Hochwasser: Habeck und Söder unterwegs im Flutgebiet

In Süddeutschland sind Nothelfer im Einsatz gegen das Hochwasser. Ein Einsatz endet tragisch. In Baden-Württemberg entgleiste ein ICE.

Zur Bewältigung des Hochwassers sind bislang rund 40.000 Einsatzkräfte in ganz Bayern unterwegs, so Ministerpräsident Markus Söder vor Journalisten im oberbayerischen Reichertshofen. „Das wichtigste wird jetzt sein in den nächsten Stunden, die Ablösungen gut zu organisieren.“

Es müssten diejenigen abgelöst werden, die schon sehr lange im Einsatz seien, sagte Söder. „Denn je länger du ohne Ablöse im Einsatz bist, desto eher besteht die Gefahr, dass irgendein Fehler passiert, dass Ermüdung passiert. Und dann tritt die schnellere Gefahr für Leib und Leben ein.“

Ein Vertreter der Feuerwehr sagte, im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm herrsche aktuell ein unberechenbares Hochwasser, „das wir so auch noch nie verzeichnen mussten.“ Der Markt Reichertshofen werde aktuell überflutet. „Wir können nichts mehr tun, wir müssen quasi jetzt aufgeben. Aber aufgeben heißt nicht, dass wir Leib und Leben dafür riskieren, das haben wir im Griff.“ Aktuell seien im Landkreis rund 4600 Helfer im Einsatz. Die Prämisse laute nun: Schutz von Leib und Leben.

Söder richtete den zahlreichen Einsatzkräften in Reichertshofen erneut ein „herzliches Dankeschön“ aus. „Dass das was Ernstes ist, sieht man daran, dass ein Kollege ums Leben gekommen ist. Deswegen gilt trotz aller Arbeit, die wir haben, auch die Trauer für denjenigen, der es nicht geschafft hat.“ Söder dankte auch der Bundeswehr, die jetzt verstärkt zum Einsatz komme. „Das hilft alles. Jede helfende Kraft ist da hervorragend geeignet.“

Zugleich appellierte der Ministerpräsident an Betroffene, Warnungen per Smartphone ernst zu nehmen. „Wenn sie irgendwo den Handyalarm bekommen und die Aufforderung rauszugehen, zu evakuieren: nicht noch den Koffer packen, nicht noch alle möglichen Gegenstände mitnehmen, sondern einfach dann in dem Moment rausgehen. Es geht da wirklich um Leib und Leben.“

Feuerwehrmann stirbt im Einsatz

Vizekanzler Robert Habeck dankte ebenfalls den Rettungskräften für ihre Arbeit. Die Nachricht vom Tod eines Feuerwehrmanns habe ihn „aus den Gummistiefeln“ gehauen, sagte der Bundeswirtschaftsminister bei einem gemeinsamen Besuch in Reichertshofen. Der Verlust eines Lebens zeige einmal mehr, „was Sie riskieren, was die Freiwilligen, aber auch die Berufsfeuerwehren, die Einsatzkräfte, der THW, alle freiwilligen Helfer, bereit sind, aufs Spiel zu setzen“. Es müsse nun alles dem Ziel untergeordnet werden, dass die Menschen, die sich in Gefahr befänden, geborgen würden. „Wenn es weitere Hilfsgesuche gibt, dann werden die sicher erfüllt werden“, sagte Habeck. Gemeinsam mit Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder und Landesinnenminister Joachim Herrmann machte er sich vor Ort ein Bild von der Lage.

Gemeinde am Bodensee teilweise überflutet

Teile der Gemeinde Meckenbeuren im Bodenseekreis stehen unter Wasser. Der Fluss Schussen sei in den Ortsteilen Kehlen und Brochenzell über das Ufer getreten und habe Straßen geflutet, sagte eine Gemeindesprecherin. Verletzte gebe es bisher nicht.

Rund 1300 Menschen wurden angehalten, ihre Häuser zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Es habe sich um eine Evakuierung auf freiwilliger Basis gehandelt. Manche Bewohner seien in ihren Häusern geblieben und halten sich in den oberen Geschossen auf, heißt es.

Hochwasser in Meckenbeuren

Der Pegelstand der Schussen sei am Abend auf mehr als 4,86 Meter gestiegen. Seitdem falle er langsam ab. Normalerweise sei die Schussen dort nur 45 Zentimeter tief.

Bundeswehr hilft im Kreis Dillingen

Seit dem Morgen hilft im bayerischen Landkreis Dillingen a.d.Donau die Bundeswehr im Kampf gegen das Hochwasser. Rund 70 Mann der Bundeswehr seien zur Unterstützung der Hilfskräfte im Landkreis im Einsatz, teilte das Landratsamt mit. 30 Mann unterstützten beim Befüllen von Sandsäcken in der Stadt Höchstädt, sie sollten anschließend in der Stadt Wertingen bei der Verbauung von Sandsäcken helfen. Weitere 40 Mann seien in Peterswörth, einem Gemeindeteil der Stadt Gundelfingen, mit dem Aufbau von Sandsäcken beschäftigt. Dort sei die Donau linksseitig in Flussrichtung über die Ufer getreten. Ein am Vortag errichteter Behelfsdamm sei gebrochen.

