In einem Duisburger Wohnkoloss herrschen prekäre Verhältnisse. Der Paketdienst DHL hat dort so schlechte Erfahrungen mit Bewohnern gemacht, dass er die Zustellung stoppte. Und jetzt?
Nach einer mehrmonatigen Pause stellt die Logistikfirma DHL wieder Pakete in einem Duisburger Hochhaus zu, das als sozialer Brennpunkt bekannt ist. Dies tut die Firma nach eigenen Angaben aber nur „in Begleitung“. „Wir werden die begleitete Zustellung an zwei Werktagen in der Woche für einige Wochen testen und dann die Situation neu bewerten“, sagte eine Konzernsprecherin der dpa. Wer den DHL-Zusteller begleitet, etwa ein privater Sicherheitsdienst, sagte sie auf Nachfrage nicht. Das Duisburger Ordnungsamt stellt hierfür kein Personal.
Aus Sorge um die Sicherheit seiner Beschäftigten hatte DHL die Zustellung des Hochhauses, das 320 Wohnungen auf 20 Stockwerken hat, eingestellt. Die DHL-Zusteller seien bedroht worden, hieß es von dem Bonner Konzern. Außerdem sei die Zustellung mitunter auch deshalb schwierig gewesen, weil Klingelschilder nicht funktionstüchtig und Wohnungstüren und Briefkästen unzureichend beschriftet seien. „In diesen Fällen ist die Zustellung an der Haustüre schon aus diesen Gründen nicht möglich“, heißt es von DHL.
20 Minuten Fußweg zum Paket-Abholen
War der Name am Briefkasten erkenntlich, bekamen die Bewohner während des Zustell-Stopps Abholbenachrichtigungen von DHL, woraufhin sie sich die Pakete in einer Postfiliale abholen mussten. Der Fußweg dorthin dauerte gut 20 Minuten. Seit kurzem befindet sich ein Paketautomat des Bonner Konzerns in unmittelbarer Nähe zum Hochhaus im Stadtviertel Hochheide.
Während DHL die Notbremse zog und die Zustellung einstellte, lieferten die Wettbewerber Hermes, DPD und GLS weiter aus. Unter den Anwohnern gab es unterschiedliche Meinungen über die Entscheidung von DHL: Einige äußerten gegenüber dpa im Sommer Verständnis für den Zustell-Stopp, andere hielten ihn für überzogen.
Verwahrlosung trifft auch einige Anwohner
In dem Viertel gibt es mehrere Hochhäuser, die in den 70er Jahren gebaut worden sind. Diese „Weiße Riesen“ waren für die Duisburger Arbeiterschaft zunächst durchaus begehrte Wohnungen, im Laufe der Jahre verwahrlosten die Gebäude aber.
Ein Besuch vor Ort macht die prekäre Lage des Wohnkolosses deutlich. Manche Fenster sind kaputt, einige Balkone sind vollgestopft mit Gerümpel. Auch der Zustand des Treppenhauses ist schlecht. Immer wieder schmeißen Menschen Mülltüten und andere Abfälle aus ihrer Wohnung nach draußen auf eine Wiese. Dort tummeln sich tagsüber Tauben. Abends und nachts seien immer wieder Ratten und Kakerlaken zu sehen, berichten Bewohner. Der Polizei zufolge gibt es an der Adresse „ein Ordnungsproblem“.
Ein Hausmeister geht vormittags auf der Wiese herum und sammelt Müll ein. Dabei trägt er einen Helm – aus Schutz vor Mülltüten, die ihn von oben treffen könnten. Außerdem liegen alte Autoreifen und andere größere Gegenstände auf dem Grundstück des Hochhauses.
Ein Rentner, der schon lange in dem Haus lebt und früher als Stahlarbeiter tätig war, berichtet der dpa, er habe die Wohnung Anfang der 80er Jahre gekauft und den dafür nötigen Kredit über einen langen Zeitraum abbezahlt. Dass das Gesamtgebäude so verwahrlost sei, liege an einigen Nachbarn. „Mich trifft das sehr.“ Eine andere Bewohnerin sagt, sie sei nur Mieterin, der Vermieter kümmere sich zu wenig.
Abriss als letzter Ausweg?
Die Stadt Duisburg will das Problemviertel sanieren und die Lebensqualität erhöhen. Das dürfte eine Mammutaufgabe sein. Eine Maßnahme dafür ist der Abriss: Zwei der „Weißen Riesen“ wurden bereits dem Erdboden gleichgemacht, bei dem nächsten soll dies 2025 geschehen.
Der „Weiße Riese“, bei dem DHL die Zustellung einstellte, soll bislang nicht abgerissen werden. Der Duisburger SPD-Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir bewertet das Gebäude als „großes Problem“. Die Eigentümergemeinschaft müsse ihrer Verantwortung nachkommen und die teilweise desolaten Zustände des Hochhauses verbessern, schreibt Özdemir auf Facebook. Es könne nicht sein, dass die Eigentümer mit vernachlässigten Immobilien Gewinne machten, während einige Anwohner sowie die Allgemeinheit darunter leiden. Wer Müll einfach aus dem Fenster werfe, müsse bestraft werde.
„Sollte sich nichts ändern, müssen wir alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um gesunde Wohnverhältnisse zu gewährleisten – notfalls bis hin zum Abriss“, sagt der Sozialdemokrat. Für einen Abriss müssten die Wohnungen aber erst einmal gekauft werden. Da es zahlreiche Eigentümer gebe, wäre so ein Kauf ein schwieriger und langwieriger Prozess, heißt es von der Stadt Duisburg.
An vier von sechs Werktagen keine Zustellung
Der Zustell-Stopp von DHL ist vorerst zwar Geschichte, Normalität ist jedoch nicht eingekehrt, schließlich kommt ein Paketbote des Bonner Konzerns nur an zwei Werktagen die Woche. An den anderen vier Werktagen kommt er nicht. „Der Schutz unserer Beschäftigten hat weiterhin höchste Priorität, deshalb haben wir die Sicherheitsvorkehrungen für unsere Zustellerinnen und Zusteller weiter erhöht, u.a. durch eine Begleitung vor Ort“, sagt die DHL-Sprecherin über die Testphase. „Zudem stehen wir weiterhin mit den örtlichen Ordnungsbehörden in engem Austausch.“