlamentarischen Prozess teilnehmen zu können, Anträge stellen zu können, Reden halten zu können“, sagte Brenner.
Alterspräsident in der Kritik
Die konstituierende Sitzung im Thüringer Landtag endete am Donnerstag nach mehreren Stunden mit einem Eklat. Sie wurde unterbrochen und die CDU-Fraktion rief das Verfassungsgericht an, um dort die Abläufe klären zu lassen. In der Sitzung vertrat der Alterspräsidenten Jürgen Treutler (AfD) die Rechtsauffassung der AfD-Fraktion, ignorierte Anträge der Abgeordneten, versuchte ihnen das Wort zu entziehen und ließ mehrfach Wortmeldungen nicht zu. Dafür erntete er scharfe Kritik.
Brenner sagte, den Abgeordneten sei durch das Agieren des Alterspräsidenten ihr ureigenes Recht, die Ausübung des freien Mandats, vorenthalten worden. Man könne aber durchaus auch Verstöße gegen das Demokratieprinzip und das Mehrheitsprinzip erkennen. „Ich kenne keinen Vorgängerfall, der ähnliches Ausmaß hat.“
Experte sieht Verfassungsverstoß
In dem Streit zwischen der AfD und den anderen vier Fraktionen im Thüringer Landtag geht es im Kern um die Wahl des Landtagspräsidenten. Als stärkste Fraktion hat die AfD das Vorschlagsrecht, aber keinen Anspruch darauf, dass ihre Kandidatin auch gewählt wird. CDU und BSW wollen vor der Wahl die Geschäftsordnung ändern, damit gleich von Anfang an auch andere Fraktionen Kandidaten vorschlagen können. Das Verfassungsgericht soll nun entscheiden, ob diese Änderung noch vor der Wahl stattfinden kann.
Brenner machte klar, dass er die Rechtsauffassung der AfD nicht teilt. „Wenn man der Auffassung Treutlers folgen würde, müssten sich die neu gewählten Abgeordneten einer Geschäftsordnung unterwerfen, die die alten Abgeordneten des siebten Landtags aufgestellt haben. Das kann nicht sein. Wenn der neue Landtag zusammengekommen ist, dann hat der das Recht, sich selber zu organisieren“, sagte der Experte. Er rechnet damit, dass die Verfassungsrichter zu dem Schluss kommen, dass durch das Verhalten des Alterspräsidenten gegen die Verfassung verstoßen würde.
Die Landtagssitzung wurde bis Samstagmorgen unterbrochen, eine Entscheidung des Gerichts könnte noch am Freitag fallen. „Ich würde mir wünschen, dass das Verfassungsgericht auch einige Sätze sagt zur Rolle des Alterspräsidenten, um zu verhindern, dass am Samstag ähnliche Spielchen gespielt werden“, sagte Brenner.