Straßen sind überflutet, Sandsack-Barrieren sollen Häuser schützen. An der Oder in Brandenburg herrscht die höchste Hochwasser-Alarmstufe. Einsatzkräfte ackern, um größere Schäden zu verhindern.
Das Oder-Hochwasser im Osten Brandenburgs rückt zunehmend an Häuser in Wohngebieten heran und überflutet Straßen. Bei höchster Alarmstufe 4 sind die Einsatzkräfte im Dauerstress, um größere Flut-Schäden zu verhindern. Die Orte entlang des deutsch-polnischen Grenzflusses könnten nach bisheriger Einschätzung aber eher glimpflich davon kommen – auch im Vergleich zur Hochwasserkatastrophe 1997.
Dabei müssen die Einsatzkräfte darauf setzen, dass die Deiche, an denen erste Sickerstellen auftraten, den Wassermassen standhalten. In Südpolen hat sich die Lage nach schweren Überflutungen inzwischen leicht entspannt.
Ministerpräsident Woidke: Lage ist gut im Griff
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) stieg in wasserdichte Arbeitsschuhe, als er heute im Hochwassergebiet in Eisenhüttenstadt und dem nahe gelegenen Ratzdorf mit Helfern und Anwohnern sprach. Dort wurden Sandsack-Barrieren verstärkt, um Häuser zu schützen und undichte Stellen am Deich repariert. Woidke rechnet damit, dass sich die Hochwasserlage gut bewältigen lässt.
Es sei momentan noch eine Situation, die auch mit den regionalen Kräften gut im Griff sei – „aber nur deshalb, weil Zigtausende Menschen hier bei uns im Land schon angepackt haben und weiter anpacken“, sagte der Regierungschef. Das Technische Hilfswerk füllte Sandsäcke im Akkord. 1.500 Stück in einer Stunde – das sei kraftraubend, hieß es in Eisenhüttenstadt.
Seit der extremen Hochwasserlage 1997, bei der Orte im Oder-Flussgebiet unterzugehen drohten, wurde vor allem die Sicherung mit Deichen verbessert. Der Scheitelpunkt des Hochwassers sollte teils nicht lange auf sich warten lassen, danach geht der Wasserstand zurück.
Anwohner: „Wir sind hochwassererprobt“
Anwohner in Eisenhüttenstadt, wo einige Straßen und Gärten in Ufernähe überflutet sind, zeigten sich zuversichtlich – sie seien Schlimmeres gewohnt. „Wir sind hochwassererprobt“, meinte ein Anwohner. Auch beim Bürgermeister Eisenhüttenstadts, Frank Balzer (SPD), ist alles andere als Panik zu spüren, denn beim Hochwasser 1997 stand die Oder nach seinen Aussagen bei fast 7,20 Metern – fast 60 Zentimeter höher als aktuell. „Alles läuft gut“, sagte Balzer.
Pegelstand erreicht Spitzenmarke von 1997 nicht
Der Landrat des Kreises Oder-Spree, Frank Steffen, sagte: „Die Stimmung ist angespannt, aber ruhig, da wir ja rechtzeitig die Alarmstufen ausgerufen haben.“ Er habe das „gute Gefühl“, dass Einsatzkräfte sofort reagieren könnten, wenn Probleme auftauchten.
Am Pegel in Ratzdorf wurde am Dienstagabend der Pegelstand der höchsten Alarmstufe 4 überschritten. In Eisenhüttenstadt galt dann ab dem Morgen die oberste Stufe – da lag der Wasserstand bei 6,30 Metern und darüber. Auch Warnapps schlugen an und meldeten an der Oder „sehr großes Hochwasser“. Beim Erreichen der höchsten Alarmstufe geht es um Katastrophenabwehr. Das bedeutet nicht automatisch, dass der Katastrophenfall gilt. Zentral ist, dass die viele Kilometer langen Schutzdeiche permanent kontrolliert werden.
Der Höchststand soll auch in Ratzdorf deutlich unter der Marke des Hochwassers von 1997 bleiben. Damals sei am Pegel ein Wasserstand von 6,97 Metern gemessen worden, sagte Steffen. Normal sind am Pegel Ratzdorf um die 2,60 Meter. Das Ratzdorfer Pegelhäuschen auf einem Sockel am Oderufer, das durch die Flut vor 27 Jahren deutschlandweit bekannt wurde, ist inzwischen aber von Wassermassen eingeschlossen.
Erleichterung in Polen nach schweren Überflutungen
In Polen lag der Wasserstand der Oder an 20 Pegelstationen über der Alarmstufe, teilte das Meteorologische Institut mit. Der Scheitelpunkt des Hochwassers gehe gerade durch Krosno Odrzanskie, wie ein Sprecher der örtlichen Feuerwehr der Nachrichtenagentur PAP sagte. In der Woidwodschaft Lebus sei die Lage an der Oder stabil und werde laufend überwacht. Weiter flussaufwärts, in Cigagice rund 90 Kilometer südöstlich von Eisenhüttenstadt, war der Wasserstand im Vergleich zum Vortag bereits gesunken.
Einsatzkräfte holen Treibholz aus Wasser
Im brandenburgischen Hochwassergebiet, etwa bei Lebus im Kreis Märkisch-Oderland, sind Einsatzkräfte noch in hoher Alarmbereitschaft. Sie sind auch mit Booten unterwegs, um Treibholz aus dem Wasser zu holen. Eine Drohne sollte aufsteigen, um vor allem die Lage an Brücken aus der Luft zu beobachten, wie der Landkreis schilderte.
In dem Ort Lebus, der nicht mit einem Schutzdeich gesichert ist, sind ufernahe Bereiche bereits überflutet. Zu sehen ist etwa das Restaurant „Oderblick“, das mit einem Wall aus Sandsäcken vor dem Hochwasser der Oder geschützt wird. Das Wasser reichte bislang bis zum Gartenzaun. Auch Einfamilienhäuser stünden in dem Gebiet, „aber die Menschen dort kennen das Szenario und sind vorbereitet“, sagte eine Sprecherin des Kreises.
Deichschützer beklagen Probleme durch Biber
Sorgen macht den Einsatzkräften im Hochwassergebiet der Biber. Deichläufer melden an den Deichen immer wieder Schäden, die der Nager angerichtet hat. Der Biber sei zum Problem geworden, meinte Landrat Steffen. Für den Hochwasserschutz erlaubten es einige Oder-Regionen, die geschützten Tiere zu schießen. Jäger sollen auch in den kommende Tagen weiter Biber ins Visier nehmen.