Neue Schauer werden erwartet

Vom Deutschen Wetterdienst (DWD) hieß es, von Norden her zögen neue Schauer und Gewitter auf, die vor allem am Nachmittag nochmals die Gefahr lokaler Überflutungen mit sich brächten. Die Schauer könnten kräftig ausfallen und zögen nur langsam. „Wenn das auf die gesättigten Böden trifft, dann hat man dort auch wieder schnell Überflutungen“, sagte der Meteorologe.

Hochwasser in Heidelberg

Besonders gefährdet von den Schauern und Gewittern seien die Schwäbische Alb sowie Bereiche etwas nördlich davon sowie die Region um Augsburg, Nürnberg, Bamberg und Regensburg. Im Landkreis Augsburg wurden in der Nacht die Evakuierungsaufrufe mehrmals ausgeweitet. Betroffen waren vor allem Kommunen am Fluss Schmutter. In der Augsburger Messe wurde eine Notunterkunft eingerichtet.

Die Unwetter der vergangenen Tage haben mancherorts binnen 24 Stunden mehr Regen fallen lassen, als im Durchschnitt in einem Monat erwartet wird. In Kißlegg in Baden-Württemberg seien am Freitag 130 Liter auf den Quadratmeter an einem Tag gefallen, teilte der Deutsche Wetterdienst in Offenbach auf Anfrage mit. Im Schnitt würden dort in einem Monat 118 Liter erwartet. In Bad Wörishofen in Bayern seien es bei dem Starkregen 129 Liter binnen 24 Stunden gewesen, der Schnitt liege bei 101 Litern im Monat. Das seien im Schnitt in der Unwetterregion im Süden alles Monatswerte, was innerhalb eines Tages an Niederschlag gefallen sei.

ICE-Waggons entgleist

Nach dem Dauerregen der vergangenen Tage entgleisten im baden-württembergischen Schwäbisch Gmünd zwei Waggons eines ICE. Die 185 Passagiere blieben laut einem Bahnsprecher bei dem Unglück unverletzt und wurden aus dem Zug evakuiert. Der Zug war wegen des Hochwassers in Süddeutschland auf die Strecke umgeleitet worden, auf der sich das Unglück ereignete.

Entgleiste Waggons

Generell sollten Bahnreisende wegen des Unwetters in Süddeutschland weiter mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen. Wie eine Bahnsprecherin sagte, sind mehrere Strecken betroffen. Nach einer Auflistung auf der Internetseite des Unternehmens kommt es zum Beispiel zu Ausfällen auf den Strecken München-Nürnberg-Berlin, Stuttgart-Mannheim-Frankfurt, München-Lindau-Bregenz-Zürich, Karlsruhe-Stuttgart-Crailsheim-Nürnberg und Augsburg-Kempten-Oberstdorf. Zwischen Stuttgart und München war nach Unternehmensangaben vom Morgen kein Fernverkehr möglich.

„Wir raten von Reisen in die betroffenen Hochwassergebiete in Bayern und Baden-Württemberg ab“, teilte die Bahn mit. In den noch fahrenden Zügen kann es demnach sehr voll sein. Wer seine Reise aufgrund der Unwetterschäden verschieben möchte, könne seine Fahrkarte zu einem späteren Zeitpunkt nutzen, hieß es. Die Zugbindung sei aufgehoben.

Vollgelaufene Keller in Leipzig

In Thüringen und Sachsen sprechen die Rettungsleitstellen bislang jeweils von nur wenigen Einsätzen. In Colditz im Landkreis Leipzig hatte die Feuerwehr hingegen alle Hände voll zu tun: Dort seien am Abend Dutzende Keller vollgelaufen und Grundstücke überspült worden, sagte Stadtwehrleiter Steffen Schmidt. Zudem sei die Durchfahrt zu zwei Stadtteilen wegen der Regenmassen für einige Stunden gesperrt worden. Verletzt wurde aber nach ersten Angaben niemand. In den sächsischen Landkreisen Bautzen und Görlitz wurden gestern insgesamt 16 Unwettereinsätze registriert. Die Feuerwehr musste dabei vor allem Straßen vom Schlamm befreien. Größere Einsätze oder Schäden habe es nach Angaben der Polizeidirektionen Leipzig und Chemnitz ebenfalls nicht gegeben. In Hessen ist die Autobahn 7 zwischen Bad Hersfeld und Homberg Efze wegen Überschwemmungen für Stunden gesperrt worden.